TV-Tipp: „Das Fest der Liebe“ im Ersten
Wie schlimm kann Weihnachten sein?
In der turbulenten und sehr amüsanten Fortsetzung seiner Improvisationsserie „Das Begräbnis“ schickt Jan Georg Schütte die Mecklenburger Familie Meurer zur angeheirateten Sippe ins Schwabenland: „Das Fest der Liebe“ wird fast wunderbar.
Von Tilmann P. Gangloff
Der Schauspieler Jan Georg Schütte, dem ARD-Publikum als Kollege von Pasquale Aleardi in den bretonischen „Kommissar Dupin“-Krimis bekannt, hat vor knapp zehn Jahren als Autor und Regisseur für seine Improvisationskomödie „Altersglühen – Speed-Dating für Senioren“ (2014) neben viel Anerkennung auch den Grimme-Preis bekommen. Seither darf er für die ARD regelmäßig prominente Kolleginnen und Kollegen zu ähnlichen Anlässen versammeln; es folgten unter anderem „Wellness für Paare“ (2016) und „Klassentreffen“ (2019), jedes Mal mit drei oder vier Dutzend Kameras gefilmt. Die Mitwirkenden kennen jeweils nur ihre eigene Rolle, den Rest müssen sie aus dem Ärmel schütteln. Aus den Hunderten Stunden an Schnittmaterial hat Schütte dann einen Film gebastelt; in der ARD-Mediathek gab’s als Dreingabe eine Serie.
Beim letzten Projekt, „Das Begräbnis“, ist Schütte andersrum vorgegangen: Anfang 2022 zeigte das Erste eine Serie, die die Ereignisse während einer Trauerfeier aus verschiedenen Perspektiven zeigte; der später ausgestrahlte Spielfilm bettete das Geschehen in eine klassische Chronologie. Zentrale Figur war der bodenständige Klempner Mario (Charly Hübner). Bruder Thorsten (Devid Striesow), zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder in der mecklenburgischen Heimat, war dagegen ein aufgrund seiner vielen Luftschlösser hoch verschuldeter Windhund. Dritte im geschwisterlichen Bunde war Sabine (Claudia Michelsen), die als Teenager vor dem Mauerfall nicht von einer Westreise zurückgekehrt ist.
In der Fortsetzung, „Das Fest der Liebe“, besuchen die Meurer-Brüder nun an Weihnachten samt Thorstens Tochter Jaqueline (Luise von Finckh) Sabines angeheiratete schwäbische Mischpoke: Die offenkundig äußerst wohlhabenden Streubles, ebenfalls in der Sanitärbranche tätig, aber nicht als Handwerker, sondern in der Produktion, residieren auf einem Anwesen, das wie ein Schloss wirkt. Entsprechend blasiert ist vor allem Tochter Simone (Lena Klenke), die gegenüber Jaqueline von ihrem beruflichen Erfolg in „L. A.“ prahlt, in Wirklichkeit aber nach wie vor ihrem Vater auf der Tasche liegt. Alexander (Oliver Wnuk) hat eine Auszeichnung der Handwerkskammer bekommen, weil es ihm gelungen ist, mit einer speziellen Muffe die unterschiedlich großen Abwasserrohre in Ost und West miteinander zu verbinden; endlich, heißt es in der Laudatio, wächst auch unter der Erde zusammen, was zusammengehört. Lohn der Mühen war ein zehn Millionen Euro schwerer Auftrag aus China. Mario kommt die bahnbrechende Erfindung allerdings überraschend bekannt vor, weshalb die ohnehin offenkundigen Gegensätze schließlich in Handgreiflichkeiten eskalieren.
Schütte sowie sein Buch- und Regiepartner Sebastian Schultz haben „Das Fest der Liebe“ als Film in vier Teilen à circa vierzig Minuten konzipiert. Die Zeit verfliegt jedoch im Nu, zumal es wie stets ein großes Vergnügen ist, den handelnden Personen dabei zuzuschauen, wie sie sich um Kopf und Kragen reden. Abgesehen von den regelmäßigen Stippvisiten bei Sabine, die keine Lust aufs Familienfest und daher auf dem Rückweg von der Verhandlung mit den Chinesen Zuflucht in einem Lokal gesucht hat (Schütte spielt den philosophischen Wirt), trägt sich die Handlung größtenteils im Streuble-Schloss zu.
Schon allein aufgrund des vielköpfigen Ensembles, zu dem neben Andrea Sawatzki als Alexanders Schwester auch Nicole Heesters als strenge Übermutter und Wolf-Dietrich Sprenger als dementer Vater gehören, ist Abwechslung garantiert. Die beiden Töchter sorgen schließlich dafür, dass das Fest endgültig aus dem Ruder läuft: Weil sich Simone wohlstandsverwahrlost fühlt und zudem die übliche üppige Weihnachtsgratifikation ausbleibt, beschließen die jungen Frauen zur großen Freude der ostdeutschen Brüder, den Streubles einen Denkzettel zu verpassen.
Das Regieduo wird während der Arbeit am Schnitt nicht mit der Stoppuhr hantiert haben, aber die Präsenz der Mitwirkenden scheint halbwegs gleichmäßig verteilt. Trotzdem ist Alexander auch dank Oliver Wnuk eine zentrale Figur: Der neue Chef des Unternehmens will es allen recht machen, wirkt aber mit der kulinarischen Gestaltung des Abends einigermaßen überfordert. Als rauskommt, dass er unter Depressionen leidet, hält Tochter Simone ihn erst recht für ein Opfer. Lena Klenke als Gen-Z-Parodie einer Prinzessin auf der Erbse und Luise von Finckh als proletarisches Pendant machen ohnehin großen Spaß. Falls Schütte und Schultz eine Fortsetzung planen, böte sich als Rahmen ein gemeinsamer Urlaub der beiden Sippen an.
Das Fest der Liebe. Das Erste zeigt die vier Folgen an diesem Samstag, 23. 12., ab 17.15 Uhr, die Serie steht bereits komplett in der ARD-Mediathek.