Rap und Jazz beim Markgrafen-Open-Air in Backnang
Schwäbischen Rap und Berliner Jazz brachten die Gastgruppen zu den Konzerten beim Markgrafen-Open-Air. Während die Jungs von der Schwäbischen Alb im Dialekt rhythmisch von Kehrwoche sangen, drehten sich die Themen des Berliner Trios um große Themen der Menschheit.
Von Klaus J. Loderer
Backnang. Der Bereich zwischen dem Stadtturm, dem Helferhaus und dem Bandhaus, der seit einiger Zeit Markgrafenhof heißt, ist zumeist eine eher unbeachtete Fläche. Nun bot sie den stimmungsvollen Rahmen für das Markgrafen-Open-Air. Der Heimat- und Kunstverein Backnang und der Verein Kulturgut schufen zusammen dieses neue Konzertformat. Letzterer kam damit vom Hagenbach in die Innenstadt.
Die von Ulrich Olpp, dem Vorsitzenden des Heimat- und Kunstvereins, erhofften „Youngster, die vor der Bühne tanzen“ waren zwar nicht da, aber er freute sich trotzdem über die besondere Eröffnungsveranstaltung mit den vier jungen Männern vom „Gässlesrap Kollektiv“ am Freitagabend. „Quartett sagt man in dieser Branche nicht“, korrigierte er gleich seine bildungsbürgerliche Ausdrucksweise. Es zeigte sich schnell, dass das Wort „Quartett“ doch zum Wortschatz dieser Rapper gehört. Das wäre vielleicht gar nicht aufgefallen, wäre nicht einer der Sänger selbst darüber erstaunt gewesen, dass es im Text vorkommt.
Die Schwäbische Alb als Inspiration für die Rapper
Ihr Heimatort Hohenstein auf der Schwäbischen Alb liefert die Inspiration für die vier Jungs. Man hörte von den Besonderheiten der Kehrwoche, lernt von wichtigen Getränken wie Obstbrand. Und auch ein „Bollerwagentrauma“ kann es geben. Selbst „Stammtischgschwätz“ ist einer der Songtitel. Rap auf Schwäbisch, das ist ihre Besonderheit. „Vo dr Alb ra“, wie sie selbstironisch betonen. Als der Text etwas kirchenkritisch wurde und sofort darauf die Turmglocke donnerte, zogen die Jungs improvisierend demonstrativ die Köpfe ein. „So direkt unter dem Kirchturm muss man vorsichtig sein.“ Hannes, Yannik und Felix sind für die sprachlichen Parts zuständig. Max, genannt Maxcarpone, sorgt für den Rhythmus und den klanglichen Background. Ganz klassisch arbeitet er mit dem Plattenspieler und entlockt ihm mit manuellen Interventionen überraschende Klänge.
„Es ist wunderbar, dass wir in Norddeutschland auftreten dürfen. Versteht Ihr uns überhaupt?“ So witzelten die Jungs von „Gässlesrap Kollektiv“. „So weit im Norden sind wir noch nie aufgetreten,“ dabei hatten sie in letzter Zeit eine ganze Reihe an Auftritten – aber eben noch nie nördlich von Stuttgart. Beim Auftritt in Backnang war auch der Fanclub da. Denn Hannes stammt aus Oppenweiler. So schaute sich natürlich die gesamte Familie den Auftritt an. Hannes selbst fand es „obercool hier zu spielen.“
Die Turmglocken wirkten auch am Samstag aktiv mit. Den Stundenschlag um 22 Uhr wollte die Band Tolyqyn eigentlich umschiffen, doch mit zwei Zugaben ging es dann doch darüber hinaus. Frontman Roland Satterwhite machte daraus eine Tugend und zählte demonstrativ die Schläge mit. Mit seiner Bratsche spielt er ein im Jazz ungewöhnliches Instrument. Doch genau die Kombination aus akustischer Bratsche und E-Gitarre ist die reizvolle Variante des Trios aus Berlin. Allerdings streicht der aus Kanada stammende Musiker die Bratsche nicht mit dem Bogen, sondern er zupft sie. Mit dem aus Israel stammenden Gitarristen Tal Arditi hat er einen kongenialen Gegenpart, der für die harten Klänge sorgt und von jazzig bis rockig ein breites Spektrum an Spielstilen darbietet. Beim Auftritt in Backnang ergänzte der Schlagzeuger Pierluigi Ciaccio das Trio.
