25 Jahre Merlin, mit Höhen und Tiefen
1997 hat Christos Kiroglou die Bierkneipe Monokel in Backnang übernommen. 25 Jahre später sprüht Merlin-Wirt Taki noch immer vor Energie und Tatendrang. Brand, Wiederaufbau, Coronakrise – alles ist bislang gut überstanden. Mit seinen 60 Jahren hat der gebürtige Grieche noch viele Pläne.

© Alexander Becher
Für Christos Kiroglou ist der 25. Geburtstag seiner Bar und seines Restaurants und Klubs in der Eberhardstraße kein Grund, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Für den 60-Jährigen geht’s mit Volldampf weiter, sei es im Merlin oder außerhalb wie beim Straßenfest. Foto: A. Becher
Von Florian Muhl
Backnang. „Drei bis vier Jahre wollte ich das hier in Backnang am Anfang machen. Und dann wieder weiterziehen.“ Christos Kiroglou, den die meisten unter seinem Spitznamen Taki kennen, schmunzelt, als er auf die Anfänge seines „Merlin“ zurückblickt. Jetzt sind die 25 Jahre voll. Ob Kneipothek oder Musiktempel, mediterranes Restaurant oder Café-Bar – das Merlin war und ist Kult in der Murr-Metropole und angesagter Treffpunkt. „Mittlerweile für drei Generationen“, sagt Taki stolz und voller Freude. Jetzt kürzertreten oder gar aufhören? Er denkt gar nicht daran. Im Gegenteil. Der 60-Jährige strotzt vor Energie und Tatendrang. Ihm und seiner Lebenspartnerin Angelika Fröhlich (47) scheinen die Ideen nicht auszugehen. Noch in diesem Jahr soll das Merlin wieder ein Stück wachsen. Die Küche beispielsweise wird komplett neu gebaut. Aber dazu später.
Christos Kiroglou kommt 1961 in der Stadt Serres im Norden Griechenlands zur Welt. Sieben Jahre später siedelt er mit seinen Eltern nach Deutschland um und landet in Kornwestheim. Er lernt Schlosser und sattelt den Schweißer noch drauf. Aber das Nachtleben ist zu verlockend. Er fragt in der Discothek Living in Heilbronn nach, ob er dort arbeiten kann. Er kann. „So bin ich in die Gastronomie hineingekommen.“ Der Betreiber unterhält damals auch eine gleichnamige Szenekneipe in Backnang, und zwar in der Talstraße 61, die Taki im Alter von 23 Jahren übernimmt.
„Da kommt der Deutsche, da kommt der Grieche, ich bin Europäer“
Schon zu der Zeit ist Taki sehr umtriebig. So macht er zwei weitere Lokale in Kornwestheim auf und richtet nebenberuflich für einen Großgastronomen Lokale ein und führt diese teilweise auch. Und sammelt auf diese Weise reichlich Erfahrungen, die er später noch gut gebrauchen kann. Damals schon wie auch heute noch werde er oft gefragt: Was bist du? „Ich sag dann immer: Eigentlich Europäer. Wenn ich nach Griechenland gehe, dann heißt’s: Da kommt der Deutsche. Und wenn ich wieder zurückkomme, heißt’s: Da kommt der Grieche.“
1995, als er die Discothek Om in Heilbronn betreibt, wird Taki angesprochen, ob er nicht das „Monokel“ in der Eberhardstraße 2 in Backnang übernehmen will. Der damals 33-Jährige überlegt nicht lange, baut um und bringt neuen Schwung in die Lokalität, die im März 1997 eröffnet wird. Während der vordere Abschnitt eher rustikal eingerichtet ist, bietet der hintere Teil beste Voraussetzungen für einen gemütlichen Abend in stilvollem Rahmen. Reichhaltig schon damals die Getränke- und Speisekarte. Neben zehn Sorten Bier und 22 Cocktailvarianten sind Toasts, Crêpes und feine Hauptgerichte zu finden. Und Fußballfans können Topspiele auf einer Großleinwand mitverfolgen. Innerhalb kurzer Zeit wird der Name Merlin in Backnang zu einem Begriff.
„Ganz einfach: Frau gefunden, Haus gebaut, Sohnemann gekriegt“
Ursprünglich wollte er nicht länger als drei bis vier Jahre bleiben. Ein Lokal übernehmen, aufbauen, dass es gut läuft, und dann wieder abgeben, das war sein Motto. „Die ersten drei Jahre sind einfach. Ein Lokal länger am Laufen zu halten, erfordert mehr Erfahrung und auch mehr Zeit.“ Und warum wurde es in Backnang dann doch viel länger? Taki muss kurz lachen: „Ganz einfach: Frau gefunden, Haus gebaut, Sohnemann gekriegt, den Dorian.“ Also hängt sich Taki in Sachen Merlin voll rein, für das er sich nach 14 Jahren ein neues und frisches Gesicht wünscht. So wird aufwendig umgebaut, drei Monate lang. Im November 2011 wird dann in der Eberhardstraße Wiedereröffnung gefeiert. Auf die Gäste wartet ein Merlin in einem ganz neuen Look mit zwei Gesichtern. Da ist der bestens bekannte Klub im hinteren Teil, der im Jahr 2004 durch die Übernahme der Räumlichkeiten eines Sportstudios entstanden war. Vorne im Restaurant wurde durch dezente Farben und Lichteffekte eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen. Und der helle und lichtdurchflutete Wintergarten wird als Panoramagarten gefeiert, der sich harmonisch an die bestehende Eingangsfront anfügt.
