Vom einstigen Lost Place zum preiswürdigen Wohnhaus
Architekturpreis der Wüstenrot Stiftung
Vom einstigen Lost Place zum preiswürdigen Wohnhaus
Baulücken, Parkplätze und Hinterhöfe sind die Schmuddelecken der Bauwirtschaft. Ein in Stuttgart verliehener Architekturwettbewerb zeigt, wie diese wertvollen Restgrundstücke durch kluge Nachverdichtungen zu besseren Quartieren beitragen.
Von Tomo Pavlovic
Bemerkenswert an talentierten Architekten ist ja ihre beneidenswerte Fähigkeit, Dinge zu sehen, die andere nicht erkennen. Und das ist glücklicherweise kein Fall für den Psychiater. Wo manch einer längst abwinkt, ziehen Architektinnen und Architekten im Geiste schon die Wände hoch. Kaum ein Restgrundstück, kaum eine Brachfläche, kein Hinterhof scheint ihnen zu unwirtlich, zu abschüssig oder zu schmal für ihre Pläne, dem Mangel an Wohnungen mit Kreativität beizukommen. Denn Raum ist überaus wertvoll, nicht nur in unseren Städten. Ein Grundstück mag klein sein. Doch die Architektur, die darauf entsteht, ist nicht selten großartig – und preiswürdig.
Große Zahl an Einreichungen
Vor dem Hintergrund des chronischen Wohnraummangels verfolgt der jüngst ausgelobte Gestaltungspreis der Wüstenrot-Stiftung das Ziel, beispielhafte Projekte zur Nachverdichtung aufzuspüren, die eine zukunftsfähige Form repräsentieren und damit den hohen Anforderungen und Maßstäben unserer vom Klimawandel getakteten Zeit entsprechen.
So hat sich der Gestaltungspreis 2024 – ein renommierter Architekturpreis, der nun schon zum 14. Mal initiiert worden ist – dem Thema „Lücken füllen – Wohnraum schaffen“ gewidmet. Offenbar hat die Stiftung aus Ludwigsburg mit dem Sujet ein gutes Gespür für die aktuelle Lage bewiesen, denn eine erstaunlich große Zahl von 280 Einreichungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz landete auf dem Tisch der Jury zur Vorprüfung.
Eine Mammutaufgabe. Schließlich erhielten bei der Preisverleihung am Dienstag im Stuttgarter Hospitalhof 20 Realisierungen eine Auszeichnung oder eine besondere Anerkennung. „Entstanden sind wunderbare Beispiele integrativer Stadtentwicklung ohne Verzicht auf architektonische Exzellenz“, resümiert Anja Reichert-Schick, Jurorin beim Gestaltungspreis und ansonsten Leiterin des Themengebiets Zukunftsfragen und Bildung bei der Wüstenrot Stiftung den Wettbewerbsausgang.
Der Gestaltungspreis hat einen Vorbildcharakter, weswegen es auch eine große Ausstellung mit einer detaillierten Dokumentation geben wird, die etwa Kommunen, Städte oder auch private Veranstalter gratis ausleihen können. „Unsere Aufgabe hat schon einen gewissen pädagogischen Charakter. Wir suchen die innovativen Projekte. Nachahmer wollen wir inspirieren oder wenigstens einen Diskurs anstoßen“, erklärt Anja Reichert-Schick.
Interessant bei diesem Preis sind auch die aufgeworfenen Fragen, die in der bisherigen Diskussion um die Nachverdichtung gerade in urbanen Räumen leider selten gestellt werden. Nicht jede Nachverdichtung ist unbedingt sinnvoll, zumal es offenbar eine Art gefühlter Schwelle gibt, die man nicht überschreiten sollte, Stichwort: Dichtestress. Wie dicht nämlich können städtische Quartier bebaut werden, bevor die Lebensqualität sich merklich verschlechtert? Auch die Enge des unmittelbaren Wohn-Umfelds war also ein Kriterium bei der Vor-Ort-Begutachtung der Kandidaten bei den Jury-Exkursionen.
