Videokünstlerin Hito Steyerl

Mit Erich-Fromm-Preis in Stuttgart geehrt

Die Künstlerin Hito Steyerl analysiert scharf das Zusammenspiel von Macht und Digitalisierung. Aber ist sie deshalb die richtige Kandidatin für den Erich-Fromm-Preis, den sie jetzt im Stuttgarter Hospitalhof erhalten hat?

Hito Steyerl hat in Stuttgart mit einem klugen Festvortrag beeindruckt.

© picture alliance/dpa/Stephanie Pilick

Hito Steyerl hat in Stuttgart mit einem klugen Festvortrag beeindruckt.

Von Adrienne Braun

Die Szene war filmreif: Als Donald Trump den ukrainischen Präsidenten vor laufenden Kameras abkanzelte,war sein Wutausbruch gekonnt inszeniert. Neben solch politischem Theater, so die These von Hito Steyerl, benötigt man keine Künstler mehr. Sie muss es wissen, sie ist selbst Künstlerin. Deshalb war es nicht selbstverständlich, dass Hito Steyerl nun den Erich-Fromm-Preis erhalten hat. An sich gibt die internationale Fromm-Gesellschaft die 10 000 Euro an Personen, die sich wissenschaftlich oder gesellschaftspolitisch hervorgetan haben – wie Gesine Schwan und Hartmut Rosa.

Eine Künstlerin, die Position bezieht

Bei der Preisverleihung am Samstag im Stuttgarter Hospitalhof erwies sich Hito Steyerl nun aber als ideale Preisträgerin. Denn sie ist weit mehr als nur Künstlerin, die nebenbei in Philosophie promoviert hat. In ihren Videoarbeiten und Büchern analysiert sie scharfsinnig die Gegenwart. Sie zeige auf, wie Macht, Gesellschaft und Audiokommunikation miteinander verknüpft sind, erklärte der Kurator Sören Grammel in seiner Laudatio. So beschäftigt sie sich mit dem Einfluss von Algorithmen oder Daten, die Künstliche Intelligenz benutzt – und auch verschweigt. Auch da geht es um Macht.

Steyerl, 1966 geboren, hat immer wieder Position bezogen – ob sie 2021 das Bundesverdienstkreuz ablehnte oder 2022 ihre Arbeit auf der Documenta 15 zurückzog. Sie ist eine kritische Künstlerin, die sich nicht auf ihre schöpferische Intuition zurückzieht. Deshalb rückte sie in ihrem Vortrag „Praxis heute“ auch nicht sich und ihre Kunst ins Zentrum, sondern stellte das fragwürdige Projekt „Praxis“ des US-Unternehmers Dryden Brown vor. Er hat bereits 500 Millionen Euro aus der rechten Kreisen und der Krypto-Szene eingeworben, um Modellstädte aufzubauen als Vorlage für künftige Kolonien auf dem Mars. Das Design dieser geplanten Stadtstaaten sei „neuromantischer KI-Kitsch aus dem Generator“ und ist für Steyerl ein Beispiel, wie demokratische Strukturen von Tech-Konzernen abgelöst werden. Auch Elon Musk ersetze die amerikanischen Behörden nun durch „KI aus seinem Unternehmen“.

Wenn Freiheit nur Verzicht auf Verantwortung bedeutet

Die Politik, so Steyerls bedenkenswerte These, vereinnahme heute die Kunstfreiheit für sich, und Politiker wie Trump & Co. verhielten sich wie Künstlergenies alten Schlags. Die Freiheit, die sie fordern, meine, zu tun, „worauf man Lust hat“ und jeden Verzicht auf Verantwortung. In diesem neuen Paradigma, „scheint nichts undenkbar“, so Steyerl. Aber während Kunst nur auf einer Art Spielwiese agiere, sei „der Abriss der demokratischen Kontrollsysteme real“. Da werden Künstler überflüssig, meint Hito Steyerl – und hat aber nicht Recht. Denn kluge Köpfe von ihrem Format sind dringender nötig denn je.

Zum Artikel

Erstellt:
9. März 2025, 10:52 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen