Theaterstück zum Gänsekrieg ist „wie fürs Freilicht gemacht“
Interview Am 16. Juli wird das Freilichttheaterstück „Der Gänsekrieg“ des Backnanger Bandhaus-Theaters uraufgeführt. Aus der historischen Vorlage haben die Autorin Jasmin Meindl und der Autor Christian Muggenthaler ein modernes Märchen erschaffen.
Backnang. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde in Backnang die Gänsehaltung untersagt. Das plötzliche Verbot führte zu einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen den Backnanger Frauen, deren Erwerb davon abhing, und den Obrigkeiten. Bandhaus-Theater-Leiterin und Autorin Jasmin Meindl und Autor Christian Muggenthaler haben aus den Ereignissen von damals ein Theaterstück entwickelt. Im Gespräch berichtet Meindl, was sie an der historischen Vorlage gereizt hat und warum es mit den Proben nicht immer einfach ist.
Frau Meindl, wie kamen Sie auf die Idee, den Backnanger Gänsekrieg in
einem Theaterstück zu verarbeiten?
Die erste Idee kam letzten Herbst auf. Nach einer Gemeinderatssitzung fragte mich der Herr Mäule (Anm. d. Red.: Timo Mäule, Hauptamtsleiter der Stadt Backnang): „Frau Meindl, machen wir wieder Freilicht?“ Da war ich natürlich gleich Feuer und Flamme. Auf die Idee, den Gänsekrieg zu thematisieren, hat mich die ehemalige Gemeinderätin Dorothee Winter gebracht. Schon als sie den Vorschlag ausgesprochen hatte, dachte ich mir: „Stimmt, das ist eine ganz tolle Episode aus der Stadtgeschichte Backnangs, die wie fürs Freilicht gemacht ist.“
Was hat Sie daran so fasziniert?
Es ist einfach ein toller Stoff – diese 16 Frauen aus dem 17. Jahrhundert, die sich mutig ihr Recht zurückerkämpfen, allem Widerstand zum Trotz. Die Vorlage bringt alles mit, was so eine Geschichte braucht. Freilicht muss Lust machen, es muss Kraft haben und es muss lustig sein, aber trotzdem auch dramatisch. Im Zentrum unserer Geschichte steht die Witwe Jakob Bachems, eine historisch verbürgte Figur, die in den Regesten vorkommt. Wir haben ihr einen Vornamen gegeben, sie heißt Johanna. In dem Stück überwindet sie ihre Ängste und solidarisiert sich mit den anderen Frauen.
Welche Figuren sind noch zentral?
Bei den Frauen ist es noch die Hagin, eine Person aus dem ärmlicheren Milieu, für die es ein echtes Problem ist, dass die Gänsehaltung abgeschafft worden ist. Dann gibt es noch eine Zeitlose, die so etwas wie eine Naturgottheit ist. Sie steht für den inneren Prozess der Johanna Bachem. Außerdem die Violetta, die in eine Liebesgeschichte verwickelt ist. Zu den Männern gehört der Vogt, der klassische Antagonist, der für das Patriarchat steht. Auch der Bürgermeister ist dem alten System verhaftet. Cosmas, der Sekretarius des Vogts und der männliche Teil des Liebespaares, steht schon für eine neue Männergeneration.
War es einfach, die jeweils passende Besetzung zu finden?
Tatsächlich war es total schwer, die jungen Schauspielerinnen zu finden, warum auch immer. Über eine Agentur sind wir zum Beispiel an Emily Schmeller gekommen, die die Violetta spielt. Sie kommt aus Wien – die Besetzung ist also wirklich wild zusammengewürfelt. Aber es sind alle Rollen sehr gut besetzt. Ursula Berlinghof, die die Hauptrolle spielt, ist jetzt 61 geworden. Das habe ich mir auch gewünscht, gestandene Frauen auf der Bühne zu haben, in einem Alter, das man vielleicht nicht mehr so im Blick hat. Ursula ist die Heldin des Stücks. Und sie ist einfach eine tolle, tolle Schauspielerin. Sie hat Kraft, sie kann singen, sie kann spielen. Und mit Leslie Roehm ist es genau das Gleiche. Alle Hauptrollen sind mit sehr gut ausgebildeten und erfahrenen Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt. Dann haben wir noch die tolle Backnanger Bürgerbühne. Insgesamt sind es 30 Leute auf der Bühne.
Das klingt, als sei es nicht so leicht, alle für die Proben zusammenzubringen.
Mit so vielen Leuten ist die Planung natürlich schon ausufernd. Dazu kommt, dass die professionellen Schauspielerinnen und Schauspieler abends noch woanders auftreten. Dirk Waanders zum Beispiel, der den Vogt spielt, muss nach Frankfurt pendeln, um zu spielen, wohnt aber in Stuttgart. Und viele Amateure sind tagsüber berufstätig.
Wie stark ist das Theaterstück von der historischen Vorlage beeinflusst?
Weil mich jetzt schon ein paar Leute darauf angesprochen haben: Es gibt das Buch „Der Backnanger Gänsekrieg“. Das habe ich aber absichtlich nicht gelesen. Christian (Anm. d. Red.: Muggenthaler) und ich haben uns schon sehr an die Fakten gehalten. Auch die Namen haben wir aus den Regesten übernommen. Das Stück ist trotzdem Literatur. Es gibt ein paar Sachen, die wir dramatisiert haben – einfach damit es für die Bühne funktioniert in der limitierten Zeit.
Sie verdichten gleich mehrere Jahre.
