Neujahrskonzert im Backnanger Bürgerhaus
Die Strauss Capelle Wien unter Leitung von Rainer Roos und die Mezzosopranistin Josipa Bainac brillieren im ausverkauften Backnanger Bürgerhaus unter anderem mit Werken von Eduard Strauss. Beschwingt und mit viel Humor bescheren die Künstler den Besuchern eine famose Matinee.
Von Thomas Roth
Backnang. Eduard, den jüngsten der drei Strauss-Söhne, hat Maestro Rainer Roos in den Mittelpunkt des Neujahrskonzerts im Backnanger Bürgerhaus gestellt. Dessen Stücke sind eher nicht so bekannt. Höchste Zeit, sich dem Werk dieses Komponisten zu widmen, dachte sich der langjährige Dirigent der Wiener Strauss Capelle und präsentierte unter dem Motto „Der fesche Edi“ Kompositionen wie „Fesche Geister“ oder „Ehret die Frauen“. Seit der Neugründung des Ensembles 1977 sind diese Stücke gestern in Backnang zum ersten Mal überhaupt wieder aufgeführt worden. Die neu erarbeiteten Stücke sollen, so Dirigent Roos, ihrer schönen Melodik und Lebendigkeit wegen zukünftig im Repertoire bleiben.
Mit der Polka „Bahn frei“ von Eduard Strauss setzt Roos mit Dirigentenstab und Trillerpfeife gleich zu Beginn einen ordentlichen Hallo-wach-Effekt. An diesem Vormittag stehen aber auch Stücke von Eduards Brüdern Johann und Josef und die anderer Kollegen auf dem Programm sowie die Ouvertüre zu Johann Strauss’ „Zigeunerbaron“. Diese ist teilweise von einer gewissen Melancholie. Wunderschön gespielt vor allem die Oboenkantilene, untermalt vom weichen Celloklang. Auch die Klarinette und die Flöte kommen hier wunderbar zur Geltung.
Das Haus ist restlos ausverkauft
Vom ersten Ton an berührt die Mezzosopranistin Josipa Bainac die Herzen der 745 Besucher. Das Haus ist wie immer, wenn Rainer Roos mit seiner Capelle dort gastiert, restlos ausverkauft. Bainacs Stimme hat viel Wärme und lyrische Kraft, ganz besonders auch im hohen Register. Mühelos füllt sie mit ihrem Klang den großen Saal, dynamisch feinfühlig von der Wiener Strauss Capelle getragen. Mit „Als ich dich sah“ von Eduard Strauss und Richard Sieczynskis „Wien, Wien, nur du allein“ bringt sie eine ganz eigene Atmosphäre in das Konzert. Es zeigt sich, dass solch schöner Gesang die Menschen mühelos tief berührt.
Mit dem Walzer „Fesche Geister“, der Schnellpolka „Außer Rand und Band“ und der Mazurka „Liebeszauber“ serviert Roos mit seinem Ensemble drei Eduard-Strauss-Stücke, ehe es mit Josef Strauss’ „Aquarellen“ und der schnellen Polka „Éljen a Magyar“ (Hoch lebe Ungarn) in die Pause geht. Wie schon im ersten Teil gibt Rainer Roos neben dem ernsthaften Dirigat auch wie gewohnt den Entertainer. Die Besucher bekommen auf höchst unterhaltsame Art Hintergrundwissen zu den Komponisten und deren Arbeit vermittelt – sie erfahren zum Beispiel, dass Josef Strauss die Straßenkehrmaschine erfunden hat.
Da ist aber auch viel Humor mit im Spiel, der teilweise schon als Stand-up-Comedy durchgeht, wie etwa Roos’ ulkige Einlage zum Thema Strafzettel, die der angesprochene Oberbürgermeister Maximilian Friedrich elegant kontert, was für mächtig Heiterkeit sorgt. Man hat sich auch nicht verhört, wenn die Wiener Strauss Capelle bei Eduard Strauss’ „Luftig und duftig“ plötzlich lauthals „Lustig und durstig“ anstimmt. Bei aller Akkuratesse in der makellosen musikalischen Darbietung bleibt auch hier Raum für eine gewisse Art gepflegten Klamauks.
Kein Halstuch für den Oberbürgermeister
Vom Vater der deutschen Operette Paul Lincke stammt „Frau Luna“ und daraus das Lied „Schlösser, die im Monde liegen“ und Josipa Bainac singt „Wo man dich liebt, wirst du glücklich sein“. Das klingt so herrlich nostalgisch, ebenso wie Lehárs „Meine Lippen, sie küssen so heiß“. Da verlässt die Sängerin die Bühne, spielt verführerisch mit ihrem schwarzen Halstuch, küsst es und drückt es schließlich Oberbürgermeister Friedrich in die Hand. Kurz danach nimmt sie es ihm mit einer flinken Bewegung wieder ab: Pointe sitzt, Lacher garantiert.
Das Konzert neigt sich dem Ende zu und Johann Strauss’ „Bauernpolka“ (Roos: „Sommerhit aus dem Jahre 1856“) mit Gesangseinlage der Bläserfraktion und des Kontrabassisten leitet über zum obligaten Höhepunkt der Veranstaltung: „An der schönen blauen Donau“ („Österreichs heimliche Nationalhymne“) und der Radetzkymarsch beschließen das offizielle Programm.
Josipa Bainac schenkt dem Publikum zum Schluss ein Lied aus ihrer kroatischen Heimat („Wer singt, meint kein Böses“, so Bainac) und Roos entlässt sein Publikum endgültig mit dem „Seufzergalopp“ von Johann Strauss. Das Neujahrskonzert 2023 im Backnanger Bürgerhaus ist vorüber. Das neue Jahr hat für viele erst jetzt offiziell begonnen.