Revitalisierung ganzer Kleinstädte
Zwei Tendenzen sind bei der Prämierung deutlich abzulesen. Erstens: Deutschlands Nachbarn sind deutlich innovativer und damit offenbar mutiger bei der Bespielung von Restgrundstücken, bei Aufstockungen oder findigen Umwidmungen von Bestandsbauten unterwegs. Angesichts der Anzahl der Einreichungen haben Projekte aus Österreich und der Schweiz wesentlich erfolgreicher abgeschnitten. Und zweitens: die öffentliche Hand ist maßgebend bei den Leuchtturmprojekten.
Von denen sich dann auch zwei den Gestaltungspreis der Wüstenrot Stiftung gleichberechtigt teilen: Die Revitalisierung der Altstadt Hohenems im österreichischen Bundesland Vorarlberg sowie der Umbau des Felix Platter Spitals in Basel. Im Falle von Hohenems wurde offensichtlich das typische Problem vieler ländlich geprägter Kleinstädte mustergültig gelöst: Leerstand und Verödung der Ortszentren.
Durch zahlreiche Vermittlungsprozesse und das Einbinden der engagierten Bürgerinnen und Bürger konnte das Stadtbild architektonisch saniert, aufgewertet und revitalisiert werden. Lokale Architekturstudios – so etwa das vielfach ausgezeichnete Planungsbüro Bernardo Bader Architekten – haben in Hohenems entscheidend mitgewirkt.
In Basel wiederum wurde das in den 60er Jahren errichtete und mittlerweile stillgelegte Felix Platter Krankenhaus nach Protesten aus der Stadtbürgerschaft eben nicht „rückgebaut“ – wie der Abriss neudeutsch verharmlosend heißt – sondern in attraktiven, ökologisch nachhaltigen Wohnraum umgewandelt. Graue Energie konnte erhalten werden, gleichzeitig resultierten aus dem Umbau 134 Wohnungen mit speziellen Wohnkonzepten auch für Senioren. Interessant: das sogenannte „Miteinanderhaus“ wurde von zwei Privatakteuren umgesetzt, die eigens eine Baugenossenschaft gründeten.
Paradebeispiel eines Lückenfüllers aus Karlsruhe
Geht doch, könnte man sagen, wenn der Wille und die nötige Unterstützung seitens der Stadt oder Kommune vorhanden sind. Genau das aber fehlt zu oft, zumindest in Deutschland. Aus dem Südwesten Deutschlands sticht ein Projekt aus Karlsruhe hervor, das eine Anerkennung erhielt.
Im Stadtteil Durlach entstand an einer früheren Schmuddelecke – einem ehemaligen beengten Parkplatz – ein echtes Lückenfüller-Projekt, das „Haus 4080“ mit spannendem Grundriss auf vier Stockwerken mit insgesamt 103 Quadratmetern Wohnfläche. Das Planungsbüro Linking Architecture aus Karlsruhe hatte die Idee für die Bebauung des Miniaturfläche, die Bauherrin Ulrike Fischer ist selbst Architektin bei Linking Architecture und bekam schon den Badischen Architekturpreis für das Haus 4080. Schön also, wenn Architektinnen und Architekten Mut zur Lücke beweisen und Dinge auch dort sehen, wo andere gar nichts erkennen.
Info
GestaltungspreisDer renommierte Architektur-Wettbewerb der Wüstenrot Stiftung fungiert seit 1994 als Impulsgeber in Sachen Bauen und Wohnen. Mit der gratis bestellbaren Publikation „Lücken füllen – Wohnraum schaffen“, der Wanderausstellung und der Website www.gestaltungspreis.org möchte die Wüstenrot Stiftung viele Anregungen und Impulse für ähnliche Projekte in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz geben. Weitere Auskünfte zur Arbeit der Stiftung gibt es unter www.wuestenrot-stiftung.de.
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