„Mehr Zielgruppen sollen erreicht werden“

Das Interview: Backnangs neuer Kultur- und Sportamtsleiter Johannes Ellrott spricht über die Programmplanung fürs Backnanger Bürgerhaus, die Zusammenarbeit mit dem Bereich Stadtmarketing und die Gemeinsamkeiten von Sport und Kultur.

Der Kulturmanager Johannes Ellrott ist seit Januar für das viele Bereiche umfassende Kultur- und Sportamt in Backnang zuständig. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Der Kulturmanager Johannes Ellrott ist seit Januar für das viele Bereiche umfassende Kultur- und Sportamt in Backnang zuständig. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

Wie sah Ihr Arbeitsbeginn in Backnang im Januar mitten im Lockdown aus? Wie macht man sich ein Bild vom Gegenstand seines künftigen Tuns, wenn alles geschlossen hat?

Das war tatsächlich eine Herausforderung. Denn das, was wir in der Kultur und im Sport machen, ist ja, Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen. Wofür man mit Künstlern und auch im Team Kreativprozesse anstößt. Und genau das war jetzt im Moment nicht möglich. Aber ich musste natürlich sukzessive dieses Riesenamt mit seinen vielen auch räumlich von den Gebäuden her dezentral strukturierten Außenstellen so weit wie möglich persönlich kennenlernen. Von diesen vielen Gesprächen waren meine ersten Tage hier geprägt.

Nimmt man in Kornwestheim wahr, was in Backnang kulturell alles läuft? Immerhin treten in Backnang internationale Künstler auf, und der Nachlass des Backnanger Malers Manfred Henninger befindet sich in Kornwestheim.

Als wir damals das K 2013 neu eröffnet haben – ich bin 2014 neu dahin gekommen – war es so, dass wir uns Häuser in der Region angeschaut haben, um zu sehen, was passiert dort kulturell – inhaltlich und marketingtechnisch. Da war Backnang vom Konzeptionellen her durchaus interessant. In Kornwestheim per se war es aber schon so, dass viele Leute, die bei uns auch zu Gast waren, sich eher Richtung Stuttgart und Ludwigsburg orientiert haben. Das Straßenfest in Backnang hat natürlich eine große Außenwirkung. Und die großen Orchester wie die Stuttgarter Philharmoniker gehen in Backnang ein und aus und der Dirigent Frieder Bernius, der mit seinen Ensembles in Backnang auftritt, ist eine große Nummer in Stuttgart. In der klassikaffinen und hochkulturellen Szene ist Interesse da. Deshalb sind die Leute schon auch hierhergefahren. Es wäre freilich schön, auch hier Gäste aus Kornwestheimer Zeiten zu begrüßen, weil sie wissen, der Herr Ellrott ist jetzt in Backnang. Die Strahlkraft von Backnang können wir noch stärken. Aber ganz vieles ist schon geleistet worden in den letzten zehn Jahren, ein Samen ist gelegt worden.

Der bisherige Kultur- und Sportamtsleiter Martin Schick hat Ihnen ein gut bestelltes Haus hinterlassen. Sie sind aber auch mit vielen Ideen gekommen. Mit welchen Ideen haben Sie den Gemeinderat beeindruckt?

Was ich damals auch gesagt habe, ist, dass ich keiner bin, der mit der Rasenmähermethode alles plattmacht, was bisher war. Das ist auch mein Anliegen, die Dinge, die gut laufen, die eine Tradition haben, mitzunehmen und weiterzuentwickeln. Zum Beispiel habe ich das Thema Kindertheater genannt. Es gibt schon die Flauschohrenkonzerte für diese Zielgruppe, aber keine Kindertheaterreihe. Es war mir immer wichtig, Jugendliche und Kinder dafür zu gewinnen, auch ins Theater zu gehen. Sie sind auch das Publikum von morgen.

Wie sieht es mit den übrigen Sparten aus?

Wir haben ein tolles Klassik- und Jazzprogramm. Da spricht überhaupt nichts dagegen, einen Schritt weiterzugehen und zu sagen: Was hat sich denn aus dem Jazz entwickelt? Es sind Rock und Pop. Ganz en vogue sind die Singer-Songwriter. Ich habe nicht vor, das Haus jetzt komplett auf links zu krempeln und zu sagen, wir machen alles anders. Meine Kontakte in die Kultur- und Kreativwirtschaft hinein zu vielen Agenturen habe ich aber hier nach Backnang mitgenommen. Ich möchte das Programm in andere Genres öffnen, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen, das Spektrum zu erweitern. Auch in Richtung Musical oder einer Entertainment-Show. In der Vergangenheit habe ich tolle Showformate gehabt, die großen Anklang gefunden haben. Von diesen programmatischen Schritten wird das Publikum in der nächsten Saison schon ein paar Akzente wahrnehmen. Das werden wir in Zukunft versuchen, nach und nach auszubauen.

Wollen Sie mit Meinhard „Obi“ Jenne und Irene Ferchl weiterarbeiten, die Martin Schick in der Programmplanung unterstützt haben, oder sagen Sie, ich habe selbst so viele Kontakte, ich brauche sie jetzt nicht mehr?

Es wird die Zusammenarbeit mit beiden auf jeden Fall weiterhin geben. In welchem Ausmaß, da sind wir gerade am Ausloten. Die beiden sind offen für eine programmatische Erweiterung.

Viele Veranstaltungen sind ausgefallen, sollen die alle nachgeholt werden?

Wir wollen unseren Künstlern Nachholtermine anbieten. Man weiß aber noch nicht genau, was jetzt kommt, wann es weitergeht. Wir werden das eine oder andere noch verlegen müssen, was in nächster Zeit ansteht. Das Programm in der nächsten Saison wird viel Wiedererkennungswert haben.

Gerade in der jetzigen Situation braucht die Kultur vor allem Förderung. Was kann eine Stadt wie Backnang in dieser Hinsicht vielleicht noch mehr tun als bisher?

Sobald es wieder möglich ist, Bühnen zu bespielen, können wir schauen, dass wir Fördergelder bekommen. Und es sind Überlegungen da in Richtung Open-Air-Konzerte im Sommer. Damit man den Künstlern wieder Bühnen gibt und sie auch ordentlich dafür bezahlt. Obwohl nur ein Drittel oder ein Viertel des Publikums drinsitzt.

Haben Sie konkrete Locations im Blick?

Wir sind gerade am Prüfen – im Innenstadtbereich, wo man den Mehrwert einer Kulisse hat. Im Stiftshofbereich beispielsweise oder auf dem Marktplatz.

Digitale Konzepte sind ja auch das Gebot der Stunde. Was haben Sie diesbezüglich vor?

Der Wunsch ist, dass wir mehr digital präsentieren und mitteilen, was läuft. Denkbar sind digitale Führungen durch eine Ausstellung. Es geht auch darum, eine Metaebene zu schaffen. Beispielsweise ein Konzert nicht 1:1 widerzuspiegeln, sondern die Dinge dahinter zu erklären, eine Ausstellung in Worte zu fassen, ins Gespräch zu kommen mit den Mitwirkenden oder Teilnehmern. Auch Facebook und Instagram sind ein großes Thema. Fragen, die dahinterstehen, sind: Wo informieren sich die Menschen? Wo baut man eine Bindung auf zum Publikum, dass es wieder kommt, wenn die Coronazeit vorbei ist?

Das Stadtmarketing ist ja ganz neu zum Kultur- und Sportamt gekommen. Wo sind die Synergieeffekte?

Wir hatten im Kulturamt von jeher den Bereich Tourismus. Tourismus und Stadtmarketing sind eng verwoben. Was macht eine Stadt touristisch attraktiv? Ein Tourist geht im Idealfall nachmittags hier einkaufen, dann ins Restaurant und besucht im Anschluss eine Kulturveranstaltung. Die Frage ist, wie schaffen wir es, Menschen mit dieser Botschaft zu erreichen. Da brauchen wir eine einheitliche Kommunikation. Allein, was die Vermarktung anbelangt, hat es schon einen riesen Mehrwert zu sagen: Ihr habt doch Saisoneröffnung im September, wir haben da Gänsemarkt. Dann kann man die Dinge gegenseitig bewerben. Ich glaube, dass es in Zukunft durch die Krise für die Menschen immer relevanter wird, auch im nahen Umfeld einmal zu schauen, wo man etwas erleben kann.

Ihr Amt ist ja für viele Bereiche zuständig, die zum Glück unter bewährter Leitung stehen und reibungslos funktionieren. Ein großes Thema, mit dem Sie viel zu tun haben werden, ist der Sport. Haben Sie ganz persönlich Berührungspunkte dazu?

Ich bin alter Lateiner: Mens sana in corpore sano, ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – bei mir gehören diese zwei Bereiche sowohl in meinem privaten als auch im geschäftlichen Umfeld immer untrennbar zueinander. Meine besten Ideen kommen beispielsweise beim Schwimmen. Ich gehe unter normalen Umständen jede Woche zwei- bis dreimal schwimmen. Ich liebe diese Dreiviertelstunde im Becken, in der ich einfach mit mir und dem Wasser bin, und nix höre und wenig sehe. Ich finde, dass Menschen, die etwas für künstlerische Ästhetik übrig haben, oft den sportlichen Ausgleich suchen und brauchen. Und umgekehrt, dass für Sportler wiederum im Kulturellen viel Tiefe und Seele liegt, die dann vielleicht auch wieder im sportlichen Kontext inspirieren kann. Diese beiden Bereiche verbindet auch das Gemeinschaftserlebnis.

Ein wichtiges Thema ist ja auch der Neubau der Karl-Euerle-Halle.

Die Ergebnisse der Umfragen, in denen nach den Wünschen der späteren Nutzer gefragt wurde, liegen mir vor. Die Aspekte werden gehört. Dass die Halle die Bedürfnisse der Nutzer auch erfüllt. Das Thema wird auch mich in den nächsten Monaten stark beschäftigen.

Wirtschaft und Kultur im Blick

Der gebürtige Nürnberger Johannes Ellrott (Jahrgang 1988) studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg Wirtschaftswissenschaften und danach an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar Kulturmanagement.

Ab 2014 war er Kulturmanager der Stadt Kornwestheim und des Kultur- und Kongresszentrums Das K. Zeitweise war er in Kornwestheim auch kommissarischer Leiter der städtischen Musikschule.

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Erstellt:
20. Februar 2021, 06:00 Uhr

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