15 Regionen wollen Pioniere für Mobilitätspass werden

dpa/lsw Stuttgart. Es ist ein ehrgeiziger Plan: In zehn Jahren sollen Busse und Bahnen doppelt so viele Menschen transportieren wie zurzeit. Doch besonders auf dem Land ist es oft schwierig, das Auto stehen zu lassen. Es geht langsam voran.

Es soll ein erster Schritt hin zur geplanten „Mobilitätsgarantie“ im öffentlichen Nahverkehr in Baden-Württemberg sein: Insgesamt 15 Regionen haben sich dafür beworben, Modellkommune bei der Einführung des sogenannten Mobilitätspasses zu werden, wie das Verkehrsministerium am Freitag in Stuttgart mitteilte. Das heißt, sie wollen mit Hilfe einer Nahverkehrsabgabe den Takt von Bussen und Bahnen massiv ausweiten.

Nach Angaben des Ministeriums haben sich der Kreis Biberach, der Kreis Calw, die Stadt Freiburg, der Landkreis und die Stadt Karlsruhe, der Ortenaukreis, die Stadt Offenburg, der Ostalbkreis, die Stadt Reutlingen, der Rhein-Neckar-Kreis sowie der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart beworben. Letzterer steht stellvertretend für die Kreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, Rems-Murr und die Landeshauptstadt Stuttgart. Wer zum Zug kommt, soll demnächst entschieden werden.

Ziel der grün-schwarzen Landesregierung ist es, dass im Jahr 2030 alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind - das ist vor allem auf dem Land eine große Herausforderung. Man müsse im ländlichen Raum weg von der „extremen Fixierung aufs Auto“, sagte Minister Winfried Hermann (Grüne) bei einem Online-Forum zur Verkehrswende.

Bis zum Jahr 2030 sollen doppelt so viele Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wie 2010. Sonst werde es nicht gelingen, Baden-Württemberg bis 2040 klimaneutral zu machen, erklärte Hermann. Legt man die Zahlen des Statistischen Landesamts zugrunde, ist es aber noch ein weiter Weg dahin. Die Beförderungsleistung in Baden-Württemberg betrug demnach im Jahr 2010 etwa 8,6 Milliarden Personenkilometer und im Jahr 2019 ungefähr 9,4 Milliarden Personenkilometer.

Um den Ausbau zu finanzieren, soll nach den Vorstellungen des Landes unter anderem den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, eine Nahverkehrsabgabe - auch „Mobilitätspass“ genannt - einzuführen. Kommunen könnten entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten. Bei einem Modellversuch in vier Kommunen waren Monatsbeiträge von 10 bis 57 Euro im Gespräch. Das Land rechnet damit, dass mit der Abgabe 800 Millionen Euro in die kommunalen Kassen gespült werden könnten. Damit könnten die Kommunen das Angebot im Nahverkehr ausweiten und die Tickets günstiger anbieten.

Hermann will darüber hinaus mit einem Bündel von Maßnahmen dafür sorgen, dass die Menschen im ländlichen Raum nicht mehr so stark auf das Auto angewiesen sind. Mehr als die Hälfte der Haushalte auf dem Land habe zwei Autos oder mehr. „Das ist einfach ein ziemlich hoher Standard.“ Neben einem engeren Takt für Busse und Bahnen, Carsharing und besserer Dorfentwicklung brauche es einen „Bewusstseinswandel“ bei den Menschen auf dem Land. „Es ist nötig, dass wir die vielen Autos besser nutzen.“ So müssten die Möglichkeiten zum Mitfahren verbessert werden.

Wenn das Land bis 2040 klimaneutral sein wolle, müsse auch der Verkehrsbereich deutlich weniger Kohlendioxid ausstoßen. Der Appell „Bitte wenden“ richte sich an Kommunen und Bürger. Hermann bekräftigte, in dieser Wahlperiode bis 2026 wolle man es schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt. In der zweiten Stufe nach 2026 soll dann den ganzen Tag gelten, dass im Ballungsraum der Viertelstundentakt gemacht wird und im ländlichen Raum der Halbstundentakt.

Um das Ziel zu erreichen, müssten Bund, Land und Kommunen mehr Geld in die Hand nehmen. Er habe Signale, dass die angehenden Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP im Bund, die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehrsausbau erhöhen wollten. Aber auch die Kreistage müssten mehr investieren, wenn man Klimaschutz und eine gutes Verkehrsangebot zusammenbringen wolle.

© dpa-infocom, dpa:211119-99-65272/2

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Erstellt:
19. November 2021, 15:38 Uhr

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