„Burlesque Chronicles“ im Friedrichsbau-Varieté

Nackte Haut zum Jubiläum

Seit 1900 wird in Stuttgart Freizügiges auf der großen Bühne gezeigt. Daran erinnert das Friedrichsbau-Varieté mit der neuen Show „Burlesque Chronicles“.

Hier wird das Leben gefeiert: „Burlesque Chronicles“ im Friedrichsbau-Varieté.

© Lichtgut/Max Kovalenko

Hier wird das Leben gefeiert: „Burlesque Chronicles“ im Friedrichsbau-Varieté.

Von Matthias Ring

In den „Burlesque Chronicles“ wird das Rad der Zeit weit zurückgedreht: „Wirtschaftskrise und Kriegsgewitter am Horizont – das sind die 20er Jahre, also die, die schon gewesen sind“, sagt der Conférencier Merlin Johnson. Die Zeitreise reicht sogar weiter noch als die 125 Jahre, in denen mit Unterbrechungen in Stuttgart Varieté zu erleben war. Im neuen, dem dritten Friedrichsbau, wird die Geschichte der Burlesque erzählt, die im 19. Jahrhundert aus komödiantischem Theater und Travestie entstand und einen ersten Höhepunkt in den Goldenen Zwanzigern hatte. Im Wirtschaftswundermief nahm die am Rande der Gesellschaft spielende Szene mit Rockabilly-Boys und Pin-up-Girls neue Fahrt auf, ehe sich seit den 1990er Jahren die New Burlesque breiter etablieren konnte.

Dies wird in der Show mit vielen bunten Bildern in vier Kapitel unterteilt. Anfangs lösen sich Soloperformances aus Tableaus mit dem ganzen Ensemble heraus wie etwa die von Miss Maeve aus der Stuttgarter Burlesque-Szene, die sich in einer Taverne auf dem Tisch frei tanzt. Im Laufe des Abends aber gibt es immer mehr individuellen Freiraum für die einzelnen Persönlichkeiten. Allein vier Burlesque-Tänzerinnen bewegen sich durch die Show: Louise L‘Amour aus Lissabon mit auch mal forscheren Gesten; Anja Pavlova aus Berlin, die in einem der klassischsten Bilder ein Bad in einer riesigen Champagnerschale nimmt. Und Coco Belle aus London, die mit roten Tüchern umringt von Mönchskutten ins Mystische abtaucht. Selbst Merlin Johnson zeigt zwischen seinen Überleitungen nackte Haut in einem „Reverse Striptease“, beginnend in Unterhose und Kniestrümpfen, bis er als vollendeter Gentleman in Frack und Zylinder dasteht.

Völlig nackt sind in der Show nur die Hand-auf-Hand-Artisten vom Duo Forza, die in sehr komischen Verrenkungen versuchen, das Allernötigste mit einem Handtuch und einem Eimer zu schützen. Überhaupt die Artistik: Die Twirlin Girls nehmen auf Rollschuhen und einem Podest mächtig Fahrt auf. Georgina Szotkó wuchtet mit Kettle Bells genannten Kugelgewichten und ist auch am Seil stark. Am beeindruckendsten ist die Kraft und Poesie von Sebastian Stamm und Flurina Bartelmus, die am chinesischen Mast mal synchron, mal konträr atemberaubende Figuren machen – und sich mit dunklen Overalls am meisten bedeckt halten in diesem würdigen Auftakt im Jubiläumsjahr.

Ortstermin Mit unserer Zeitung näher dran an „Burlesque Chronicles“: Das bietet der „Ortstermin“ am 3. April um 18 Uhr. Anmeldungen unter: www.zeitung-erleben.de/ortstermin .

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Erstellt:
16. März 2025, 11:40 Uhr
Aktualisiert:
16. März 2025, 13:58 Uhr

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