Samba tanzen auf der Linolschnittplatte

Fördermittel zur Wiederaufnahme der Museumspädagogik ermöglichen die Umsetzung des Projekts Druckwerkstatt. Bei einem samstäglichen Workshop der Galerie der Stadt Backnang konnten Jugendliche zum Beispiel lernen, wie man einen Linoldruck anfertigt.

Barbara Kastin (Zweite von rechts) leitet den Workshop an. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Barbara Kastin (Zweite von rechts) leitet den Workshop an. Fotos: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Konzentriert sitzen die neun Jungs und Mädels um den Arbeitstisch herum. Sie sind mit Linolschnitten beschäftigt. Zarte Linien und großzügige Flächen werden in die Tafeln geschnitzt. „Hat jemand ein feines Messer?“ – „Ich bräuchte mal das breite.“ Sie hantieren geschickt mit dem Werkzeug. Bisher habe es noch keine Verletzungen gegeben, sagt Barbara Kastin, die diesen samstäglichen Workshop im Rahmen des museumspädagogischen Angebots der Galerie der Stadt Backnang anbietet.

Ist aber auch kein Wunder – denn die Teenager im Alter von 14 bis 18 Jahren sind eigentlich schon alte Hasen und teils seit vielen Jahren Teilnehmer bei solchen Kunstaktionen. Was Barbara Kastin an diesem Workshop ganz besonders gefällt: „Dieses Mal dauert er nicht nur vormittags. Die Kinder haben es sich gewünscht, dass er länger geht.“

Immerhin hat es das Programm durchaus in sich. Zu Beginn hatte sich die Gruppe die aktuelle Ausstellung von Jörg Mandernach in der Backnanger Galerie angesehen. Von diesen Eindrücken beflügelt, war es dann an den Entwurf der Skizzen für die Linoldrucke gegangen. Unterstützend hatte Barbara Kastin unterschiedlichste Inspirationsquellen mitgebracht: Zeitungen, Zeitschriften und Bildbände liegen auf einem Nebentisch ausgebreitet.

Ein zweiter Tag nur zum Drucken wäre toll, findet die Diplom-Kunsttherapeutin, denn auch dabei könne man viel experimentieren. „Die Motive sind superspannend“, freut sie sich, und schon für ihre Entwicklung müsste einiges an Zeit eingeplant werden. Nicht zu vergessen die Umsetzung von der Skizze auf die Linolplatte. Quentin hat schon festgestellt: „Das ist jetzt aber komplett anders geworden als geplant.“ In der Optik eines Horrorfilmplakats hat er sein Motiv gestaltet.

Mittlerweile ist es bereits Nachmittag geworden, das Ende dieses inspirierenden Kunstangebots rückt unbarmherzig näher. „Ich bin gespannt, wer der Erste ist, der druckt“, sagt Barbara Kastin.

Das ist Antonia. Sie macht eine sogenannte „verlorene Platte“. Dabei wird ein Teil des Motivs in einer Farbe gedruckt, dann bearbeitet sie das Motiv weiter, druckt es in einer zweiten Farbe, anschließend wird weitergeschnitzt und schließlich in einer dritten Farbe gedruckt. Satt streicht Antonia die Platte gelb ein, zieht die Schuhe aus, platziert Druckpapier, Platte und ein Schutzpapier darüber und – tanzt darüber. Mit dem ersten Versuch ist sie noch nicht ganz zufrieden und da man auch nicht vorhersagen kann, ob das Übereinanderdrucken so funktioniert wie gedacht, druckt sie sicherheitshalber gleich mehrere Versionen in gelber Farbe.

Es dauert lange, bis Linolfarbe getrocknet ist, doch da die Farbschichten immer recht dünn auf das Papier gewalzt werden, besteht keine Gefahr, dass die Farbe verschmiert, zumindest wenn das Druckpapier sorgsam aufgelegt wird.

