Buchtipp Innenarchitektur

Wohnen wie die Skandinavier

Klare Formen, gedämpfte Farben, natürliche Materialien – mit minimalistischer Architektur zu Hause lässt es sich dem chaotischen Alltag entfliehen. Dänische Gestalter wie Norm Architects schaffen es sogar, Büroräume in Berlin wohnlich wirken zu lassen.

Die Natur gestaltet mit: „Pavilion House“ in Großbritannien, entworfen von Norm Architects aus Dänemark.

© Gestalten Verlag/Verlag „Soft Minimal“

Die Natur gestaltet mit: „Pavilion House“ in Großbritannien, entworfen von Norm Architects aus Dänemark.

Von Nicole Golombek

Kommt das Thema Minimalismus auf, werden die Menschen gern mal schmallippig, überbieten sich in Verzichtssuperlativen. Wie viele Dinge braucht der Mensch wirklich? Wer kommt mit noch weniger aus?

Dabei kann das Weniger ja auch lustvolles Mehr sein. Räume wirken größer, je weniger Möbel und Staubfänger sich darin befinden. Und sich auf wenige, natürliche Farben und Materialien zu beschränken, hat durchaus nervenberuhigende Wirkung.

Und auch wenn immer wieder ein Revival des 80er-Jahre-Memphis-Stils mit vielen knalligen Farben und Mustern ausgerufen wird, hält sich der Schick der Zurückhaltung hartnäckig und erfolgreich. Zumal in Zeiten wie diesen, wo die Zumutungen und Strapazen der Corona-Pandemie noch nicht überwunden sind und schon seit über einem Jahr täglich Kriegsnachrichten aus der Ukraine dauerhaft erschrecken.

Auch auf den nun wieder stattfindenden Möbelmessen sind die Stände von Firmen wie Fritz Hansen, Muuto, Hay, &tradition und anderen skandinavischen Herstellern diejenigen, deren sorgsam inszenierte Interieurs, Möbel, Accessoires danach am häufigsten in Hochglanzmagazinen und auf Internet-Plattformen wie Instagram zu sehen sind.

Wie das minimalistische Design ganz sinnlich, undogmatisch und doch konsequent funktioniert, zeigen Architekten und Designer, die sich mit japanischen und nordischen Gestaltungstraditionen befassen. Viel Holz, Stein, Schattierungen von Braun, Beige, Grau. Klare Linien, kaum Ornament.

Selbst Gebrauchsgegenstände wie Teekannen, Vasen, Schalen sind vorsichtig arrangiert und zwar frei nach dem japanischen „tokonoma“-Konzept. Die Dinge mit ihren rein geradlinigen Formen werden so platziert, dass sie Licht einfangen, aber die Architektur nicht stören. Ursprünglich bezeichnet Tokonoma (der Begriff kam im 14. Jahrhundert auf) einen kleinen Erker im klassischen japanischen Haus, in dem religiöse Gegenstände aufbewahrt werden.

Soft Minimal heißt das west-östliche Gestaltungsprinzip beim erfolgreichen Büro Norm Architects aus Dänemark, gegründet im Jahr 2008 von Jonas Bjerre-Poulsen und Kasper Rønn. Über ihre Arbeit und ihre Inspiration haben sie (in englischer Sprache) nun auch ein bilderreiches und eindrucksvolles Buch veröffentlicht, das ebenfalls den Titel „Soft Minimal“ trägt und viele Beispiele ihrer Arbeit auf fein mattiertem Papier versammelt.

Zarte Maserung im Marmor

Dezidiert an alte Gestaltungsheroen aus Fernost und heimische Handwerkstraditionen anknüpfend, hat das Büro atemberaubend kalmierende Interieurs und Wohnhäuser geschaffen. Eine zarte Maserung im Marmor, das Muster im Fischgrät-Eichenholzparkett, ein subtiles Schattenspiel ist oft schon das Maximum an Aufgeregtheit in der Gestaltung.

Im Jahr 2022 entstand zudem auf dem Boulevard Unter den Linden in Berlin mit dem „Linden Palais TOG“ in bester Lage ein mietbares Büro. Ein nobler „Workspace“ mit ein bisschen Beton und umso mehr Holz, Marmor und Messing. Parkettböden, Holztische, Stühle mit Rohrgeflecht, Rückzugsräume mit einem feinen brombeerdunklen Sofa und Sesseln und hellen Sitzgruppen, (bei den Farben orientierte man sich an der Eingangsdecken des 1908 entstandenen Gebäudes). Da würde man vermutlich selbst auf eine nervtötenden Konferenz mit kaum mehr als einem nervösen Zucken der Mundwinkel reagieren.

Ruhige Bedachtsamkeit

Geradlinigkeit, Schlichtheit, Zeitlosigkeit und ein Hang zum Sakralen umfängt solche Räume, egal, ob dort gearbeitet oder gewohnt wird. Aber nichts wird als pompöser Einschüchterungsraum inszeniert, der kaltes Staunen hervorruft, sondern immer mit ruhiger Bedachtsamkeit. Und unter Einbezug der Natur. Wald, Felder, Küstenlandschaften sind ja Teil der Gestaltung in den Häusern, die in Schweden, England, Spanien, Dänemark entstehen.

