SWR-Intendantenwahl: Wer gewinnt?
Der Streit bei der Suche nach einem neuen Senderchef lässt viele Fronten in der Zwei-Länder-Anstalt aufbrechen
Anstalt - Eigentlich sollte die anstehende Intendantenwahl ruhig und transparent vorbereitet werden. Doch nach einem Pannenstart tobt hinter den Kulissen nun ein wildes Strippenziehen.
Stuttgart Es sei falsch, „das Staffelholz in vollem Lauf“ übergeben zu wollen, erklärte Peter Boudgoust Anfang Dezember seinen vorzeitigen Rücktritt vom SWR-Intendantenposten für Mitte 2019 –, und dass er hoffe, durch diesen Schritt seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin „einen geordneten Übergang“ zu ermöglichen.
Das mag der 64-Jährige, vorweihnachtlich gestimmt, so geglaubt haben – doch in Wirklichkeit ist es nun ganz anders gekommen. Noch steht in den Sternen, wer künftig der Chef der zweitgrößten ARD-Sendeanstalt werden wird. Doch wer in diesen Tagen mit den dafür unmittelbar Verantwortlichen, mit möglichen Kandidaten und mit Mitarbeitern des Senders spricht, merkt schnell: Schon jetzt liegen bei vielen die Nerven blank.
Für die Wahl zuständig sind die insgesamt 92 Mitglieder der beiden SWR-Aufsichtsgremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat. Die Spannung vor der gemeinsamen Sitzung der beiden Gremien am 22. März im Stuttgarter Funkhaus ist inzwischen so groß, dass man meinen könnte, an diesem Freitag fände auch schon die Wahl statt.
Dabei geht es derzeit erst mal nur um die Frage, wie viel der 15 eingegangenen Bewerbungen in die engere Auswahl kommen und welche Kandidaten sich dann auf der eigentlichen Wahlsitzung im Mai dem großen Gremium persönlich vorstellen dürfen. Aber allein an dieser Vorentscheidung sind bereits viele Fronten der höchst komplex gestrickten Zwei-Länder-Rundfunkanstalt Südwestrundfunk aufgebrochen. Will man den Streit rein sachlich beschreiben, dann geht er so: Aus Sorge um ein praktikables Wahlverfahren hat eine rein vorbereitende zwölfköpfige „Arbeitsgruppe Intendantenwahl“ beschlossen, besagte 15 Bewerbungen kräftig zu sieben. Fünf erfolgversprechende Kandidaten wurden so ausgemacht, nur zwei davon sollen aber wirklich zur Wahl stehen: Stefanie Schneider, die jetzige Direktorin des Landessenders Baden-Württemberg, und Kai Gniffke, in Hamburg Chef von ARD-aktuell, also von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“. Beherzt streute man diese Kunde zwei Wochen vor dem 22. März unter die Presse.
Aber ist es angemessen, so die Kritik auf der Sachebene, bereits so früh die drei anderen mindestens ebenso veritablen Bewerber auszuschließen? Muss man nicht auch den NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz, den SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner und den SWR-Chef Multimediale Aktualität, Clemens Bratzler, zur persönlichen Vorstellung einladen? Muss das Wahlverfahren für alle 92 Wähler nicht breiter angelegt sein? Diese Kritik kann man als Klage über schlechte Umgangsformen mit Bewerbern und mangelnde Transparenz verstehen. Dahinter steckt aber auch die Sorge, dass hinter den Kulissen einflussreicher Kreise längst weitreichende Vorentscheidungen getroffen wurden – und die noch größere Besorgnis, warum man selbst bei diesen Vorentscheidungen nicht dabei war.
Offenbar ist beim Vorentscheid für den Zweierset Schneider-Gniffke vor allem die Staatskanzlei der Landesregierung von Rheinland-Pfalz aktiv gewesen. Clemens Hoch habe im Auftrag der Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) schlau dafür gesorgt, dass diesmal das kleinere der beiden SWR-Bundesländer nicht schon wieder bei der Intendantenwahl nur zuschauen dürfe.
Dass Stefanie Schneider, obwohl aus Stuttgart, als einzige Frau unter den Favoriten für die Wahl praktisch gesetzt ist, sei klar gewesen. Doch als starken Konkurrenten habe man den der SPD nahestehenden Gniffke an die Seite gestellt – auch mit dem guten Argument, der SWR brauche in den kommenden Jahren eine bundesweit wahrzunehmende Stimme.
Die Mainzer Staatskanzlei ist medienpolitisch exzellent aufgestellt; Malu Dreyer ist Vorsitzende der Rundfunkkommission der Ministerpräsidenten aller Länder und damit zentrale Figur der Debatte. Bisher eher sanft agierte dagegen, so hört man, das Staatsministerium in Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe aus Respekt vor der Unabhängigkeit des Rundfunks seine Vertreterin im Verwaltungsrat, Theresa Schopper, zurückhaltend schalten lassen.
Nun wirbt man hinter den Kulissen mühsam für ein größeres Kandidatenfeld, ebenso wie der „konservative Gesprächskreis“, in dem sich die CDU-nahen Rundfunkräte versammeln und die noch nicht hinnehmen wollen, dass der künftige SWR-Intendant erstmals nicht mehr aufs Ticket der Union läuft.
Schaden ist jedenfalls schon jetzt entstanden: Womöglich springt unter dem Druck der Debatte der eine oder andere Bewerber vorzeitig ab – und selbst wenn zum Schluss tatsächlich Schneider oder Gniffke das Rennen machen: Sie treten ihr Amt nun mit dem Makel an, aus sachfremden Interessen heraus SWR-Chef geworden zu sein. Alles, was nun passiert, wird auch überregional überaus kritisch beobachtet werden. Eine ARD- oder ZDF-Intendantenkür einfach als Wettbewerb der Besten scheint weiterhin schlicht unmöglich zu sein.