Zeitlose Gedichte, spannende Vertonungen
Mit Chansons nach Liebesgedichten von Mörike und anderen Dichtern gastiert das Duo Peter Schindler und Sandra Hartmann im ersten literarischen Salon der Spielzeit 2022/2023 im Backnanger Bürgerhaus. Immer wieder gibt es großen Beifall und Bravorufe.
Von Miklós Vajna
Backnang. Unter dem Titel „Rosenzeit“, in Anlehnung an das gleichnamige Gedicht aus dem Roman „Maler Nolten“ von Eduard Mörike, fand ein sehr unterhaltsamer Chansonabend mit Sandra Hartmann, Gesang, und Peter Schindler, Komposition und Klavier, im Backnanger Bürgerhaus statt. Neben den vorab angekündigten Liebesgedichten gab es auch andere neu vertonte Gedichte von Eduard Mörike, so zum Beispiel Geistergedichte und schauerliche Balladen, passend zum nahenden Halloween. Texte von Walther von der Vogelweide und Paul Fleming ergänzten das Programm, die einfühlsame Lichtregie unterstützte überdies mit bereichernden und punktgenauen Farbsituationen.
Laura Reich, stellvertretende Kulturamtsleiterin und Leiterin des Backnanger Bürgerhauses, begrüßte ein handverlesenes Publikum im reduziert gestuhlten großen Saal zur ersten Veranstaltung in der Reihe „Der literarische Salon“. Sie wies unter anderem darauf hin, dass der Programmzettel erst am Ende des Konzerts am Ausgang erhältlich sei. Ein möglicher Grund hierfür war wohl die Hoffnung auf einen möglichst reibungs- und geräuscharmen Ablauf des geplanten Konzertvideomitschnitts. Gerade für den Nichtexperten in Sachen Mörikegedichte aber wären die Texte zum Mitlesen hilfreich gewesen, auch wenn die Textverständlichkeit der Sängerin auf hohem Niveau war.
Mörike wird von manchen als der vielleicht bedeutendste deutsche Lyriker nach Goethe bezeichnet. Bekannt sind neben seiner Prosa vor allem Gedichte, die auch schon zu seinen Lebzeiten vertont wurden, unter anderen von Hugo Wolf und Robert Schumann und von Komponisten der Moderne. Seine Gedichte sind immer noch aktuell, und so liegt es nahe, sie in einem aktuellen Gewand erscheinen zu lassen, zum Beispiel in einer Musiksprache aus Jazz und Pop. Peter Schindler, der Komponist, war fasziniert von den Mörikegedichten und hat eine ganze Reihe davon vertont. Dabei übernimmt er für seine Melodienbildung und sein formales Konzept bei vielen Gedichten den Text in der vorgegebenen Abfolge und kombiniert ihn mit dem passenden Musikstil, bei den kurzen Gedichten jedoch nimmt er den Text in seine Einzelteile auseinander und wiederholt und vermischt mehrere Male die einzelnen Bestandteile, um ein längeres Lied zu erhalten. So geschehen bei dem Einstiegsstück „Er ist’s“ („Frühling lässt sein blaues Band“). Leider leiden bei diesem Vorgehen der rhythmische Fluss der Vorlage und die Verständlichkeit und Schönheit des Inhalts.
Seine musikalischen Mittel kommen aus der Filmmusik, einem gemäßigten, eingängigen Jazz mit Anleihen aus Klezmer und Latin sowie Rock- und Popballaden. Er hat den Klavierpart bis ins feinste Detail ausgearbeitet und mit vielen Gegenmelodien, Rhythmen und massigen Klängen opulent befrachtet. Deshalb war die Klangsituation bei seinem überaus energiereichen Vortrag in der Klavierbegleitung teilweise sehr wuchtig, sodass die Sängerin sich manchmal nur dank der guten Klangverstärkung per Mikrofon durchsetzen konnte.
In puncto Enthusiasmus und kraftvollem Einsatz stand die Gesangsdarbietung von Sandra Hartmann ihrem Klavierpartner in nichts nach. Mit mitreißendem, bezauberndem und immer hoch spannendem Vortrag zog sie schon sehr früh das faszinierte Backnanger Publikum in ihren Bann und ließ es bis zum Ende des Abends nicht mehr los. Sie zieht alle mimischen und schauspielerischen Register und beherrscht viele Facetten der Gefühlsdarstellung: unschuldig, schmachtend, schwärmerisch verliebt, mit bedeutungsvollen Blicken und funkelnden Augen, kokett verführerisch und mit frivolen Gesten, aber auch schmerzlich gebrochen flüsternd, zischelnd, gruselnd und dämonisch, und schließlich überzeugend großartig und triumphal. Dabei sind die Freude und der Spaß am Vortrag und Darstellen und auch eine gesunde Selbstironie immer spürbar. Stimmlich singt sie in der Tradition der Chanson- und Varietésängerinnen: gradlinig, schnörkellos aber variabel, meist ohne Vibrato, und, wo vom Ausdruck gefordert, mit schneidendem Stahlglanz in der Stimme. Und wenn es nötig ist, packt sie auch mal die große Opernstimme aus.
Es gab immer wieder großen Beifall und Bravorufe, und für den Nachhauseweg noch drei kurze witzige Zugaben mit einer sängerischen Einlage des Pianisten.