Neues Kunstmuseum Tübingen eröffnet
Udo Lindenbergs berauschte Bilder
Viel Trubel in Tübingen: Das Neue Kunstmuseum Tübingen geht an den Start mit einer Ausstellung von Udo Lindenberg. Aber taugt der Rocker auch als Maler?

© Udo Lindenberg/Tine Acke
Das Neue Kunstmuseum Tübingen setzt auf populäre Namen und zeigt zur Eröffnung Bilder von Udo Lindenberg.
Von Adrienne Braun
Im Grunde könnte man über fast jedes Bild „Prost“ schreiben. Denn auf diesen Gemälden wird hemmungslos gesoffen. Immer hält einer ein Cocktailglas in der Hand – und oft noch einen Joint in der anderen. Nackte, vollbusige Frauen planschen in Sektkelchen – und inmitten dieser beschwipsten Runden taucht stets ein Mann mit Sonnenbrille und Hut auf: Udo Lindenberg. Ob er tatsächlich sein bisheriges Leben im Dauerrausch verbracht hat?
Udo Lindenberg ist einer der bekanntesten Rockmusiker. Dass er auch malt, wissen dagegen nur wenige, obwohl er es seit dreißig Jahren tut – und durchaus konsequent. Stattliche 200 Bilder hat er nun nach Tübingen mitgebracht zu einem besonderen Anlass: der Eröffnung des Neuen Kunstmuseums Tübingen, kurz NKT. Am Wochenende haben Bernhard Feil und Stephen Hamann ihr Privatmuseum eröffnet, das sie sich fast neun Millionen Euro haben kosten lassen. Seit dem Verkauf ihrer IT-Firma betreiben sie den Tübinger Kunstverlag Art 28.
Thomas Gottschalk war auch bei der Eröffnung
Auf dessen Firmengelände ist ein stattlicher weißer Neubau entstanden und zur Eröffnung ein roter Teppich ausgerollt worden für die Promis, die man nach Tübingen locken konnte. Nicht nur Lindenberg gab sich die Ehre und sagte in seiner Rede: „Es ist der absolute Hammer, yeah! Die schönste Ausstellung, die ich je gesehen habe.“ Thomas Gottschalk kam und Philipp Danne. Der Schauspieler aus der TV-Serie „In aller Freundschaft“ soll als Social-Media-Botschafter jüngeres Publikum locken.
Denn das ist, was Feil und Hamann sich wünschen: „dass die Leute Spaß haben und trotzdem zum Nachdenken angeregt werden“. Das Ausstellungsprogramm tendiert dabei eher in Richtung Spaß, denn Lindenberg würzt seine comichaften Bilder oft mit Humor und setzt bei den Titeln auf Sprachspiele wie „Highlige Schrift“ oder „Alle Tage sind gleich lang doch verschieden breit“. Nach Lindenberg werden Peter Gaymanns Cartoons gezeigt, die Hauptperson des NKT wird aber James Rizzi sein mit seinen Wimmelbildern voller lachender Hochhäuser, Herzen und küssenden Paaren. Es soll auch sein einstiges Atelier nachgebaut werden.
Inhaltlich kommt das NKT der Kunsthalle Tübingen damit sicher nicht in die Quere, zumal es ein neues Publikum nach Tübingen locken will. Bei Simon de Pury hat es schon funktioniert. Der „berühmteste Auktionator der Welt“, wie er angekündigt wurde, kam zum ersten Mal in seinem langen Leben nach Tübingen, obwohl er als einstiger Sotheby’s-Chef oft mit der Kunsthalle zu tun hatte. Baden-Württemberg, sagte de Pury, sei das Land der Privatsammler – und stellte das NKT in eine Reihe mit den Sammlermuseen von Reinhold Würth, Frieder Burda oder Marli Hoppe-Ritter.
Das NKT ist auch ein Geschäftsmodell
Im Vergleich zu den anspruchsvollen und vielschichtigen künstlerischen Positionen, für die sich diese Sammler einsetzen, wirken populäre Promis wie Lindenberg eher wie Selbstläufer. Ohnehin ist das NKT bei allem finanziellen Engagement auch ein Geschäftsmodell. Deshalb hat Art 28 von Lindenbergs Originalen Drucke produziert. Die signierten Pigmentdrucke in einer Auflage von 99 Stück kosten 10 350 Euro. Für einige Drucke muss man sogar mehr als 40 000 Euro hinlegen. Den Fans ist es das wohl wert, denn seine Originale verkauft Lindenberg nicht.
Sie werden nun bis Juni im „musealen“ Bereich des NKT hängen auf den mobilen Stellwänden, die in der Halle nach Bedarf arrangiert werden können. Dass das Ausstellungshaus in nur 14 Monaten errichtet werden konnte, ist der offenen Konstruktion mit Doppel-T-Trägern, Glas- und Aluminiumfassade geschuldet. Ein pragmatischer Bau, in dem der Mönch Nikodemus Claudius Schnabel, der den Bau weihte, aber doch Parallelen zu einer Basilika sieht, wie er beim Bühnentalk zur Eröffnung erklärte. Auch Manuel Hagel (CDU) war geladen und brachte es auf den Punkt: „Super!“Loben und Schwelgen gehören bei solchen Anlässen dazu, zumal die Hausherren die rund 800 Gäste wahrlich fürstlich versorgten – sogar mit Eierlikör. Denn es war Likör, der Udo Lindenberg zum Malen brachte, wie er erzählt. An einem Tag, „der ein bisschen breiter war“, habe er im Hamburger Hotel Atlantic an der Bar gesessen, als ein Getränk umkippte. Das war die Initialzündung für seine „Likörelle“, bei denen er mit Acrylfarben, Eierlikör und Blue Curacao malte.
Leicht durchschaubare Botschaften
„Realität ist nur was für Leute, die mit Drogen nicht klarkommen“, heißt es auf einem seiner Gemälde, die sich oft um Alkohol drehen und natürlich um ihn selbst und seine Lieder. Es tauchen aber auch viele Peace-Zeichen auf, um für Frieden zu werben. Dann wieder hat er seine Stasiakte vergrößert, in der 1983 über seinen Auftritt bei einer Friedensinitiative der FDJ berichtet wurde. Aus künstlerischer Sicht ist seine Serie „Pimmelkopp V“ die interessanteste, bei der Lindenberg mit grobem Strich und Brauntönen rechtsradikale Schläger malte.
Wenn Lindenberg „Gitarren statt Knarren“ fordert, kann man ihm nur zustimmen. Und doch: seine Bilder sind weder politisch, noch regen sie zum Nachdenken an, denn ihre Botschaften sind leicht zu durchschauen. Ohne den Namen Lindenberg würden sie kaum für so viel Furore sorgen. Feil und Hamann hoffen auf 100 000 Besucher. Die werden sich gut unterhalten fühlen mit den Weisheiten Udo Lindenbergs: „Der Klügere kippt nach“.
Kunsthandel in Tübingen
KunsthandelArt 28 ist ein Unternehmen, das als Künstleragentur und Kunsthändler agiert. Es hat die Lizenzen zur Vermarktung der Werke von Künstlern wie James Rizzi erworben und betreuen die Produktion von Konsumartikeln. So finden sich die Motive von James Rizzi auf Tassen, Kalendern oder Socken. Sie werden im Anschluss an die Lindenberg-Ausstellung im Shop des Neuen Kunstmuseums angeboten werden.
Info Ausstellung bis 15. Juni im Neuen Kunstmuseum Tübingen, Schaffhausenstraße 123. Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr.