Wo kein Ball sie je erreicht
Die Wahrheit liegt nicht auf dem Platz: Ehemalige VfB-Spieler erklären uns die Welt.
Anstoß - Die Wahrheit liegt nicht auf dem Platz: Wie uns ehemalige VfB-Spieler die Welt erklären.
Stuttgart Ihr Horizont endet schon längst nicht mehr am gegnerischen Tor. Er reicht darüber hinaus und lässt unter seiner majestätischen Weite selbst „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“ mickrig ausschauen. Fußballer denken heute dorthin, wo kein Ball sie je erreichen wird: in die Sphäre des Geistes, der ohne Videobeweise auskommt, weil das auf Podien gesprochene Wort sowieso immer gilt.
Die Wahrheit liegt also nicht mehr auf dem Platz. Wahrheit und Erkenntnis suchen ehemalige VfB-Spieler jetzt dort, wo sich ihr hochfliegender Geist am stilvollsten manifestieren kann. Vorbei an der Sportsbar dribbeln sie ins Schauspielhaus, ins Theaterhaus und ins Literaturhaus, wo sie in diesen Tagen als altgediente Weißrote die Welt erklären. Punkte sammeln, aber anders als früher – und seinem Wesen gemäß ist einer schon mit Weisheit vorgestürmt,Cacau im Schauspielhaus, der über Heimat sinniert hat. Zwei Heroen folgen noch:Jürgen Klinsmannliefert sich am kommenden Montag im Theaterhaus ein intellektuelles Duell mit Winfried Kretschmann, während Thomas Hitzlsperger am Tag danach mit Denis Scheck zum Metapherntransfer antritt. Ihr Abend im Literaturhaus schwingt sich zu einer kühnen Ball-Analogie auf: „Das Leben ist rund“ – schön wär’s, aber wenn’s einer weiß, dann derVfB-Sportvorstand Hitzlsperger, für den es nicht unrund läuft: Platz 16, mit steigender Tendenz.
Und was bringt der Doppelpass zwischen Klins- und Kretschmann? Virtuos nehmen die beiden Berufsschwaben mit „Kehrwoche in Kalifornien: Über die Mehrzahl von Heimat“ die Steilvorlage von Cacau auf, die wiederum von Timo Hildebrand eingeleitet wurde, der als Schirmherr der „Wochen gegen Rassismus“ zwischen den Pfosten steht. Und nicht zuletzt deren Motto – erraten: – „Heimat“ zeugt von einem blinden Verständnis unter den ehemaligen Mannschaftsteilen des VfB. das ist kein Zufall, schließlich wurden Hildebrand, Cacau und Hitzlsperger 2007 zusammen Meister.
Wir wollen jetzt nichts hochsterilisieren, aber verglichen mit dem, was die Herren heute sind, war das damals doch ein Klacks. Heute feiern sie Triumphe als Großmeister der Debatte – und weit und breit keiner, der ihre Gedankenspiele abpfeifen möchte.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.burkhard-kosminski-der-neue-stuttgarter-theaterintendant-beim-vfb-anrufung-des-fussballgotts.4f5cece3-f94a-44c8-993a-21bcd9f00599.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.talkrunde-im-stuttgarter-theaterhaus-klinsmann-trifft-kretschmann.f561433a-f3cf-4ceb-a217-51576b6fb389.html
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