Zehn individuelle Stile der Backnanger Künstlergruppe in einer Ausstellung
Mit einer Doppelausstellung blickt die Backnanger Künstlergruppe auf ihr 35-jähriges Bestehen zurück. In der Galerie der Stadt Backnang sind von heute an die Werke von zehn Künstlerinnen und Künstlern der Gruppe zu sehen. Im TOM wird dazu die Ausstellung wöchentlich gewechselt.
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. 2022 – für die Kunst in Backnang ist das ein bedeutsames Jahr. Nicht nur, dass die Galerie der Stadt ihr Vierteljahrhundert feiern kann. Aus diesem Anlass bieten gut 100 Plakate einen Rückblick auf 105 Ausstellungen in 25 Jahren. Zudem blickt die Backnanger Künstlergruppe auf 35 Jahre Bestehen zurück und präsentiert die Werke von zehn ihrer Künstlerinnen und Künstler über die drei Stockwerke des ehemaligen Turmschulhauses verteilt.
Da ist einmal Gregor Oehmann, vielen bekannt durch Professor Pröpstls Puppentheater. Zwei seiner gewaltigen Holzdrucke in vollkommen unterschiedlicher Farbigkeit laden zum Betrachten ein. Einmal kräftig und satt, einmal nebulös mit fast sphärischer Anmutung. „Hier sieht man, wie man mit Holzschnitt spielen kann“, weist Galerieleiter Martin Schick auf das vollkommen unterschiedliche Ergebnis einer Ausgangsbasis hin.
Verquickt werden Historie und Gegenwart, Mythos und Realität
Gilbert Peckels kommt aus dem Grafikdesign und hat als Illustrator gearbeitet. Das klingt bei seinen Werken durch: Schwarze, kräftige Strukturen, die auf den ersten Blick einen Druck vermuten lassen, sind zu sehen, doch alles ist Pinselwerk. Schwarze Linien und Punkte, zarte, flächige, fein nuancierte Grauabstufungen – die Verbindung von beidem gibt den Bildern Tiefe. Auch etwas Comichaftes schwingt mit, besonders bei der verhüllten Figur, die im Werk „Jump“ wie aus dem Bild hinaus zum Betrachter springen möchte.
„Das ist ein typisches Bild für Ernst Hövelborn“, so beschreibt Schick das viel Raum einnehmende Gemälde des Künstlers. Kreta ist das Thema des Werks, bestehend aus drei Teilen, die sich farblich voneinander absetzen und dennoch zusammengehören. Verquickt werden Historie und Gegenwart, Mythos und Realität.
Ein künstlerischer Versuch im Angesicht dieses Krieges in Europa
Flugzeuge faszinieren Herbert Seybold seit seiner Kindheit. „Ein künstlerischer Versuch im Angesicht dieses Krieges in Europa“, so erläutert Seybold die Ausgangsbasis seiner Ausstellungsstücke. Das Gold, das er verwendet, dient dabei als Hinweis auf den doppeldeutigen „teuren Frieden“, die Fortsetzung des überwunden geglaubten Kalten Krieges, Aufrüstung, die wieder zum Thema geworden ist.
Ein beherrschendes Thema ist für Kurt Entenmann der Wald, der so ewig wirkt und doch vergänglich ist, was durch die Bewegungsunschärfe seiner kaum bearbeiteten Fotografien herausgearbeitet ist. Wer genauer hinschaut, sieht verschiedene, sich eigentlich widersprechende Aspekte – was weiter weg ist, hat scharfe Konturen, was im Vordergrund steht, geht ineinander über, vermischt sich miteinander. „Die Vergänglichkeit überhaupt auf der Welt“, das beschäftigt Entenmann und findet seine Entsprechung in einem runden Abbild, das fast schwindelig macht: „Es dreht sich immer schneller und unsere Zeit genauso“, erklärt der Künstler.
„Eigentlich wollte ich schon immer ein Gebilde machen aus Malerei, Dreidimensionalität und Zeichnung“, sagt Ernst Keller. Das gelingt, wenn auch für ihn noch nicht so ganz zufriedenstellend, durch den großzügigen und dicken Auftrag der kräftigen, leuchtenden Farben in satten Grün- und Blautönen, die Erhebungen, Einritzungen und vielerlei Strukturen zeigen.
„Das sind Objekte, die ich hier alle in der Umgebung gesehen habe. Das waren für mich keine Heuballen, sondern Kunstobjekte in der Landschaft“, beschreibt Sieghart Hummel seine Fotografien. Das Weiß der Verpackung hat es ihm damals, 2007, angetan und zum Fotografieren verführt. Das gleiche Motiv aus unterschiedlichen Blickwinkeln ermöglicht eine vollkommen neue Sicht auf etwas eigentlich Alltägliches.
