„Wie in einer Schneekugel gefangen“

Duo KaytoBee stellt neues Projekt vor. Heute erscheint die Ballade „SnowGlobe“ als erste Singleauskopplung aus einer neuen EP.

Biggi Binder und Klaus Marquardt schlossen sich zum Duo KaytoBee zusammen. Foto: W. Simon

Biggi Binder und Klaus Marquardt schlossen sich zum Duo KaytoBee zusammen. Foto: W. Simon

Von Marina Heidrich

BACKNANG. Dass die Welt im Augenblick völlig auf den Kopf gestellt ist und sich fast jeder in einer Ausnahmesituation befindet, das betrifft unter anderem in verstärktem Maß auch die Unterhaltungs- und Musikbranche. Verunsicherung, Zukunftsängste, der Kampf ums Überleben – ein geradezu klaustrophobischer Zustand, den Sängerin Biggi Binder eines Tags zu Papier bringt, als sie besonders von einer Krise erfasst wird. Eingesperrt und durchgerüttelt – sie kommt sich vor wie in einer Schneekugel gefangen. So entsteht der Text zu „SnowGlobe“.

Zur selben Zeit sieht sich Klaus Marquardt, Profimusiker, Arrangeur, Komponist und vor allem begnadeter Geiger mit einem Problem konfrontiert, das er bislang so nicht kannte: jede Menge unfreiwillig freie Zeit. Verzweifelter Stillstand. Nichts geht mehr.

Bei einem Gespräch mit Biggi kommt auf einmal das Thema einer zusätzlichen Zusammenarbeit auf. Die beiden sind seit vielen Jahren Mitglieder der Band Wendrsonn. Und dann sprudeln die Ideen. Marquardt setzt das Thema Schneekugel in Töne um, Biggi Binder steuert noch die Gesangslinie bei, und plötzlich hat man wieder ein Ziel.

Der in der Coronazeit entstandene Song wird zur Initialzündung für noch mehr Songs

Der Song ist zu gut, um ihn in der Schublade verschwinden zu lassen. Die beiden beschließen, ins Studio zu gehen. Sie fragen bei der Firma dropD in Waiblingen an. Die gehört Hubertus Amann, den in der Branche alle nur als „Huptus“ kennen. Er hat mit vielen Künstlern zusammengearbeitet. „Das war ein unglaublicher Glücksfall“, meint Klaus Marquardt, „denn Huptus ist ein ganz besonderer Mensch. Er hat uns tatsächlich sein Studio für eine gewisse Zeit kostenlos zur Verfügung gestellt.“ Und nicht nur das. Mit Bassist Paul Harriman, Gitarrist Armin Sabol und Wolf Simon an den Drums stehen exzellente erfahrene Musiker als Studioteam bereit, um das Geiger-Sängerin-Duo zu unterstützen. Mit Mario Simic am Mischpult ist das Team komplett.

„Es war, als würden wir zu einer Reise ins Unbekannte aufbrechen. Auf einmal bekam alles eine Eigendynamik“, Biggi Binder schüttelt immer noch verwundert den Kopf. Was mit einem einzigen Song begann, entwickelte sich während der Studioaufnahmen kontinuierlich zur EP weiter; die Kreativität sprudelte, und plötzlich entstanden quasi nebenbei fünf vollkommen unterschiedliche Stücke. Breit gefächert, von Disco-Funk über Pop-Rock bis hin zum komplexen Edel-Pop im Stil von Prince. Fünf akustische Perlen, von denen jede in einer anderen Farbe schimmert. Alle Musiker brachten sich mit Ideen ein, zum Beispiel wurde eine mit leichter Hand von Paul Harriman skizzierte Basslinie plötzlich zur Grundlage eines weiteren Lieds. Auf die Frage, was sie an der Studioarbeit am meisten beeindruckt hat, muss Biggi Binder nicht lange nachdenken: „Der respektvolle Umgang miteinander“. Klaus Marquardt schätzt besonders die generationenübergreifende Zusammenarbeit. „Da waren alte Hasen und aufstrebende junge Musiker gemeinsam am Werk, und man hat keinen Unterschied gemerkt.“ Besonders genoss das Duo auch die freie Hand, die ihnen gelassen wurde. Produzent Huptus kommentierte Vorschläge stets mit einem aufmunternden „Macht mal!“. Unter der musikalischen Leitung von Klaus Marquardt entsteht so eine EP, die zwangsläufig den Titel „The Journey“ – die Reise – tragen muss.