Henry feilt noch an Miss Piggy und Kermit – das Bild der beiden hatte ihn sofort aus einer Zeitschrift heraus angelacht. Warum der 14-Jährige dabei ist? „Die Gemeinschaft hier“ habe es ihm angetan, auch ein Freund sei heute dabei. „Ich habe auf jeden Fall Spaß.“ Ein anderer wirft lachend ein: „Und seine Schwester hat ihn gezwungen.“ Diese ist gerade dabei, ein „Katzen-Leoparden-Dings“ aus ihrer Linolplatte herauszuarbeiten: „Mal sehen, was daraus wird.“

Seit gut zwei Stunden arbeiten die Jugendlichen an ihren Motiven. Langsam, aber sicher schmerzen die Finger und die Hände von dem Druck, den sie auf das Material ausüben müssen. Nichtsdestotrotz arbeiten alle unbeirrt weiter. „Wir würden ja nicht mitmachen, wenn es keinen Spaß machen würde“, sagt Emma.

Quentin und Leo sind mit ihren Vorlagen mittlerweile ebenfalls fertig und walzen die Platten ein. Vorsichtig und möglichst genau platziert Quentin seine Platte auf der Korrex-Hochdruckpresse und kurbelt die Walze vor und wieder zurück. Vorsichtig zieht er das Papier von seiner Vorlage. „Ist tatsächlich gut geworden“, freut er sich. Da sprudeln die Ideen – zweimal mit nur einem Farbauftrag drucken – in Rot, in Schwarz, Rot und Schwarz; jeder Druck kommt mit einem anderen Effekt heraus.

Nacheinander strömen auch die anderen Teenager in den Druckraum und zeigen sich beeindruckt von Quentins Versuchen: „Voll krass!“ Antonia versucht sich derweil an der zweiten Farbe und tanzt Samba über ihren Linolschnitt.

Ein Abdruck reicht den meisten der jungen Künstlern und Künstlerinnen bei Weitem nicht aus – sie experimentieren mit Mehrfarbigkeit und unterschiedlichen Papieren. Ungeahnte Effekte zeigen sich bei den Abdrücken: Mal wirkt etwas wolkig, mal wie eine zarte Tuschezeichnung. Satte Farbe schafft klare Kanten gegenüber einem zarteren Auftrag.

Auch wenn die Finger schmerzen – die Ergebnisse haben sich gelohnt, das Experimentieren an der Druckwalze hat allen Spaß gemacht. Barbara Kastin ist stolz auf die Arbeiten ihrer Schützlinge: „Das sind begabte junge Menschen.“

Teilnehmer Quentin hat seinen Linolschnitt in der Optik eines Horrorfilmplakats gestaltet.

© Alexander Becher

Teilnehmer Quentin hat seinen Linolschnitt in der Optik eines Horrorfilmplakats gestaltet.

Druckwerkstatt-Programm

Angebot Das Programm der Druckwerkstatt im Rahmen der Museumspädagogik ist gerade im Aufbau begriffen. Dabei sollen nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene entsprechende Workshops angeboten werden. Ein geplanter Termin hat sogar schon ein Thema. Er findet unter dem Titel „Mach dir dein Straßenfest-Plakat doch selbst“ statt.

Planung In Zukunft sind vermehrt museumspädagogische Veranstaltungen geplant, nach dem Besuch einer der städtischen Galerien sollen die Eindrücke künstlerisch umgesetzt werden. Verschiedene Schulungen bis Ende März machen die Dozenten mit unterschiedlichsten Druckmethoden vertraut.

Hintergrund Im Rahmen des Sonderprogramms zur Wiederaufnahme der Museumspädagogik stellte das Land Baden-Württemberg der Stadt Backnang Fördermittel für den Aufbau und Betrieb der Druckwerkstatt zur Verfügung. Damit konnten alle Werkzeuge, Hilfsmittel und Materialien angeschafft werden, die eine Druckwerkstatt braucht.

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Erstellt:
11. Februar 2022, 10:30 Uhr

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