Musikalisches Aushängeschild der Stadt

Städtisches Blasorchester Backnang feiert 100-Jahr-Jubiläum

Das Städtische Blasorchester Backnang ist das führende Höchststufenorchester im Rems-Murr-Kreis. „Stadtturm und Rathaus sind die Wahrzeichen unserer Stadt aus Stein, das Städtische Blasorchester ist das Wahrzeichen der Musik unserer Stadt“, schreibt OB Frank Nopper in seinem Grußwort in der Broschüre „100 Jahre Städtisches Blasorchester Backnang“. Mit mehreren Konzerten wird das Jubiläum 2019 gefeiert. Auftakt ist am Samstag im Bürgerhaus.

Musikalisches Aushängeschild der Stadt

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Das Städtische Blasorchester Backnang zählt zu den besten Amateurblasorchestern in Deutschland. Warum das so ist, hat mehrere Gründe. Da spielt die lange Tradition und der gesunde Ehrgeiz der Dirigenten und Musiker, sich stets zu verbessern und die damit einhergehende Entwicklung des Orchesters von der Stadtkapelle zu einem sinfonischen Blasorchester eine wesentliche Rolle.

Dass das Orchester praktisch eine Abteilung der Stadt Backnang ist, wie sich Vorsitzender Helmut Schaber ausdrückt, trägt nicht unwesentlich zum Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Musiker bei. Dirigent Christian Wolf erklärt: „In heutiger Zeit ist es nicht selbstverständlich, dass eine Stadt sagt: Das leisten wir uns.“ Wolf leitet in Süßen bei Göppingen die Musikschule und ist außerdem zu 25 Prozent Angestellter der Stadt Backnang. Es gibt unter anderem einen Etat für Instrumente, Noten, die Uniform wird bezahlt – zum Jubiläum gab es eine neue – und die Stadt kommt auch für die Entlohnung von Übungsleitern an Probenwochenenden auf. So können sich die Musiker ganz auf ihre musikalische Arbeit konzentrieren. „Wir müssen keine Würstchen verkaufen, um zu überleben“, sagt Wolf schmunzelnd.

Partnerorchester in Frankreich und England

Das Orchester ist dafür bei vielen Anlässen dabei, wenn es darum geht, die Stadt Backnang zu Hause oder anderswo zu repräsentieren. Sei es beim Neujahrsempfang, beim Straßenfest oder in den Partnerstädten – zu den Partnerorchestern gehören das „Ensemble Harmonique d’Annonay“ und das Orchester „Caprice“ in Chelmsford. Schon früh knüpften die Backnanger Musiker Freundschaften mit Gleichgesinnten in benachbarten europäischen Ländern. Ein Jahr bevor Bundeskanzler Adenauer und Staatspräsident de Gaulle den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichneten, war die Stadtkapelle beispielsweise im elsässischen Sélestat bei einem Festzug dabei. „Dass ein deutscher Verein einen französischen Festzug anführte, war wenige Jahre zuvor noch undenkbar gewesen, genauso wie der gemeinsame Auftritt der beiden Orchester“, heißt es in der Broschüre zum Jubiläum. Einen besonderen Auftritt hatte das Orchester im Juni 2006: Einen Tag, nachdem die Musiker von einer Konzertreise aus Frankreich zurückgekommen waren, spielten sie beim offiziellen Empfang des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der eine kurze Zeit seiner Kindheit in Backnang verbracht hatte.

Das Städtische Blasorchester steht auf unterschiedlichen Ebenen für Kontinuität. Bei den Austauschen genauso wie bei der musikalischen Qualität. Dass das hohe Niveau des Orchesters gehalten werden kann, dafür sind die Profimusiker an der Spitze des großen Orchesters (seit 2015 Christian Wolf) und des Jugendblasorchesters, das von Sebastian Rathmann geleitet wird, zuständig. Rathmann unterrichtet auch an der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang. Die umfangreiche Kooperation mit der Jugendmusikschule Backnang ist ein wesentlicher Faktor im Zusammenspiel hervorragender professioneller Lehrkräfte und hoch motivierter musikalischer Talente. In einem Nachwuchsorchester, einer Einrichtung von Jugendmusikschule und Städtischem Blasorchester, werden die jungen Musiker auf das Jugendorchester vorbereitet. Dort steht der Nachwuchs für das große Orchester dann schon in den Startlöchern.

Es gibt viele Höhepunkte in der Geschichte des Städtischen Blasorchesters. Zu diesen gehört die 1973 erschienene Schallplatte „Klingende Grüße aus Backnang“ mit vier Titeln: „Bill Bailey“ – Marsch nach einer alten amerikanischen Weise, arrangiert von Zane van Auken, „Die zwei Trompeter“ von Hans Peter Nielsen, „Hui Gerber!“ – Backnanger Gerbermarsch von Albert Tittel und das Original Dixieland Concerto von John Warrington. „Hui Gerber“ steht auch am Samstag, 6. April, beim großen Jubiläumskonzert ab 19.30 Uhr im Backnanger Bürgerhaus auf dem Programm, bei dem Stationen aus den vergangenen 100 Jahren nachgezeichnet werden. Auch zwei CDs hat das Städtische Blasorchester neben der Schallplatte aufgenommen. „Eine mit Fritz Neher und eine mit Günther Neher“, erzählt Helmut Schaber, der schon seit 19 Jahren Vorsitzender beim Städtischen Blasorchester ist und seit 1968 im großen Orchester Altsaxofon spielt. Es war das Jahr, als die Stadtkapelle, der Vorläufer des Städtischen Blasorchesters Backnang, beim Bundesmusikfest in Sindelfingen erstmals in der „Kunststufe“ antrat. Dort erspielte sich die Kapelle auf Anhieb einen ersten Rang. Bei vielen Wertungsspielen bewies das Orchester stets aufs Neue seine Klasse als Höchststufenorchester.

