Theater in Rietenau führt wieder „Goldgrube“ auf
Bald ist es wieder so weit: Das Theater Rietenau führt „Goldgrube“ auf. Derzeit wird fleißig geprobt. Das Stück spielt in den 1920er-Jahren, ist zu großen Teilen aber erstaunlich aktuell.
Von Simone Schneider-Seebeck
Aspach. „In vielen Dörfern werden Geheimnisse über Generationen aufbewahrt“, weiß Lea Butsch. Und so hat sich die Regisseurin des Theaters Rietenau überlegt, wie es denn wohl sein könnte, wenn auch in ihrer beschaulichen Heimatgemeinde ein düsteres Geheimnis die Bewohnerinnen und Bewohner aneinanderketten würde.
Das von ihr geschriebene Stück „Goldgrube“ ist in den 1920er-Jahren angesiedelt. Und auch wenn es in einer Zeit von vor 100 Jahren spielt, so sind doch zeitgenössische Bezüge unverkennbar. Etwa das Thema Pandemie. In dem Stück ist die Spanische Grippe, die von 1918 bis 1920 zwischen 20 und 50 Millionen Todesopfer forderte, gerade am Abklingen. Auch das kleine Rietenau wurde schwer getroffen.
Da ist die Akkordeonspielerin, die nur noch über ihre klagenden Weisen kommunizieren kann. Sie hat ihre Kinder verloren, ist eine gebrochene Frau. Auch den reichsten Bauern des Fleckens hat es dahingerafft, den Wilhelm Wiedmann, einen herrischen und unbeliebten Mann, der seine junge Frau schlecht behandelt hatte und nur auf Reichtum und Macht aus war. Auch die Söhne aus dieser, der zweiten Ehe haben nicht überlebt.
Die idyllische Kulisse verstärkt nochdie Ahnung drohenden Unheils
Wie auch im vergangenen Jahr finden die Aufführungen des Amateurtheaters, für die bereits seit März geprobt wird, auf der romantischen Bühne im Reichenberger Weg in Rietenau statt. Die idyllische Kulisse mit hohen Baumkronen und liebevoll angelegtem Bauerngarten verstärkt die Ahnung drohenden Unheils noch. In zur damaligen Zeit passenden Kostümen stehen die Darstellerinnen und Darsteller des Ensembles im Freien auf den Brettern.
Die Probe beginnt. Dass die goldenen 20er-Jahre keineswegs golden waren, das macht gleich zu Beginn Matze Hesser als armer Bauer klar. Nicht mal Geld für Schuhe oder Strümpfe hat er: „I armer schwäbischer Baur, wie isch mir des Leba saur. Wenn i bloß scho im Himmel wär“, so klagt er sein Leid – während hinter einer Bank der Totengräber (Rolf Butsch) mit der der Martel (Gabi Gruber) schäkert. Doch auch die beiden werden ernst: „Mit wieviel Hoffnung sind wir ins neue Jahrhundert reingegangen?“, fragt die ältere Frau. „Und wie haben wir uns getäuscht“, erwidert der Totengräber Jakob ernüchtert, der, wie so oft in den Stücken des Theaters Rietenau, seine Stimme in Zeiten der Krise mahnend erhebt und auch auf die andere Seite der Medaille hinweist.
Ein verlorener Krieg, eine verlorene Lebensweise, eine Welt im Umbruch, Inflation und Pandemie prägen die Gesellschaft dieser Zeit, die Lea Butsch heraufbeschwört. Doch statt gemeinsam etwas Neues aufzubauen, zusammenzuhalten, herrscht Zwietracht im Dorf. Denn der erstgeborene Sohn des verstorbenen Wiedmann, August (Fritz Bareiß), trachtet danach, die Stelle seines Vaters einzunehmen, ohne Rücksicht auf Verluste. Herablassend, boshaft, ungerecht, geizig, tyrannisch ist er und bringt die ganze Dorfgemeinschaft gegen sich auf. „Fritz wollte einen ganz bösen Charakter spielen. Das ist eine Riesenherausforderung“, sagt Lea Butsch über den Darsteller des verhassten Dorftyrannen. Während der Proben wird daher Verschiedenes ausprobiert, was den gemeinen Charakter des Unseligen unterstreichen könnte.
Doch noch ist nichts in Stein gemeißelt. Nach dem Ende eines jeden Akts wird dieser in der Runde nochmals besprochen, mögliche Anregungen für Änderungen werden diskutiert, etwas wird ausprobiert oder wieder verworfen. Am Ende ist man mit dem Zwischenstand ganz zufrieden, auch wenn noch der eine oder andere Texthänger zu überwinden ist. Aber noch ist Zeit, zu üben, die Premiere findet erst in knapp drei Wochen statt (siehe Infotext).
Trotz des Elends gibt es den einen oder anderen Lichtblick
Nein, es waren wahrlich keine goldenen Zeiten für die Rietenauerinnen und Rietenauer. Auch wenn es trotz des ganzen Elends den einen oder anderen Lichtblick gibt. Etwa mit dem Pärchen Martel und Jakob oder dem Sonnenwirt (Siegfried Mauthe), dem nach zehn Jahren Beziehung die Ida (Cornelia Seitz) einen Antrag macht (aber wehe, sie lässt verlauten, dass der Antrag von ihr kam!). Hermine (Simone Kirschbaum), Wilhelm Wiedmanns junge Witwe, blickt trotz all ihres Elends wieder mit frohen Augen in die Zukunft, da der junge Heiner (Thomas Kirschbaum) um sie wirbt. Emil (Gottfried Schlichenmaier) will seinem Vater August (Fritz Bareiß) keineswegs nacheifern und hat sich in Martels Tochter Alma verguckt, auch wenn sie unvermögend ist.
Ihre gemeinsame Szene trägt den verheißungsvollen Titel „Licht und Weite“. „Man muss rausgehen aus dem System, um wieder Licht hineinzubringen, wenn man zurückkehrt“, sagt Lea Butsch. Emil Wiedmann, der auf die Walz geht, und seine Verlobte Alma, die mit ihrer Dienstherrin auf Reisen gehen wird, das sind die Hoffnungsträger für das Dorf. Ebenso wie die Kinder, die jedoch an diesem Probenabend nicht dabei sind. „Sie werden immer besser“, freut sich Butsch über die fünf Nachwuchsschauspielerinnen und -schauspieler.
Und auch am Ende des Stücks flackert das kleine Lichtlein Hoffnung in Rietenau, auch wenn der unbarmherzige Tod immer im Stück mit dabei ist, obwohl er sich noch im Hintergrund hält. Vornehm, elegant, mit Zigarettenspitze und keck aufgesetztem Hut und im Nadelstreifenanzug wirkt Gabriela Rimmele trotz ihrer unaufdringlichen Zurückhaltung ausgesprochen bedrohlich. Der Tanz mit dem Totengräber verheißt nichts Gutes.
Tickets Für die Premiere am 27. Juli sind noch Karten zu haben, ebenso wie für die Sonntagsvorstellung am 30. Juli. Die Vorstellungen am Freitag und Samstag sind bereits ausverkauft. Die Vorführungen beginnen jeweils um 19 Uhr, Einlass ist ab 18 Uhr. Tickets kosten 15 Euro. Eine Reservierung ist notwendig, da die Zuschauerzahl begrenzt ist. Mehr Infos und Tickets erhält man unter www.theater-rietenau.de.