Sofort möchte man sich dort auf die mit grauem Filz bezogenen Bänke legen und beim Blick aus den großen Fenstern das natürliche tableau vivant beobachten. Und falls einem das leise Blätterrauschen zu anstrengend wird (oder falls man sein minimalistisches Domizil nicht auf dem Land, sondern mitten in der Stadt bezogen hat), die Leinenvorhänge zuziehen und in sanftem Braun, Grau, Beige den Rückzug von der Welt zelebrieren.

Das Buch

Soft Minimalvon Norm Architects. A Sensory Approach to Architecture & Design. Texte auf Englisch. Gestalten Verlag, Berlin. 303 Seiten, 60 Euro.

Holzhaus „Archipelago House“ in Schweden, entworfen  von Norm Architects aus Dänemark.

© Gestalten Verlag

Holzhaus „Archipelago House“ in Schweden, entworfen von Norm Architects aus Dänemark.

Nuancen in Grau: Blick in das „Vedbaek House II“ in Dänemark, von Norm Architects.

© Gestalten Verlag

Nuancen in Grau: Blick in das „Vedbaek House II“ in Dänemark, von Norm Architects.

Interieur in warmen Erdfarben: „The Audo“, Dänemark.

© Gestalten Verlag

Interieur in warmen Erdfarben: „The Audo“, Dänemark.

Die hier gezeigten Bilder stammen aus dem  Buch „Soft Minimal“ von Norm Architects erschienen im Gestalten Verlag Berlin (Texte in englischer Sprache), 303 Seiten, 60 Euro. Das Buch stellt den Gestaltungsansatz der dänischen Architekten und Designer in Text und vielen Bildern vor.

© Gestalten Verlag

Die hier gezeigten Bilder stammen aus dem Buch „Soft Minimal“ von Norm Architects erschienen im Gestalten Verlag Berlin (Texte in englischer Sprache), 303 Seiten, 60 Euro. Das Buch stellt den Gestaltungsansatz der dänischen Architekten und Designer in Text und vielen Bildern vor.

Norm Architects haben im Jahr 2022 auch ein Office Space in Berlin namens „TOG“ ausgestattet. Arbeiten mit Blick auf die Linden und . . .

© Norm Architects

Norm Architects haben im Jahr 2022 auch ein Office Space in Berlin namens „TOG“ ausgestattet. Arbeiten mit Blick auf die Linden und . . .

. .. mit Besprechungsräumen, die eher an ein behagliches Wohnzimmer erinnern als an ein Büro.

© Norm Architects

. .. mit Besprechungsräumen, die eher an ein behagliches Wohnzimmer erinnern als an ein Büro.

Das mietbare Büro, situiert am Boulevard Unter den Linden, verfügt auch über eine Küche und. . .

© Norm Architects

Das mietbare Büro, situiert am Boulevard Unter den Linden, verfügt auch über eine Küche und. . .

. . . über Arbeitsplätze mit viel Holz und Eichenparkett.

© Norm Architects

. . . über Arbeitsplätze mit viel Holz und Eichenparkett.

Bei der Farbgebung und Materialauswahl haben sich die Architekten und Innenarchitekten von dem Eingangsbereich des Gebäudes inspirieren lassen.

© Norm Architects

Bei der Farbgebung und Materialauswahl haben sich die Architekten und Innenarchitekten von dem Eingangsbereich des Gebäudes inspirieren lassen.

In Kopenhagen haben Norm Architects 2022 für eine Familie ein Zuhause mit Blick aufs Wasser und den Hafen renoviert. Details des alte Hauses wurden renoviert und  mit zeitgemäßen Elementen neu interpretiert. Die alten Fenster wurden durch größere ersetzt „für einen großartige Aussicht“, wie  Sofie Thorning von  Norm Architects erklärt.

© Norm Architects

In Kopenhagen haben Norm Architects 2022 für eine Familie ein Zuhause mit Blick aufs Wasser und den Hafen renoviert. Details des alte Hauses wurden renoviert und mit zeitgemäßen Elementen neu interpretiert. Die alten Fenster wurden durch größere ersetzt „für einen großartige Aussicht“, wie Sofie Thorning von Norm Architects erklärt.

Ruhige Beigetöne im Wohnbereich ermöglichen einen Rückzug vorm geschäftigen Alltagschaos.

© Norm Architects

Ruhige Beigetöne im Wohnbereich ermöglichen einen Rückzug vorm geschäftigen Alltagschaos.

Marmor wie bei der Kücheninsel findet sich auch an anderen Orten im Haus, etwa  . . .

© Norm Architects

Marmor wie bei der Kücheninsel findet sich auch an anderen Orten im Haus, etwa . . .

. . .  im Badezimmer. . .

© Norm Architects

. . . im Badezimmer. . .

. . . und dem Waschtisch.

© Norm Architects

. . . und dem Waschtisch.

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Erstellt:
12. April 2023, 15:42 Uhr
Aktualisiert:
12. April 2023, 16:11 Uhr

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