Es war schon vor Schabers Zeit, als mit der Stadtkapelle für die Sendung des Süddeutschen Rundfunks „So klingt’s im Land“ Aufnahmen gemacht wurden. Doch nicht nur im Rundfunk waren die Backnanger zu hören. Es gab unter anderem auch einen Auftritt bei der „Sonntagstour“ des SWR-Fernsehens, wie sich Schaber erinnert.

Etliche Anekdoten ranken sich um das Blasorchester. Eine davon verrät Christian Wolf: Er und seine Musiker schmunzeln zum Beispiel heute über Kommentare, die Fritz Neher auf Schwäbisch auf die Notenblätter mit seinen Kompositionen geschrieben hat. Zum Beispiel: „Blos ordentlich nei.“ Oder: „S’isch anstrengend, mach weiter.“ Helmut Schaber blieb der Satz im Gedächtnis: „Saumäßig schnell omdräha.“

Szene aus dem Jahr 2006: Dirigent Günther Neher und das Städtische Blasorchester begrüßen den Bundespräsidenten Horst Köhler in Backnang.Fotos: Blasorchester, E. Layher, A. Becher

Szene aus dem Jahr 2006: Dirigent Günther Neher und das Städtische Blasorchester begrüßen den Bundespräsidenten Horst Köhler in Backnang.Fotos: Blasorchester, E. Layher, A. Becher

Helmut Schaber ist der aktuelle Vorsitzende.

© Moritz Lenz

Helmut Schaber ist der aktuelle Vorsitzende.

Christian Wolf bei einem Platzkonzert im Biegel.

© Pressefotografie Alexander Beche

Christian Wolf bei einem Platzkonzert im Biegel.

Sebastian Rathmann leitet das Jugendorchester.

© Edgar Layher

Sebastian Rathmann leitet das Jugendorchester.

Info
Schlaglichter auf die Historie

Musikdirektor Ernst Steiner gründet 1919 eine Musikkapelle. Vom Backnanger Gemeinderat erhält er die offizielle Genehmigung, sein Ensemble „Stadtkapelle“ nennen zu dürfen. Für seine Arbeit als Dirigent bekommt er eine Zuwendung von der Stadt.

1939 wird Dirigent Steiner zum Kriegsdienst eingezogen. Sein Nachfolger wird Hans Tittel, bis dahin Dirigent der Werkskapelle der Firma Adolff. Steiner kehrt nach einiger Zeit nach Backnang zurück, stirbt jedoch am 18. September 1942. Am Abend zuvor hatte er die Kapelle noch bei einem Auftritt geleitet.

In der Kriegszeit gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger schwierig. Die Kapelle probt eine Zeit lang ohne Dirigenten.

1947 schreiben die Musiker einen Brief an die Militärregierung mit der Bitte um Wiederaufbau der Kapelle. Schon einen Tag später folgt die offizielle Genehmigung. Nun tritt der neue Kapellmeister Albert Tittel sein Amt an. Unter seiner Leitung sollte die Stadtkapelle zu einem der erfolgreichsten Orchester in der Umgebung werden. Auf Nachhaken der Musiker bekommt er später zu seinem 60. Geburtstag am 23. April 1957 den Titel Stadtkapellmeister von der Stadt Backnang zuerkannt.

Das Festkonzert zum 30-Jahr-Jubiläum der Stadtkapelle findet im März 1950 im Bahnhofhotel statt. Der damalige OB Walter Baumgärtner bezeichnet die Kapelle als kulturellen Träger der Stadt. Zum ersten Mal tritt die Jugendklasse öffentlich auf.

Nachdem Albert Tittel die Leitung der Kapelle aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hatte, wird der Dirigentenstab am 1. Juni 1961 an Musikdirektor Horst Tietzel aus Murrhardt weitergegeben. 1965 tritt Fritz Neher in dessen Fußstapfen. Mit Neher hat die Kapelle einen Dirigenten gefunden, der diese in den kommenden Jahrzehnten zu einem der führenden Höchststufenorchester des Rems-Murr-Kreises macht. Neher setzt auf anspruchsvolle Musik und will dies auch durch eine Namensänderung deutlich machen. 1969 wird die Kapelle per Gemeinderatsbeschluss zum Städtischen Blasorchester Backnang ernannt. Vorstand ist damals Wilhelm Wetzel. Das Orchester konzentriert sich fortan auf sinfonische Blasmusik. 1973 nimmt es eine Schallplatte auf. 1988 wird zum ersten Jahreskonzert ins neu eröffnete Backnanger Bürgerhaus eingeladen.

1997 hört Fritz Neher nach 32 Jahren als Dirigent auf. Das Dirigentenamt bekleidet nun sein Sohn Günther Neher. 2015 folgt Dirigent Christian Wolf. (Quelle: Broschüre 100 Jahre Städtisches Blasorchester Backnang)

Beim Jubiläumskonzert am Samstag um 19.30 Uhr im Bürgerhaus gibt es nur noch Restkarten an der Abendkasse.

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Erstellt:
4. April 2019, 06:00 Uhr

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