Neu im Kino: „Des Teufels Bad“
Sehnsucht nach dem Himmelreich
Um mit Gottes Segen sterben zu können, entwickelten suizidale Frauen im 18. Jahrhundert eine tragische Strategie, erzählt „Des Teufels Bad“.
Von Kathrin Horster
Lukas (Lukas Walcher) baumelt still am Balken, als die Nachbarn kommen. Die Mutter weint bitterlich und will ihn nicht hergeben. Selbstmörder werden im 18. Jahrhundert auf dem Schindanger entsorgt, ihre Seelen sollen in der Hölle schmoren.
Um es gleich vorweg zu sagen: „Des Teufels Bad“ vom österreichischen Filmemacher-Duo Veronika Franz und Severin Fiala hat mit üblicher Kino-Unterhaltung nichts zu tun. Was die beiden in ihrem neuesten Werk nach den auch international gelobten Horrorfilmen „Ich seh Ich seh“ (2014) und „The Lodge“ (2019) auf die Leinwand bringen, ist harter Stoff jenseits beruhigender Genregrenzen.
„Des Teufels Bad“ erzählt von der Krankheit Depression, die im 18. Jahrhundert noch unter Begriffen wie Melancholie oder Schwermut firmierte und mit seltsamen Methoden wie der Rosshaar-Kur behandelt wurde. Dabei stach man Erkrankten ein Pferdehaar unter die Haut, das täglich bewegt werden musste. Mit dem Eiter sollten die bösen Gedanken ausfließen; diese Methode spielt auch im Film eine Rolle.
Er liebt heimlich Lukas
Der jungen Agnes (Anja Plaschg) hilft sie nur nicht. Seit Agnes ihre Mutter und den Bruder verlassen musste, um Wolf (David Scheid) aus dem Nachbardorf zu heiraten, geht es ihr zusehends schlechter. Mit der Schwiegermutter versteht sie sich nicht und Wolf will nicht mit ihr schlafen, weil er heimlich Lukas liebt. Nach dessen Selbstmord verdüstern sich Agnes’ Gedanken immer mehr, weil sie kein Kind bekommt und auch, weil der Pfarrer gesagt hat, dass Leute wie Lukas nicht bei Gott sein dürfen. Der Suizid war als Sünde geächtet und wurde posthum mit sozialem Ausschluss bestraft.
Besonders depressive Frauen suchten deshalb einen anderen Weg, um selbstbestimmt, aber auch gottgefällig zu sterben. Franz und Fiala beschreiben in „Des Teufels Bad“ nicht nur haarklein, wie sich eine Depression im 18. Jahrhundert den Angehörigen der Erkrankten darstellte, sondern auch die Strategie des sogenannten „mittelbaren Selbstmords“ bei dem Frauen zunächst andere, meist Kinder, töteten und die Tat vor einem Geistlichen gestanden, um daraufhin von ihm die Absolution zu erhalten und nach der Hinrichtung ins Himmelreich zu kommen.
Fakten, keine Fiktion
Diese Darstellung ist keine blutrünstige Fiktion; Franz und Fiala stützen sich auf historische Gerichtsprotokolle und auf die Forschungen der Historikerin Kathy Stuart. Anhand der Fakten entwickeln sie eine konkrete Fallerzählung, die aufgrund ihrer realistischen, alltagsnahen Detailfülle niederschmetternd wirkt. Agnes’ Gefühle der Überforderung, Einsamkeit und Sehnsucht unterscheiden sich bei aller historischer Distanz überhaupt nicht von den Problemen heutiger Menschen. Damit zeigt der Film die Bedeutung von medizinischer Forschung und sozialer Empathie auf, die heute barbarisch-religiöse Moraltraditionen ersetzt. Einen klassischen Horrorfilm gibt „Des Teufels Bad“ nicht her; der Abgrund, in den Franz und Fiala hier blicken, ist viel grausamer als jedes noch so böse Schauermärchen.
Des Teufels Bad. Österreich, Deutschland 2024. Regie: Veronika Franz, Severin Fiala. Mit Anja Plaschg, David Scheid. 121 Minuten. Ab 16 Jahren