40 Jahre nach Chemiekatastrophe
337 Tonnen gefährlicher Abfälle in Bhopal entfernt
Vor 40 Jahren traten im indischen Bhopal Giftgase aus. Das Ereignis gilt als größte Chemiekatastrophe. Erst jetzt wird weiterer Giftmüll vom betroffenen Fabrikgelände entsorgt.
Von Markus Brauer/AFP
40 Jahre nach einer der weltweit verheerendsten Industriekatastrophen in der zentralindischen Stadt Bhopal sind hunderte Tonnen gefährlicher Abfallstoffe vom Unglücksort entfernt worden.
337 Tonnen kontaminierter Abfall
Laut der Nachrichtenagentur Press Trust of India begannen am späten Mittwochabend (1. Januar) rund ein Dutzend Lastwagen damit, die 337 Tonnen Abfall – versiegelt in Containern und begleitet von einer Polizeieskorte – in einem Konvoi zur gut 200 Kilometer entfernten Entsorgungsstelle im indischen Pithampur abzutransportieren.
12 trucks carrying 337 tonnes of toxic waste from the Union Carbide factory in Bhopal, stored for 40 years, left at 9:05 p.m. for Pithampur near Indore. The waste is expected to arrive early on January 2nd, following a 250-km green corridor with heavy security. @MehulMalpanipic.twitter.com/zU78cVRE85 — The Hindu (@the_hindu) January 1, 2025
„Der Konvoi wurde vom strengsten Sicherheitsprotokoll begleitet, das je beim Transport von Industrieabfällen im Land eingesetzt wurde“, zitiert die „Times of India“ den Direktor der staatlichen Gasversorgungs- und Sanierungsabteilung, Swatantra Kumar Singh. Seinen Angaben zufolge werden die Abfälle nun „einer fachgerechten Entsorgung“ durch Verbrennung unterzogen.
Austritt von 27 Tonnen giftigem Gas aus Pestizid-Fabrik
Am 3. Dezember 1984 wurden beim Austritt von 27 Tonnen giftigem Gas aus einer Pestizid-Fabrik des damaligen US-Chemie-Giganten Union Carbide in Bhopal rund 3500 Menschen getötet. Zehntausende weitere starben in den folgenden Jahren an gesundheitlichen Schäden, die sie bei dem Vorfall erlitten hatten.
Krebserregende Chemikalien im Grundwasser
Der Auftrag zum Abtransport der gefährlichen Abfälle war im Dezember von einem Gericht im nordindischen Bundesstaat Madhya Pradesh erteilt worden. Die Justiz warf den Behörden Medienberichten zufolge „Trägheit“ vor und räumte ihnen eine einmonatige Frist ein.
Auch Jahrzehnte nach der Katastrophe waren im Grundwasser nahe der Unglücksstelle krebserregende Chemikalien gefunden worden, deren Konzentration 50-mal höher ist als die von der US-Umweltschutzbehörde als sicher akzeptierten Werte. Vertreter umliegender Gemeinden führen auch das Auftreten von Hirnschäden, Hör- und Sprachstörungen und andere Behinderungen auf den Chemieunfall und die Verunreinigung des Grundwassers zurück.
Bis zu 25.000 Todesopfer
Über die Gesamtzahl der Bhopal-Opfer gibt es unterschiedliche Angaben. Schätzungen der Opferzahlen reichen von 3800 bis 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Gaswolke sowie bis zu 500.000 Verletzten, die mitunter bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden.
Die zum Teil großen Abweichungen der Schätzungen erklären sich vor allem aus der ungenauen Kenntnis über die Zahl der Einwohner des betroffenen Elendsviertels in dieser Zeit. Es lebten damals etwa 100.000 Menschen in einem Radius von einem Kilometer rund um die Pestizidfabrik.
Die Katastrophe ist eines der schwersten Industrieunglücke in der Geschichte. Noch immer kommen als Folge missgebildete Kinder zur Welt.
Gas Methylisocyanat basierte auf Kampfstoff Phosgen
Das am 3. Dezember 1984 aus einem unterirdischen Tank der Union-Carbide-Fabrik in Bhopal ausgetretene Gas Methylisocyanat basierte auf einem chemischen Kampfstoff, der im ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Bei diesem Kampfstoff handelt es sich um Phosgen, ein schweres Lungengift. Es entsteht aus Kohlenmonoxid und Chlor und wird mit Hilfe von Methylamin in Methylisocyanat umgesetzt.
Methylisocaynat hat einen stechenden, süßlichen Geruch und ist ein farbloses bis hellgraues Giftgas. Es reagiert mit Wasser und reizt Augen, Nase, Mund oder Lungen. Bei Reaktionen in der Lunge wird die Atmung erschwert und es kommt zu Erstickungen.
Das Gift wurde zur Produktion von Insektenbekämpfungsmitteln für die Landwirtschaft gebraucht. Die Firma Union Carbide stellte den Stoff damals auch in einem Werk in Institute (US-Bundesstaat West Virginia) her.