Die Werke haben etwas gemeinsam: Ein oberflächlicher Blick reicht nicht aus
Rainer Vogt habe schon immer gerne Porträts gemalt, erläutert Galerieleiter Martin Schick, vor allem von Personen, die viel Macht hätten. Dabei verfremdet er diese durch die kräftigen bunten Pinselstriche, die sich sowohl in den Gesichtern als auch im Hintergrund wiederfinden, arbeitet die (Macht-)Position, die der Porträtierte ausstrahlt oder die Vogt ihm zuschreibt, zum Teil bis ins Karikaturenhafte aus, überspitzt und verfremdet es.
Weiter geht es mit verschiedenen Collagetechniken, mit denen Elke Vetter experimentiert. Das können textile Elemente sein, selbst bedrucktes Papier, vervielfältigte Zeichnungen, die immer wieder auftauchen. „Spannend ist es immer, wenn ich etwas Neues probiere – wie klebe ich etwas auf? Wie passen die Materialien zusammen?“, sagt sie. Außer den Werken hinter Glas präsentiert Vetter noch eine Parade bunter Draht- und Schachtelobjekte, die durch ihre Farbigkeit und die Lockerheit der Drahtfiguren eine ganz besondere Fröhlichkeit und Leichtigkeit ausstrahlen.
Eine unglaubliche Vielseitigkeit künstlerischen Schaffens bietet sich den Blicken der Kunstinteressierten auf den drei Ebenen im alten Turmschulhaus. Eine Gemeinsamkeit verbindet die Werke – ein oberflächlicher Blick reicht bei Weitem nicht aus, sei es, um die tatsächlich gewählte Technik zu ergründen, sei es, um die Feinheiten der Gestaltung zu entdecken, Verbindungen zu finden oder Details wahrzunehmen. Und damit passt die Ausstellung hervorragend in die heutige Zeit, in der man durch stetiges Hinterfragen der Gegebenheiten den eigenen Betrachtungswinkel gegebenenfalls zu ändern vermag.
Gründung Elke Vetter gehört zu den Gründungsmitgliedern der Backnanger Künstlergruppe. Als sie in die Gegend zog, war „Backnang eher eine Arbeiterstadt“, wie sie sich erinnert, und sie fand: „Es muss mehr Kunst in die Stadt.“ Sie selbst ist seit 1987 dabei, ebenso wie noch vier weitere Mitglieder.
Galerie In den 1990er-Jahren gab es mehrere Projekte der Gruppe im alten Turmschulhaus. Man habe der Stadt zeigen wollen, dass man hier eine Galerie einrichten könne, erinnert sich Vetter. Offensichtlich sah Backnang das ebenso, seit 1997 ist die Galerie unter Leitung von Martin Schick etabliert. Alle fünf Jahre stellt seither die Backnanger Künstlergruppe aus.
Jubiläumsausstellung Die Plakate zu den bisherigen 105 Ausstellungen wurden bis 2002 vor allem von Gert Albrecht, einem Stuttgarter Grafikdesigner, entworfen, seit 2003 von Grafikdesigner Volker Kühn, ebenfalls in Stuttgart ansässig. Manche Plakate wurden auch von den Künstlern selbst entworfen, etwa von Neo Rauch für die Ausstellung 1998.
Erweiterung Die Schau der Backnanger Künstlergruppe hat eine externe Erweiterung im TOM, dem vom Backnanger Bildhauer Norbert Kempf errichteten Gebäude am Bahnübergang beim ehemaligen Spinnereibahnhof, Spinnerei 2 in Backnang. Jeden Sonntag wechselnd zeigen einige Mitglieder der Backnanger Künstlergruppe auch dort ihre Werke. Das TOM ist immer sonntags zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet. Die Termine im Einzelnen sind: 17. Juli mit Ernst Hövelborn und Herbert Seybold, 24. Juli mit Elke Vetter, 31. Juli mit Kurt Entenmann, 7. August mit Ernst Keller und 14. August mit Ursula Draxler. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen und am ersten Termin, dem 17. Juli, auch Livemusik vom „Trio toM“.
Weitere Informationen zum TOM gibt es unter 0152/04934675 oder auf Instagram: @spinnerei2
Klanginstallation Neben den Werken der Künstlergruppe und den Plakatzeitzeugen ist bis zum 14. August noch die Klanginstallation „Twinkle for P.Z.“ von Olga Neuwirth und Peter Conradin Zumthor zu sehen und zu hören.
Ausstellungseröffnung Die Vernissage findet am heutigen Freitag um 20 Uhr statt, die Ausstellung bleibt bis zum 14. August geöffnet. Alle weiteren Informationen dazu findet man im Internet unter: www.galerie-der-stadt-backnang.de