Buchtipp Architektur
Neues Leben für altes Haus
Ein Filmemacher kauft und saniert alte Bauernhäuser und verwirklicht so den Traum vom rustikalen Leben auf dem Land. Ein Bildband gibt Einblicke in die geretteten Häuser im Allgäu, Oberbayern und in Tirol.

© Dominik Somweber/Verlag
Blick in das sanierte Wagnerhaus, ein kleines Bauernhaus in Tirol, wenige Kilometer von Füssen entfernt. Weitere Bilder aus dem Buch „Neues Leben für alte Häuser“ in der Bildergalerie.
Von Nicole Golombek
Ein beschauliches Leben auf dem Land, am liebsten in einem ansprechend restaurierten alten Haus, das aber doch alle Annehmlichkeiten bietet, das ist der Traum vieler Menschen: viel Platz, alte Bauernmöbel und neue Duschen, vielleicht sogar eine Sauna, knarzende Dielen, eine rustikale Sitzbank mit Bollerofen und draußen viel Platz zum Spielen, zum Faulenzen. Wie großartig so ein gelebter Traum ausschauen kann, aber auch, wie viel Arbeit es macht, ein altes Haus zu retten, davon handelt der Bildband „Neues Leben für alte Häuser“.
Es ist kein Buch mit Hochglanzwohnparadiesen. Aber eines, das staunen macht – darüber, wie Enthusiasten Häuser retten, über die viele Menschen wohl gesagt hätten: Was soll man mit dieser Bruchbude noch machen außer sie abzureißen? So lautet ja das schnelle Urteil für viele in die Jahre gekommene, einst prächtige Bauernhäuser und Wohngebäude. Also wird niedergerissen, jede Menge Bauschutt entsteht, Neues wird gebaut, das oft stilistisch nicht zum Charakter der Umgebung passt, wie ein Fremdkörper wirkt.
Zweites Leben für alte Gemäuer
Der Filmemacher Klaus Röder sieht Potenzial in alten Gemäuern, wo andere nur abwinken. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Tatjana Suiter hat er sich unter die Häuserretter begeben und mehrere uralte Bauernhäuser in Bayern und Österreich gekauft, saniert, weiter vermietet oder selbst bewohnt. Schon leicht in sich zusammengesackt war ein Hof in Röders Heimatort Schwangau bei Füssen im Allgäu.
Es handelt sich um einen Ständerbohlenbau, „was bedeutet, dass Holzbalken, die auf zwölf großen Felssteinen stehen, die ganze Hauskonstruktion stützen“, wie Heike Papenfuss im Buch erklärt. Und diese Konstruktion war abgesunken, Teile der Holzbalken sogar verfault.
Mit seinem Freund und Zimmerer Marcus Schneidberger und andern Helfern hat Röder das schiefe Haus in monatelanger Arbeit saniert und wieder aufgerichtet. Stolz und schön steht es nun in der Dorfmitte, die Bewohner sind ebenso erfreut wie sicher auch die Touristen, die sehen können, dass nicht nur Königsschlösser eine Reise wert sind, sondern auch Bauernhöfe von 1680.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, selbst ein altes Gebäude zu retten, sollte – das erfährt man ebenfalls bei der Lektüre – flexibel sein und gern tüfteln. Man sollte unbedingt handwerkliches Geschick besitzen – oder wenigstens Menschen kennen, die über solche Gaben verfügen und sich von ihnen helfen lassen.
Diese und weitere Tipps für angehende Häuserretter finden sich in dem Buch wie auch ein Interview mit der Architektin Annemarie Bosch. Sie ist zugleich Mitglied im Bund deutscher Architektinnen und Architekten in Bayern (BDA), der gemeinsam mit dem Landesverein für Heimatpflege ein Thesenpapier zum Thema Umbau-Kultur verfasst hat. Sie plädiert dafür, alte Häuser zu erhalten – auch aus kulturellen Gründen: „Alter Bestand erzählt immer Geschichte, historischer Bestand ist Identität.“ Um Bauherren den Umbau zu erleichtern, sei mehr finanzielle Förderung durch die Politik nötig.
Sanierung vereinfachen
Auch bei den Baurechtsvorschriften müsse nachgebessert werden. Annemarie Bosch: „Umnutzung und Umbau führen baurechtlich dazu, dass die aktuell geltenden, bauaufsichtlich eingeführten Normen einzuhalten sind. Auch aus diesem Grund fordern wir eine Umbauordnung, mit der der Erhalt und die Weiterentwicklung des Bestands einfacher möglich sein sollen.“
Denn, auch das zeigen die Beispiel aus dem Buch: Alte, vernachlässigte Gemäuer erfordern oft kreative Maßnahmen bei der Sanierung, die mit DIN-Normen schwer vereinbar sind. Vor Hunderten Jahren existierten noch keine dieser offiziellen Normen, etwa was die Statik betrifft. Die Bauernhäuser haben aber dennoch Erdbeben, Stürmen und Schneelasten getrotzt und stehen bis heute. Und zwar – dank solcher Sanierungskünstler wie im Buch beschrieben – schöner denn je.
Neues Leben für alte Häuser: herausgegeben von Tatjana Suiter mit Texten von Heike Papenfuss, Fotos von Dominik Somweber, Klaus Röder, Felix Kainz und Herbert Lehner. Hirmer Verlag, 160 Seiten, 24,90 Euro.