Genau. Das Stück wird wohl um die zwei Stunden dauern, weil es darin auch sehr viel Musik gibt. Die Regisseurin Annalena Maas und Fiete Wachholtz, der ein toller Theatermusiker ist, haben sich quasi in den Rausch gespielt. Eigentlich wäre der Gänsekrieg auch ein schöner Stoff für die Oper, denn es gäbe Einzelstimmen für Frauen und Männer, aber auch einen Chor. Und man könnte opulente Bilder inszenieren.
Wie ordnen Sie Ihr Stück ein?
Es ist ein Märchen geworden. Wir erzählen exemplarisch, wie es Frauen ergeht, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen. Und dann schicken wir sie auf eine Heldinnenreise. Der amerikanische Autor Joseph Campbell hat in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ (Anm. d. Red.: 1949) die Struktur einer klassischen Heldenreise herausgearbeitet. Diese zwölf Stationen haben wir als dramaturgischen roten Faden genommen.
Wieso haben Sie sich für die Form des Märchens entschieden?
In einem Märchen ist es ja so, dass sich die Erfahrungen aus Jahrhunderten in Symbolen verdichtet zeigen. Und obwohl sich im Vergleich zu früher vieles gebessert hat, kann man doch einiges aus dem Gänsekrieg auf die heutige Zeit übertragen. Etwa die typischen Eskalationsstufen, die Frauen durchlaufen, die auf ihren Rechten bestehen: Erst werden sie ausgelacht, dann werden sie denunziert, schließlich wird ihnen mit Gewalt begegnet. Es könnte genauso eine Geschichte sein, die heute stattfindet.
Sie haben das Stück zusammen mit Christian Muggenthaler geschrieben. Wie lange haben Sie dafür gebraucht?
Vier Monate. Wir haben im Januar angefangen. Eigentlich wollten wir schon im März fertig sein, aber erst hatte ich Corona, dann er. Wir haben deshalb viel über Google Docs gearbeitet, sodass wir beide zur gleichen Zeit an dem Dokument schreiben konnten. Die ersten zwei Wochen haben wir uns zurückgezogen, wir waren im Elsass, irgendwo im Wald. Ich muss beim Schreiben immer an den Punkt kommen, dass die Figuren mit mir den Alltag verbringen. Das ist wichtig, dass sie wirklich mit mir am Frühstückstisch sitzen und am Badewannenrand.
Wie war der Schreibprozess?
Die Geschichte war ja vorgegeben. Deshalb haben wir erst einmal angefangen zu schreiben. Und irgendwann habe ich zu Christian gesagt: „Wir reden zu viel, das ist viel zu viel Blabla.“ Dann haben wir alles wieder weggeschmissen und noch mal neu angefangen, weil ich immer einen originellen Zugang zu meinen Geschichten haben möchte. Einfach nur nachzuerzählen ist mir zu langweilig. Abgesehen davon haben wir gemerkt, dass wir echt schon viel miteinander geschrieben haben, denn beim Durchlesen der Szenen haben wir fast nichts mehr gekürzt. Es war sehr effektiv.
Wie kam die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Annalena Maas zustande?
Es war uns total wichtig, eine Regisseurin zu haben für dieses Stück. Der Kontakt kam über eine uns bekannte Regisseurin aus München, Julia Prechsl, zustande. Wir sind sehr happy mit unserer Wahl.
Wie wird das Bühnenbild aussehen?
Der Bühnenbildner Peter Engel hat auch bei der „Judith“ (Anm. d. Red.: Freilichttheaterstück des Bandhaus-Theaters 2017) das Bühnenbild gemacht. Ich bin sehr froh, dass er wieder mit dabei ist, weil er so ein erfahrener und großartiger Künstler ist und viele tolle Ideen hat. Wir haben wieder die Bühne von 2017. Darauf gibt es ein Drehelement für die vielen schnellen Auftritte im Stück.
Konnten Sie von den Erfahrungswerten aus Ihrem ersten Freilichttheaterstück „Judith von Backnang“ profitieren?
Auf jeden Fall. Zum Beispiel konnten wir den Stuhlplan von 2017 einfach übernehmen. Beim ersten Mal musste den noch jemand sicherheitstechnisch zeichnen und abnehmen lassen. Es ist auch nicht mehr so aufregend. Wir fragen uns nicht mehr: „Wird das alles?“ Denn das wissen wir.
Das Gespräch führte Melanie Maier.
Meindl 1975 wurde Jasmin Meindl in Regensburg geboren. Seit 2013 leitet die studierte Theaterpädagogin mit Juliane Putzmann das Bandhaus-Theater. Zuvor besuchte sie die Akademie für darstellende Kunst in Ulm und die Theaterwerkstatt Heidelberg. In den vergangenen 15 Jahren hat die Theatermacherin und Autorin viele Stücke geschrieben und teils selbst inszeniert.
Termine Am Samstag, 16. Juli, findet von 20.30 Uhr an die Uraufführung des Stücks „Der Gänsekrieg“ auf dem Freithof hinter der Stiftskirche in Backnang statt. Weitere Termine sind Sonntag, 17. Juli, Donnerstag, 21. Juli, Freitag, 22. Juli, Samstag, 23. Juli, Sonntag, 24. Juli, Donnerstag, 28. Juli, Freitag, 29. Juli, Samstag, 30. Juli, und Sonntag, 31. Juli. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr. Karten für die Aufführung kosten zwischen zehn und 28 Euro. Sie sind erhältlich unter www.easyticket.de/veranstalter/B14.
Weitere Infos rund um das Stück gibt es im Internet unter: www.gaensekrieg.de