Netflix-Serienhit „Adolescence“

Weißt du, was in deinem Kind vorgeht? – Diese Serie trifft Eltern mit Wucht

„Adolescence“ ist erst wenige Tage auf Netflix verfügbar und bricht dort schon alle Rekorde. Ist die britische Miniserie wirklich so gut? Ja. Denn sie stellt die wirklich schmerzhaften Fragen.

Owen Cooper spielt den 13-jährigen Jamie, der seine Mitschülerin erstochen hat. Aber warum?

© Adolescence/Netflix

Owen Cooper spielt den 13-jährigen Jamie, der seine Mitschülerin erstochen hat. Aber warum?

Von Theresa Schäfer

Es ist eine Szene wie aus dem schlimmsten Albtraum aller Eltern: Die Polizei tritt um 6 Uhr morgens die Tür ein, stürmt dein Haus, Waffen im Anschlag, zieht deinen 13-jährigen Sohn aus dem Bett und packt ihn in ein Einsatzfahrzeug. Warum? Er soll seine Klassenkameradin getötet haben.

So beginnt „Adolescence“, eine britische Miniserie, die erst seit wenigen Tagen beim Streamingdienst Netflix zu sehen ist und dort schon jetzt alle Rekorde bricht. Innerhalb der ersten zehn Tage wurde die vierteilige Produktion aus dem Vereinigten Königreich weltweit schon mehr als 66 Millionen Mal abgerufen.

„Adolescence“ trifft einen Nerv

Die Serie trifft einen Nerv – vor allem bei Müttern und Vätern. Denn sie stellt eine Frage, die extrem unangenehm ist und Angst machen kann: Weißt du wirklich, was in deinem Kind vorgeht?

Adolescence ist das englische Wort für Pubertät. Inzwischen wissen auch Laien, dass in dieser Phase ein kompletter Gehirnumbau stattfindet, dass Teenager dann oft extrem fragil sind. Mobbing, das Gefühl, ein Loser zu sein, Druck durch soziale Medien – das alles prasselt ein auf junge Menschen, die sich noch finden müssen. Und auf TikTok und Youtube sehen sie toxische Inhalte von selbsternannten Influencern, die scheinbar einfache Antworten auf all das parat haben.

Der 13-jährige Jamie (großartig: Owen Cooper) ist in der Pubertät, ein Junge mit Sommersprossen und zarten Gesichtszügen. Und sticht eines Abends mit einem Messer auf seine Mitschülerin Katie ein. Aber warum? Die Serie ist etwas zwischen Psychogramm und Sozialdrama. Was macht eine solche Gewalttat mit einer Familie, einer Schule, einer Stadt. Und wer hat Schuld?

Die Eltern? Die Millers (Stephen Graham, der die Idee zur Serie hatte, und Christine Tremarco) sind keine lieblosen, desinteressierten Eltern, die ihren Sohn vernachlässigen. Aber irgendwann haben sie vielleicht den Einblick verloren, was der Junge da tut auf dem Computer hinter der geschlossenen Zimmertür, was er sieht im Internet. Und jetzt können sie nicht fassen, was Jamie getan haben soll. „Er ist doch ein guter Kerl“, sagt der Vater immer wieder, während sein Sohn auf dem Polizeirevier befragt wird. Es ist auch eine Selbstbeschwörung.

Die Miniserie (Drehbuch: Jack Thorne und Stephen Graham) entwickelt auch deshalb eine so große Intensität, weil die vier Folgen als One Shot gedreht sind, also ohne Schnitt auskommen. Eine Herausforderung für Cast und Crew – bei der finalen Folge war laut Netflix erst der 16. Durchlauf das Take, das es in die Serie schaffte.

Owen Cooper leistet Großes

Eine echte Spitzenleistung ist das Spiel von Owen Cooper als Jamie: Ein milchgesichtiger Mörder, dem beim Blutabnehmen schlecht wird, der aber sieben Mal auf seine Mitschülerin einsticht, weil sie sein fragiles Ego erschüttert hat. Coopers Darstellung ist erschütternd und lässt einen nach dem Abspann nicht so schnell los.

„Adolscence“ hat auch deshalb eine so große Wucht, weil Großbritannien in der vergangenen Zeit immer wieder von tödlichen Attacken jugendlicher Täter erschüttert wurde. Oft spielte dabei ein Messer eine Rolle und manchmal hatten die Taten auch eine Vorgeschichte mit Mobbing im Netz. Selbst Premierminister Keir Starmer schaute die Serie mit seinem 16-jährigen Sohn und seiner 14-jährigen Tochter. Und appelliert an das Umfeld von Jugendlichen, genau und früh hinzuschauen, und nicht erst, wenn es Probleme gibt. „Wir können nicht einfach mit den Schultern zucken.“

Der „Guardian“ bezeichnete „Adolescence“ als „the closest thing to TV perfection in decades“. Ganz nah dran an Fernsehperfektion also. Dem gibt es wenig hinzuzufügen.

Folgen auf den Hype auch die Preise?

Und jetzt ein Emmy? „Adolescence“ dürfte dieses Jahr einige Preise abräumen. Es wäre eine Überraschung, wenn die Serie bei den Emmy Awards nicht die wichtige Kategorie „Miniserie“ gewinnen würde - wie letztes Mal der britische Psychothriller-Siebenteiler „Rentierbaby“ (Originaltitel: Baby Reindeer).

 

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Erstellt:
26. März 2025, 13:26 Uhr
Aktualisiert:
27. März 2025, 16:37 Uhr

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