„Für mich war damals das Thema Merlin erledigt“
2013 dann der Schock. Am 9. März bricht in den Wohnräumen im oberen Teil des Gebäudes in der Wilhelmstraße ein Feuer aus. Eine türkische Familie wird von den Flammen im Schlaf überrascht. Eine Frau und sieben ihrer insgesamt zehn Kinder kommen dabei ums Leben. Taki ist in der Nacht der erste Helfer vor Ort, zertrümmert eine Fensterscheibe seines Lokals und hilft so einem Mann und einer Frau mit ihrem elfjährigen Enkel bei der Flucht vor dem Feuer. Das Merlin aber bleibt zu. Das heißt: keine Umsätze, keine Einnahmen. Die Versicherung zahlt zunächst nicht, weil die Brandursache unklar ist. Taki hat Existenzängste. „Es war wirklich ungewiss, ob wir wieder aufmachen. Für mich war damals das Thema Merlin erledigt.“ Er organisiert eine Abschiedsparty in der Stadthalle. Sie ist gleichzeitig eine Benefizveranstaltung zugunsten der Angehörigen der Opfer und aller Angehörigen. „Tatsächlich einen Tag vor der Party hat die Versicherung angerufen, dass die Brandursache geklärt ist und das Merlin wiederaufgebaut wird“, blickt Taki zurück. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass eine Frau mit der Zigarette in der Hand im Bett eingeschlafen war.
Wieder packt der Merlin-Wirt an, ist Bauleiter und Bauarbeiter zugleich. „Zuerst hab ich alles abgerissen und dann Stück für Stück wiederaufgebaut.“ Ein Jahr nach dem Brand wird wiedereröffnet, erneut mit einem neuen Konzept. „Diesmal haben wir uns hauptsächlich auf Küche und geschlossene Gesellschaften konzentriert und weniger Partys und Feiern veranstaltet.“ Taki räumt ein: „Das war eine schwierige Zeit. Die ersten drei, vier Jahre hat’s überhaupt nicht funktioniert, weil die älteren Gäste der Meinung waren, dass hier nur Jüngere verkehren.“ Er habe lange dafür gekämpft, dass sich herumspricht, dass er eine gepflegte, mediterrane Küche anbietet. 2016 kommt schließlich noch seitlich der große Biergarten – „unser Palmengarten“ – dazu. Vielleicht ist es letztlich auch ihm zu verdanken, dass der Mittagstisch schließlich bestens läuft. „An Silvester 2020 haben wir uns angeschaut, meine Partnerin Geli und ich, haben in die Hände geklatscht und gesagt: Jetzt sind wir aus dem Gröbsten raus, das Merlin funktioniert richtig gut.“
Der nächste Rückschlag ließ nicht lange auf sich warten. Die Coronapandemie brach aus. Die Lockdowns und 3-G- und 2-GRegelungen warfen unter anderem die Gastronomen um Monate, wenn nicht Jahre zurück. Dankbar blickt Taki zurück: „Wir haben sehr große Hilfen vom Land gekriegt und sind so gut durch die Coronazeit durchgekommen.“ Und dem Merlin-Wirt ist es auch wichtig zu sagen, dass er stets mit der Stadt Backnang im guten Gespräch war und von dort aus wichtige Unterstützung erhalten hat. So wurden dort auch seine aktuellen Erweiterungspläne begrüßt.
Offene Küche Die Küche ist derzeit zu klein, um für größere geschlossene Gesellschaften wie Hochzeiten gewappnet zu sein. Deshalb soll eine neue, 100 Quadratmeter große, offene Küche gebaut werden, die nur durch eine Glasfront vom Gästebereich getrennt ist. Zudem erweitert Taki den Sitzplatzbereich um 30 bis 40 Plätze, vergrößert den Wintergarten und erstellt im Eingangsbereich einen weiteren Biergarten. Die Bauarbeiten sollen im Oktober/November beginnen, sodass die Eröffnung – wenn alles glatt läuft – in etwa einem Jahr sein kann.
Getränkemarkt schließt Die Merlin-Erweiterung kann stattfinden, weil Walter Schüle, der im Gebäude sein Getränkehandel betreibt, Ende September in den Ruhestand geht.
Nachwuchs „Ich habe meine Geli, sie ist das Herz des Laden“, sagt Taki über seine Lebenspartnerin, die zuständig fürs Büro, Personal und für PR-Arbeiten ist. Zudem will sein Sohn Dorian in die Fußstapfen des Vaters treten. Er ist 21 und macht eine Lehre als Bodenleger. „Wenn er die fertig hat, kommt er in die Geschäftsführung hinein.“