Musikalische Überraschung beim Fagottett in Backnang

Das SWR Swing Fagottett begeistert beim adventlichen Konzert im Bürgerhaus nicht nur mit einem unterhaltsamen Klassik-Swing-Jazz-Programm, sondern auch mit dem fliegenden Wechsel verschiedener Instrumente.

Die vier Fagottisten des SWR Swing Fagottetts zeigen die Vielfältigkeit dieses Instruments bei ihrem Konzert im Backnanger Bürgerhaus. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die vier Fagottisten des SWR Swing Fagottetts zeigen die Vielfältigkeit dieses Instruments bei ihrem Konzert im Backnanger Bürgerhaus. Foto: Alexander Becher

Von Klaus J. Loderer

Backnang. Auch wenn das SWR Swing Fagottett aus vier Fagottisten besteht, die natürlich Fagott spielen, ist die Besetzung doch reichhaltiger, denn die vier Musiker beherrschen auch noch allerhand andere Instrumente. Beim adventlichen Konzert am Sonntagabend im Bürgerhaus konnte das Publikum zehn verschiedene Instrumente, fliegende Wechsel und manche musikalische Überraschung – und das alles auf hohem Niveau – erleben.

Musikalische Späße der vier ausgezeichneten Künstler

Das Programm beschränkte sich nicht auf Swing sondern bot einen beschwingten musikalischen Querschnitt von der Klassik bis heute. Es war nicht alles ernst gemeint: Das Fagottett nahm mit seinem unterhaltsamen Programm sich und die musikalische Ernsthaftigkeit auf die Schippe. Das konnten sich die vier ausgezeichneten Künstler erlauben. Da waren vier Beherrscher ihrer Instrumente versammelt. Mit Humor amüsierte sich das Publikum bei musikalischen Späßen wie der Verschmelzung von Bachs „Air“ mit Glenn Millers „Moonlight“. Ein E-Bass ergänzte hier die Instrumentierung. Doch den stürmischsten Beifall erhielt Ernst Moschs „Pfeffer und Salz“ mit einem rasanten Georg ter Voert junior am Xylofon und mit der Piccoloflöte. Wolfgang Milde lockerte das Konzert mit seiner Moderation auf.

Aber den Kern des Konzerts des 1986 entstandenen Ensembles bildete dann doch das Fagottquartett. Da waren überraschend vielschichtige Möglichkeiten zu hören. Das Fagott wird in der sinfonischen Musik als tiefes Holzblasinstrument für seine sonoren Töne eingesetzt. Als Soloinstrument ist es selten zu hören. Umso interessanter ist eine reine Fagottbesetzung mit ihrem vollen Klang.

Ein fulminantes Wechselspiel

Das war gleich bei Dvořáks slawischen Tänzen als schwungvolle Einleitung zu bemerken. Ein virtuoses Fagottduo ließ in einem fulminanten Wechselspiel eine Arie der Rosina aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ erklingen. In „Tanztee im Landschlösschen“ von Julius Weissenborn fiel dann noch ein ganz anderes Fagott auf: Für Erstaunen sorgte das tiefe Brummen des von Georg ter Voert senior gespielten Kontrafagotts. Dieses tiefste Holzblasinstrument hat eine mehrfach geknickte Röhre, die fast sechs Meter lang ist. Im Potpourri nach dem Musicalklassiker „My Fair Lady“ markierte es das Motiv des heiratswilligen Mr. Doolittle, während die Piccoloflöte „Es grün so grün“ zwitscherte.

Georg ter Voert junior erzielte mit der Piccoloflöte immer wieder solche Effekte. Libor Šíma, der 1986 zum Radiosinfonieorchester Stuttgart kam und 2001 Solofagottist beim SWR-Sinfonieorchester wurde, musste mit seinem Altsaxofon etwas tiefer bleiben. Aber er wechselte gelegentlich auf das Sopransaxofon, etwa um in der Puccini-Suite eines der Hauptmotive aus der Oper „Turandot“ herauszuarbeiten. Diese hohen Instrumente setzten wirkungsvolle Akzente über den tiefen Fagotttönen. Im durch Edith Piaf bekannten „Sous le ciel de Paris“ kam sogar ein Akkordeon zum Einsatz. In seiner eigenen Komposition „Drei plus zwei in Shanghai“ spielte Georg ter Voert senior das Klavier. Vater wie Sohn ter Voert sind geradezu Tausendsassas auf den verschiedensten Instrumenten.

Herrlich verfremdete und leicht schräge ABBA-Melodien

Als Wolfgang Milde Libor Šíma aufforderte, „Mamma mia“ im Stil moderner Komponisten zu spielen, setzte dieser das unter dem Kichern des Publikums auch gleich um. Das war natürlich ein liebevoll gemeinter ironischer Seitenhieb auf den Solofagottisten, der auch als Komponist bekannt ist. Im kuriosen Potpourri „ABBA in Contrasts“ aus herrlich verfremdeten und leicht schrägen ABBA-Melodien ging es dann von „Waterloo“ bis zu „Money, Money, Money“.

Natürlich hatte auch Hanno Dönneweg, der als Solofagottist bekannt ist, seinen großen Auftritt. Er stand im Zentrum der von Wolfgang Milde vorgetragenen gereimten Erzählung „Fagottismus“ über eine Musikerkarriere. Zu Beginn durfte Hanno Dönneweg übend bewusst quietschen, bis aus dem Schüler ein Solospieler herangereift war. Aber dann bot er ein Feuerwerk von klassischer Musik und Rock’n’Roll. Allerhand bekannte Motive waren eingebaut wie Griegs „Peer Gynt“-Suite, Ravels „Bolero“ und „Der Schwan“ von Camille Saint-Saëns.

Die Percussion kommt vom Band

Über die Rocky-Filmmusik „Gonna fly now“ ging es zu Benny Goodmans „Air Mail Special“ von 1941. Da Swing ohne Schlagzeug etwas fad klingt, ließen sich die Fagottisten die Percussion vom Band einspielen. Wolfgang Milde kündigte das verschmitzt als „Fake Quartett“ an. In der Adventszeit durften weihnachtliche Motive nicht fehlen. So bildete das Potpourri „It’s Christmas Time“ das Finale, eine Sammlung aus Weihnachtsmelodien um das durch Bing Crosby bekannt gewordene „White Christmas“ und „Jingle Bells“. Als Zugabe gab es dann noch einen musikalischen Spaß, nämlich eine Verschmelzung aus Radetzky-Marsch und „Stars and Stripes“.

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Erstellt:
13. Dezember 2022, 11:30 Uhr

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