O sole mio mit Afrikaflair und Wolldecken beim classic-oper(n)-air in Backnang
Trotz des kühlen Wetters am Samstag ist das 26. classic-oper(n)-air ausverkauft. Auf der Bühne sind neben dem Dirigenten Rainer Roos und dem großen Orchester die Solisten Xenia von Randow und Manolito Mario Franz. Die Band Mo Zulu Art aus Wien bringt das Publikum zum Tanzen.
Von Marina Heidrich
Backnang. Dieses Jahr hat Backnang vor dem classic-ope(r)n-air gezittert. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Nach Hochwasser und tagelangen Regenschauern hofften die Verantwortlichen für die 26. Ausgabe des Traditionskonzerts inständig, dass sich die Wetterlage im Lauf des Samstags beruhigen und es wenigstens gegen Abend trocken sein würde. Natürlich gibt es immer einen Plan B, was das Konzert betrifft: die Ausweichmöglichkeit ins Bürgerhaus. Doch wenn man sich allein den ganzen logistischen Aufwand für die Mitarbeiter der Stadt vor Augen führt – ganz zu schweigen vom speziellen Flair der Veranstaltung unter freiem Himmel –, da war heftiges Daumendrücken angesagt. Und es hat geholfen, zumindest was den Regen betraf. Der blieb aus. Doch so richtiges Sommerflair wollte am Samstag nicht aufkommen. Wedelte man 2022 noch bei 35 Grad in leichter Kleidung eifrig mit Fächern, so herrschte 2024 beim Publikum das totale Kontrastprogramm: Pullover, Jacken, Halstücher und vor allem mitgebrachte Decken waren zu sehen. Aber der echte Backnanger classic-ope(r)n-air-Fan ist flexibel und wild entschlossen, den Abend zu genießen – komme, was wolle. Und daher war die Veranstaltung wieder einmal ausverkauft.
Der Abend steht unter dem Motto „Heimat, Lebensfreude, Weltmusik!“
Rainer Roos, Schöpfer und musikalischer Leiter des classic-ope(r)n-airs seit Beginn, schaffte es auch dieses Mal, die Besucherinnen und Besucher zu überraschen. Woher nimmt dieser Mann nur immer seine Ideen – und das jedes Jahr aufs Neue? Seit nunmehr 26 Jahren sein Erfolgsrezept: ein einzigartiger Mix aus Klassik und anderen Musikgenres, aus großem Orchester und kleinen Ensembles, vertrauten Stimmen und neuen Gesichtern. Rainer Roos’ eigene Persönlichkeit – seine unverkrampften, witzig-lockeren Ansagen und der Spaß, den er auf der Bühne ausstrahlt, gepaart mit Ernst und Respekt für die Musik an sich – ist ein weiterer wichtiger Mosaikstein in diesem gelungenen Gesamtkonzept.
Lebensfreude beim 26. classic-ope(r)n-air
Das 26. classic-ope(r)n-air steht unter dem Titel „Heimat, Lebensfreude, Weltmusik!“. Die Wiener Band Mo Zulu Art vereint Klassik mit afrikanischer Zulu-Musik - und bringt das Backnanger Publikum damit zum Tanzen. Sopranistin Xenia von Randow und Tenor Manolito Mario Franz sorgen unter der Leitung von Rainer Roos für die großen Emotionen.
Das Motto für dieses Jahr lautete: „Heimat, Lebensfreude, Weltmusik!“ Als roter Faden zog sich die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart durch das Programm. Mit Mozart ging es auch los. Schicksalsschwanger ertönten die ersten Moll-Akkorde aus der Ouvertüre zu Don Giovanni, Mozarts dramatischer Oper um einen Verführer, der schließlich seine gerechte Strafe erhält.
Bereits vor drei Jahren stand Tenor Manolito Mario Franz auf der Bühne am Marktplatz und konnte sowohl damals als auch beim Neujahrskonzert 2022 im Bürgerhaus viele neue Fans gewinnen. Sein weicher, lyrischer Tenor, der trotzdem Brillanz besitzt, ist wie geschaffen für die Arie des Don Ottavio „Dalla sua pace“ aus Don Giovanni. Als Antwort folgte die Arie der Donna Anna „Crudele!“, gesungen von Xenia von Randow. Die Sopranistin begann als Fünfjährige mit dem Geigenspiel und entschied sich erst mit 16 zu einer Gesangsausbildung. Seitdem hat sie hart und kontinuierlich an ihrer internationalen Karriere gearbeitet und bereits im vergangenen Jahr das Backnanger Publikum bezaubert. Ihre Koloraturen (Anm. d. Red.: eine Verzierung der Gesangsstimme durch Läufe, Triller, größere Sprünge) waren ausdrucksvoll und präzise, die Aussprache des italienischen Liedtexts perfekt und akzentfrei.
Rainer Roos erzählte dem Publikum, dass Mozart laut eigener Aussage seine Oper nicht für die Wiener geschrieben hatte. Daraufhin betrat Roland Guggenbichler, Österreicher und Pianist der Gruppe Mo Zulu Art, die Bühne und ließ sich auf einen kleinen, augenzwinkernden verbalen Schlagabtausch ein, in dem er Rainer Roos erklärte, dass Mozart speziell für Wien eine Oper geschrieben hat: die Zauberflöte.
Plötzlich wird Mozart tanzbar – überschäumend vor Lebensfreude
Daraus erklang nun die Arie des Sarastro „In diesen heiligen Hallen“ – aber in einer ganz besonderen Version. Mo Zulu Art (die Sänger Dumisani Ramadu Moyo, Vusa Mkhaya Ndlovu, Blessings Zibusiso Nqo Nkomo und Pianist Roland Guggenbichler) intonierten das Stück zunächst getragen mit afrikanischem Text, dann setzte das Orchester ein. Ramadu trommelte auf der Djembe. Und plötzlich wurde Mozart tanzbar – überschäumend vor Lebensfreude. Das „Wolferl“ hätte seine Freude gehabt.
Nach einem Abstecher in die zum Niederknien schönen Melodienwelten von Puccini brach der zweite Teil des Abends an. Mo Zulu Art mixten „Fanfare for the Common Man“ mit einer musikalischen Ehrung an alle Mütter „Omama“, unterlegten Mozarts Rondo D-Dur und ein Menuett von Joseph Haydn mit dreistimmigem Satzgesang und brachten das Publikum sogar zum Tanzen. Rainer Roos strahlte: „So habe ich meine Backnanger noch nie gesehen.“
Zwischendurch zeigten Manolito Mario Franz und Xenia von Randow, dass sie auch mit Musicalmelodien überzeugen können. Ein besonderer Moment entstand, als der Tenor das Lied aus dem Film „Il Postino – der Postmann“ sang: „Mi mancherai“ (Du wirst mir fehlen). Manolito konnte die letzten Zeilen von Gefühlen überwältigt kaum zu Ende singen und hatte Tränen in den Augen. Rainer Roos umarmte ihn stumm, erzählte später, dass die Mutter des Tenors erst vor Kurzem verstorben ist.
Zum Schluss sorgten alle gemeinsam für gute Laune und auch das Publikum wurde stimmlich eingespannt bei „The Lion Sleeps Tonight“ – die perfekte Zugabe. Minutenlang stehende Ovationen waren die Belohnung. Doch was wäre das classic-ope(r)n-air ohne seine traditionelle Schlusshymne? Bei mittlerweile recht kühlen Temperaturen sang das Publikum eingehüllt in warme Decken mit bei „O sole mio“ – und auch hier fügten Mo Zulu Art dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen Extravaganz hinzu.