Ältester christlicher Fund nördlich der Alpen

1800 Jahre alte Frankfurter Silberinschrift ist eine Sensation

In einem Grab finden Archäologen ein Skelett mit einem Amulett um den Hals. Die darin enthaltene Schriftrolle werten sie als Sensationsfund. Die Botschaft wurde entziffert, ohne sie zu entrollen.

Die als archäologisch bedeutsam eingestufte „Frankfurter Silberinschrift“ wird in einer Vitrine präsentiert. Die nur rund 3,5 Zentimeter große, eng aufgerollte Silberfolie war in ein Amulett eingerollt bei Grabungen gefunden worden.

© dpa/Boris Roessler

Die als archäologisch bedeutsam eingestufte „Frankfurter Silberinschrift“ wird in einer Vitrine präsentiert. Die nur rund 3,5 Zentimeter große, eng aufgerollte Silberfolie war in ein Amulett eingerollt bei Grabungen gefunden worden.

Von Markus Brauer/dpa

Der Gegenstand ist klein, seine Bedeutung umso größer: Archäologen haben in Frankfurt ein Amulett gefunden, das nach Einschätzung von Wissenschaftlern Einfluss hat auf die Geschichte des Christentums in Nordeuropa.

2018 in Praunheim gefunden, mühsam konserviert und schließlich mithilfe modernster Computertomographie-Technik entschlüsselt: Heute dürfen wir euch einen wahren Sensationsfund vorstellen! Was ihr über die „Frankfurter Silberinschrift“ wissen müsst https://t.co/omxqTPETcJpic.twitter.com/apw1vyivaG — Frankfurt am Main (@Stadt_FFM) December 11, 2024

Nach Angaben der beteiligten Wissenschaftler handelt es sich bei dem Amulett um den frühesten christlichen Fund nördlich der Alpen. Gefunden wurde das Silberamulett bereits 2018 bei Ausgrabungen im Frankfurter Stadtteil Praunheim.

Dort lag einst die römische Stadt Nida. In einem Grab fand man ein Skelett, das ein 3,5 Zentimeter großes Silberamulett um den Hals trug. Der Mann wurde zwischen 230 und 270 n. Chr. dort bestattet.

Mit modernster Technik digital entrollt

In der Rolle befand sich eine hauchdünne Silberfolie mit einer Inschrift, die erst 2024 entschlüsselt wurde. Weil sie so brüchig war, dass sie beim Aufrollen zerfallen wäre, baten die Frankfurter das Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz um Hilfe.

Dort wurde das Papier mit Hilfe eines Computertomografen „digital entrollt“, wie Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) erklärt. Danach musste der nahezu unleserliche Text „wie ein Puzzle“ entschlüsselt werden.

Die Inschrift umfasst 18 Zeilen in lateinischer Schrift, die Jesus Christus preisen: „Heilig! Heilig! Heilig!“ Laut Markus Scholz, Professor für Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen an der Frankfurter Goethe-Universität, handelt es sich um das älteste christliche Zeugnis nördlich der Alpen.

Erster Christ nördlich der Alpen?

Solche Amulette – sogenannte Phylakterien – sollten den Träger beschützen, wie Archäologe Scholz erläuterte. In vergleichbaren Funden werden meist verschiedene Götter angerufen und verschiedene Schriften verwendet.

Die Frankfurter Silberinschrift ist allein in Latein verfasst und bezieht sich nur auf Christus. Im 3. Jahrhundert, als Christen noch verfolgt wurden, sei es ein Risiko gewesen, sich zu dieser Religion zu bekennen. „Einem Mann aus Frankfurt war sein Glaube jedoch offenbar so wichtig, dass er ihn mit ins Grab nahm.“

„Der erste Christ nördlich der Alpen war ein Frankfurter“, erklärt Planungsdezernent Marcus Gwechenberger. Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) spricht von einem „Sensationsfund“.

Info: Die „Frankfurter Silberinschrift“ übersetzt ins Deutsche

Archäologie-Puzzle Wie bei einem Puzzle hat der Archäologe und Experte für lateinische Inschriften Markus Scholz von der Frankfurter Goethe-Universität sich an die Arbeit gemacht und schließlich die 18 Zeilen der „Frankfurter Silberinschrift“ entschlüsselt. „Manchmal hat es Wochen, ja Monate gedauert bis ich den nächsten Einfall hatte. Ich habe Fachleute unter anderem aus der Theologiegeschichte hinzugezogen und Stück für Stück haben wir uns gemeinsam dem Text genähert und ihn letztlich entziffert“.

Original und Ergänzungen Durch die Bodenlagerung gingen einzelne Randpartien verloren. Die Ergänzung der betreffenden Textpassagen bleibt diskutabel. Außergewöhnlich ist, dass die Inschrift komplett auf lateinisch gehalten ist. „Das ist ungewöhnlich für diese Zeit. Normalerweise waren solche Inschriften in Amuletten auf Griechisch oder Hebräisch verfasst“, erklärt Scholz. Zudem ist der Text sehr ausgefeilt. Der Verfasser muss ein elaborierter Schreiber gewesen sein.

Rein christlich Ungewöhnlich ist, dass es in der Inschrift keinen Hinweis auf einen anderen Glauben neben dem Christentum gibt. Normalerweise ist bis ins 5. Jahrhundert hinein bei Edelmetallamuletten dieser Art immer eine Mischung verschiedener Glaubensrichtungen zu erwarten. Oftmals finden sich noch Elemente aus dem Judentum oder heidnische Einflüsse. Doch in diesem Amulett werden weder Jahwe, der allmächtige Gott des Judentums, noch die Erzengel Raphael, Gabriel, Michael oder Suriel erwähnt, keine Urväter Israels wie Isaak oder Jakob. Und auch keine heidnischen Elemente wie Dämonen. Das Amulett ist rein christlich.

Inhalt Die „Frankfurter Silberinschrift“ übersetzt ins Deutsche: „(Im Namen?) des Heiligen Titus. Heilig, heilig, heilig! Im Namen Jesus Christi, Gottes Sohn! Der Herr der Welt widersetzt sich nach [Kräften?] allen Anfällen (?)/Rückschlägen (?). Der Got t(?) gewährt dem Wohlbefinden Eintritt. Dieses Rettungsmittel (?) schütze den Menschen, der sich hingibt dem Willen des Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn, da sich ja vor Jesus Christus alle Knie beugen: die Himmlischen, die Irdischen und die Unterirdischen, und jede Zunge bekenne sich (zu Jesus Christus).“

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Erstellt:
11. Dezember 2024, 16:54 Uhr

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