Ein deutscher Pianist in Moskau
Tschaikowsky, Putin und Frantz
Der Pianist Justus Frantz ist als Juror nach Moskau gereist. In der Musikwelt löst das gewisse Störgefühle aus.
Von Hans Jörg Wangner
Sokolov, Gavrilov, Pletnov, Trifonov – der Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb ist eng verbunden mit Pianistennamen, die zur Crème de la Crème ihrer Branche gehören. Dieser Tage hat die Musikwelt einen weiteren Klavierspieler zur Kenntnis genommen: Justus Frantz, den stets strahlenden Wahlhamburger. Kenner sehen in ihm den bestgeföhnten Pianisten der Gegenwart.
Nun hat Frantz zwar nicht um die Pianistenkrone mitgespielt, aber er ist nach Moskau gereist, um immerhin die Tschaikowsky-Jury mit seiner Expertise zu bereichern. Und das wiederum hat beim einen oder anderen Störgefühle ausgelöst. „Justus Frantz / Frustus Schwantz / Wie groß ist dein Frust / Dass Du nach Moskau musst?“, ätzte Moritz Eggert, streitbarer Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, der jüngst auch dem gefallenen Putin-Engel Teodor Currentzis die Leviten gelesen hat.
Doch Frantz ficht das nicht an. Im SWR-2-Interview verteidigt er seine Reise. Dass die Veranstaltung aus der Weltföderation „Internationaler Musikwettbewerb“ ausgeschlossen wurde, erfährt er erst von der Reporterin, dass Putin ein Grußwort geschrieben hat, interessiert ihn nicht, und dass er, Frantz, Gefahr läuft, ein Aushängeschild für das Regime zu werden, findet er „so ein bisschen über Kreuz gedacht“.
Wir sehen: Frantz gilt’s nur der Kunst. Er glaubt auch nicht, „dass eine einzige Rakete mehr fällt, weil ich in der Jury gesessen habe. Aber möglicherweise werde ich durch ein persönliches Gespräch, in dem ich mich für den Frieden einsetze, viel mehr erreichen.“ Im Übrigen verweist er auf einen Altbundeskanzler (nein, nicht Gerhard Schröder): „Mein Freund Helmut Schmidt hat mir gesagt: ,Es ist besser, hunderttausend Mal vergeblich zu verhandeln, als einmal zu schießen.‘“ Das walte der Frantz, der Gerechte.