Zwei rote Fäden ziehen sich allerdings durch sämtliche Kompositionen: Da ist einerseits Klaus Marquardts E-Geige. Mal dominant, intensiv und Gänsehaut erzeugend, mal auf einzelne Soundeffekte reduziert. Immer spannend, immer im Dienste des Gesamteindrucks. Nur ein ausgereifter Musiker wie Marquardt schafft es, sich an den richtigen Stellen zurück zu nehmen und das bei jedem Solisten zwangsläufig vorhandene Ego zum Wohl des großen Ganzen auch mal in den Hintergrund zu stellen.

Auf der anderen Seite ist das songübergreifende Element natürlich Biggi Binders Stimme. Sie darf hier Facetten zeigen, die man von der blonden Frontfrau von Wendrsonn, immerhin eine der beliebtesten und erfolgreichsten schwäbischen Mundart-Folk-Bands, eher selten hört. Nicht nur, dass die charismatische Blondine durchweg englisch singt. Die Sängerin haucht, schnurrt, versprüht Sinnlichkeit, hat – ganz femme fatale – ein erotisches Kratzen in der Stimme. Dann wieder klingt sie melancholisch, zart und verletzlich. Heute erscheint die ätherische Ballade „SnowGlobe“ als erste Singleauskopplung. Im Sommer soll dann der nächste Titel von The Journey starten, eine CD ist ebenfalls geplant.

Was hat sich denn sonst noch Neues ergeben? Klaus Marquardt schmunzelt. „Ich dachte all die Jahre über, ich könnte nicht singen.“ Biggi Binder bricht in schallendes Gelächter aus: „Bis ich ihn vom Gegenteil überzeugt habe.“ Und so darf man sich auf eine weitere Zusammenarbeit des kongenialen Duos freuen, in der auch der „Teufelsgeiger“ nach Jahrzehnten im Musikgeschäft völlig neue Töne anschlägt. Es bleibt spannend.

Musikalische Engagements

Klaus Marquardts Instrument ist die Violine, er hat ein klassisches Studium absolviert. Schon immer war er in vielen musikalischen Genres zuhause, musiziert(e ) live und im Studio unter anderem mit Jon Lord, Miller Anderson, den Fantastischen Vier, Julia Neigel, Anne Haigis, Alfred Kritzer, The News, Stephan Ullmann, Limanja, dem German Pops Orchestra und Wendrsonn. Seine eigenen Bands sind Bluesviolin – The ViolinExperience, Tiny Wings und StrinXup.

Biggi Binder kennen viele Freunde schwäbischer Mundartmusik als Sängerin und Frontfrau von Wendrsonn, Sie ist Gastgeberin bei Roots’n’Branches im Bandhaus-Theater in Backnang, musiziert(e ) mit Markus Stricker, Micha Schad, Heiko Peter, Ove Bosch, Rob Wittmaier, Ingo Schmidinger, Peter Gromer, Georg Kousa, Felix Meyerle, Rolf Kersting, Jean Pierre Barraque, Andy Schoy, Robert Sakic, Calo Rapallo, Barbara Gräsle und Bluesviolin – The ViolinExperience. Ihre eigenen Bands sind Bandhaushausband, Tiny Wings, Hearts and Bones, Wildflower und Wine, Women and Crime. Zudem unterrichtet Biggi Binder an der Jugendmusik- und Kunstschule in Backnang Gesang.

Zum Artikel

Erstellt:
12. März 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen