Schleuser-Razzien auch in Baden-Württemberg
13 Festnahmen – Polizei gelingt Schlag gegen Schlauchboot-Mafia
Sie setzen Migranten in untaugliche Schlauchboote und kassieren dafür ab: Über 500 Polizisten haben auch im Südwesten Räume einer kurdisch-irakischen Schleuserbande durchsucht – und sind reichlich fündig geworden.
Von Jürgen Bock
Es ist eine der größten länderübergreifenden Polizeiaktionen der jüngeren Vergangenheit. Am Mittwoch durchsuchen über 500 Einsatzkräfte der Bundespolizei in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Häuser und Lagerräume. Unterstützt werden sie von mehr als 20 französischen Kollegen und Europol-Experten, denn im Nachbarland laufen die Fäden der Ermittlungen zusammen. Es geht um diejenigen, die miese Geschäfte mit der Not vieler Menschen machen: Schleuser.
Im aktuellen Fall geht es um eine Bande mit mafia-ähnlichen Strukturen und einem kurdisch-irakisch-syrischen Hintergrund, die auch von Deutschland aus agiert. Die Gruppe soll nach Angaben von Europol vom Donnerstagabend minderwertige Schlauchboote aus der Türkei in die EU gebracht haben. Gelagert wurden sie teils in Deutschland. Der Zweck: Mit diesen Booten werden regelmäßig Migranten von Frankreich über den Ärmelkanal in Richtung Großbritannien geschickt. Ein nicht nur illegales, sondern auch lebensgefährliches Unterfangen. Die Zielgruppe sind im Fall dieser Schleusergruppe offenbar Geflüchtete aus Ostafrika und dem Mittleren Osten.
Gesucht wurden nach Informationen unserer Zeitung in Deutschland mehr als zehn Personen, die mit europäischem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben waren, darunter zwei aus Baden-Württemberg. Der Schwerpunkt der Aktion lag demnach im Ruhrgebiet. Offenbar konnten die meisten Verdächtigen dingfest gemacht werden: Europol berichtet von 13 Festnahmen, acht davon in Deutschland. Einer von ihnen soll einer der Drahtzieher sein. Ob sich auch die Gesuchten aus Baden-Württemberg darunter befinden, stand zunächst nicht sicher fest. 15 Häuser und zehn Lagerräume wurden in Deutschland durchsucht.
Dabei stießen die Fahnder noch auf einiges mehr. Sie stellten 21 aufblasbare Boote sicher, 24 Motoren, außerdem jede Menge Zubehör wie Westen und Luftpumpen. Außerdem zogen sie nach Angaben von Europol 70 000 Euro Bargeld, Gold im Wert von über 5000 Euro und über 40 elektronische Geräte ein, die nun ausgewertet werden.
Über 70 Tote allein in diesem Jahr
Die Menschenschleusung in Richtung Großbritannien mittels kleiner Schlauchboote hatte in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Über 70 Menschen haben dabei allein in diesem Jahr ihr Leben verloren. Die Banden stehen mittlerweile aber unter erhöhtem Fahndungsdruck. Erst im Februar hatte es in vier Bundesländern einen großen Polizeieinsatz gegen ein irakisch-kurdisches Schleusernetzwerk gegeben. Nach damaligen Angaben von Europol waren mehr als 15 Haftbefehle vollstreckt worden.