Restitution von Raubkunst
Olschowski verteidigt Rückgabe der Benin-Bronzen
Ist die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria übereilt erfolgt, wie eine Göttinger Ethnologin mein? Mit dieser Frage sieht sich auch das baden-württembergische Kunstministerium und das Linden-Museum in Stuttgart konfrontiert.
Von Jan Sellner
Die baden-württembergische Wissenschafts- und Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) hat Kritik an der Rückgabe der Benin-Bronzen zurückgewiesen. Unserer Zeitung sagte sie: „Die Rückgabe der unter brutalen Umständen geraubten Bronzen erfolgte aufgrund einer ethischen Verpflichtung und kann daher nicht an Bedingungen geknüpft werden.“ Letztlich entscheide allein Nigeria darüber, wem das Eigentum an den Bronzen übertragen werde und in welcher Form sie präsentiert und aufbewahrt würden.
Aus dem Stuttgarter Linden-Museum gingen zunächst 20 Exponate nach Nigeria
Hintergrund der Äußerungen Olschowski ist die aufgekommene Kritik an der Rückgabe der sogenannten Beninbronzen aus fünf deutschen Museen – darunter 20 Exponate aus dem Stuttgarter Linden-Museum, einschließlich einer seltenen Zeremonial-Maske aus dem 16. Jahrhundert, die als Schlüsselobjekt gilt. Die Rückgabe erfolgte im Dezember. Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatten die Kunstschätze in Begleitung unter anderem von Wissenschaftsministerin Olschowski und Museumsdirektorin Inés de Castro persönlich in Nigeria übergeben. Baden-Württemberg nimmt bei der Restitution von geraubten Kunstschätzen eine Vorreiterrolle ein.
Für die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin stellt sich die deutsche Rückgabepolitik als „Fiasko“ dar. In einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ begründete sie dies damit, dass Nigerias scheidender Staatspräsident Muhammadu Buhari die von Deutschland zurückerhaltenen Eigentumsrechte inzwischen an den Nachfolger der Könige von Benin-City als dem ursprünglichen Eigentümer übertragen hat. Damit scheinen die von Deutschland unterstützten Pläne, die Bronzen in einem neuen, noch zu errichtenden Nationalmuseum auszustellen, obsolet. Der amtierende Oba (König) von Benin, Ewuare II., hatte bereits vor der Rückgabe Eigentumsansprüche an den Artefakten angemeldet und angekündigt, die Objekte in einem noch zu bauenden königlichen Museum zeigen zu wollen.
Olschowski: „Mögliche offene Fragen werden wir gemeinsam klären“
Die Union nahm diese Entwicklung zum Anlass, vor einer „Rückgabe um jeden Preis“ zu warnen. Vor einer Rückgabe müsse sichergestellt werden, dass die Kulturgüter in Museen oder Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht würden, forderte die kulturpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Christiane Schenderlein. Dem trat das Auswärtige Amt entgegen. Es betonte, die Rückgabe der Bronzen an Nigeria erfolge, mit dem Ziel „historisches Unrecht wiedergutzumachen“. Sie sei nicht an Bedingungen geknüpft. Wissenschaftsministerin Olschowski erklärte in ihrer Stellungnahme: „Mögliche offene Fragen werden wir gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und den nigerianischen Partnern klären.“
Insgesamt sollen schrittweise rund 1100 geraubte Kulturgüter aus deutschem Besitz zurückgegeben werden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus dem von britischen Truppen 1897 geplünderten Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört. Insgesamt waren damals mehr als 3000 Artefakte geraubt worden; die meisten lagern heute im British Museum. Die 1100 Objekte in Deutschland verteilten sich auf 20 Museen. 70 davon waren im Stuttgarter Linden-Museum untergebracht. Im Zuge der Rückgabe wurde vereinbart, dass 24 dieser Objekte als Dauerleihgabe in Stuttgart bleiben.