In den von ihm geschriebenen Liedtexten geht Satterwhite häufig auf Probleme der Menschen ein. „Puppetman“ beschreibt eine harte Zukunft ohne Freiheit. Mit „Ditch“, „Human Beings are Amazing“, „Celebration Day“, „Prison Cell“ und „Touch me Right“ spielte Tolyqyn einige Titel aus ihrer ersten CD. Doch stellten sie auch einige noch unveröffentlichte Titel vor. Oft lässt sich Satterwhite auch von der eigenen Biografie inspirieren. Das Lied „Bella Coola“ bezieht sich auf eine Flutkatastrophe in seinem Heimatort in British Columbia. Die erste Zugabe bot dann zwei große Soloauftritte von Schlagzeuger Pierluigi Ciaccio und Gitarrist Tal Arditi. Der stellte dann auch noch einen eigenen Song vor, bei dem sich das Publikum am Scat-Wechselgesang beteiligen konnte.
Neu gegründete Jazz-Combo aus Backnang tritt am Sonntag auf
Den Abschluss am Sonntagmorgen machte dann die erst im April gegründete Jazz-Combo der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang. Eine Instrumentalfassung des Mackie-Messer-Songs vom Haifisch machte den Auftakt. Das Publikum erklatschte sich schließlich den C Jam Blues von Duke Ellington. Zwischendurch gab Daniel Roncari noch lehrreiche Hinweise, etwa dass man die Noten im Freien festklemmen sollte. Das war dem Wind geschuldet, der kräftig in den Markgrafenhof wehte. Dann wurde es milder und angenehm zwischen den historischen Gebäuden. Den Zwölf-Uhr-Stundenschlag zählte er als Countdown herunter, bis die Combo wieder einsetzte. Der zweite Teil des Konzerts war erst am Samstag improvisiert worden, da die vorgesehene Band „Time Machine“ abgesagt hatte. Die jungen Sängerinnen der Popgesangsklasse erfreuten mit ihren Songs.
Am Sonntagmittag freute sich eine strahlende Barbara Böhle-Burr vom Kulturgut Hagenbach an der Musik der jungen Leute. Sie hatte nur einen Kommentar: „Es war wunderbar!“ Dabei war mit dem Regenschauer am Freitagnachmittag gar nicht sicher gewesen, ob das Konzert am Abend würde stattfinden können. Vielfach sei sie gefragt worden, ob aus dem Markgrafen-Open-Air eine Reihe werden könnte. Das wollte sie aber noch nicht versprechen. „Es war alles so, wie wir uns das vorgestellt hatten“, meinte ihr Sohn Bastian Burr überschwänglich. Er schwärmte von der Besonderheit des Orts: „Der Markgrafenhof ist eine tolle Location.“ Am Sonntagmittag war er erleichtert, aber man merkte ihm die Anstrengung an, schließlich kümmerte er sich um die Technik: „Drei Tage Kultur ist in ehrenamtlicher Arbeit schon anstrengend. Aber wir sind glücklich, dass es so toll geworden ist.“
Eines wurde nun sicherlich behoben, was auch Oberbürgermeister Maximilian Friedrich in seinem Grußwort am Samstagabend anmerkte: „Der Markgrafenhof ist zwar im Zentrum, aber im Bewusstsein der Stadt noch nicht ganz angekommen.“ Dass der Platz mehr ins Bewusstsein rückt, erhoffte sich auch Kulturamtsleiter Johannes Ellrott vom Markgrafen-Open-Air.