© Dominik Somweber/Verlag
Die alten Holzböden in der Diele in dem über 200 Jahre alten Wagnerhaus in Musau, Tirol, wurden freigelegt, geschliffen und geölt.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Rustikal und zeitgemäß: Die Küche im Wagnerhaus erhielt ein neues Waschbecken und einen modernen Holzofen, der sorgt auch für Wärme und taugt hervorragend als Kochstelle.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Ein Kachelofen sorgt im Wohnraum des Wagnerhauses für Behaglichkeit. Zugemauerte Türen wurden im Zuge der Sanierung wieder geöffnet. In dem Raum liegt auf dem Fußboden Lechkies, „ein etwas unkonventioneller Bodenbelag, den Klaus Röder aber sehr mag und der für gutes Raumklima sorgt“, schreibt Heike Papenfuss im Buch.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Haus Gassethoma, ein Achtel-Hof in Schwangau, aus dem Jahr 1690, nahe Füssen in Bayern. Das erste Haus, das Klaus Röder gekauft und saniert hat. Das war im Jahr 1998, ein altes Laubenhaus mitten im Ort.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Boden, Decke und Fenster der alten Wohnstube in dem Haus in Schwangau wurden renoviert. Der hölzerne Einbauschrank konnte erhalten werden.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Blick in die Küche im Haus in Schwangau. Die rußgeschwärzten Deckenbalken erinnern an frühere Zeiten. „Sie war früher einmal eine Rauchkuchl, also eine Küche, in der auf offenem Feuer gekocht wurde“, ist in dem informativen Text zum Buch zu erfahren.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Blick ins Mesner-Haus von 1600 in Urspring in Oberbayern. Tatjana Suiter kaufte es 2017, Klaus Röder und seine Helfer sanierten es. Die Tenne ist heute Teil des beheizbaren Wohnraumes. Das Gebäude wird von zwei jungen Paaren als Wohngemeinschaft bewohnt.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Aus zwei Zimmern in dem Mesner-Haus entstand ein großzügiger Küchen- und Essraum.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Holzdecken und Holzwand mussten mühevoll freigelegt werden. Die Arbeit hat sich gelohnt wie der Blick ins Schlafzimmer im Mesner-Haus zeigt. Die Kachelofenwärme zieht bis unter die gemauerte Sitzbank nebenan. Die Sanierung dauerte knapp zwei Jahre bis 2019.

© Dominik Somweber/Hirmer Verlag
Alle hier gezeigten Fotos entstammen dem lesens- und sehenswerten Bildband „Neues Leben für alte Häuser“, herausgegeben von Tatjana Suiter mit Texten von Heike Papenfuss, Fotos von Dominik Somweber, Klaus Röder, Felix Kainz und Herbert Lehner. Hirmer Verlag, 160 Seiten, 24,90 Euro.