Ab heute Unterricht auf Distanz

Von Florian Muhl

BACKNANG. Dass die Notbremse kommt, war abzusehen. Dass aber die Schulen ab einem Inzidenzwert von 165 schließen müssen, kam für viele überraschend. Angesichts der derzeitigen Werte im Rems-Murr-Kreis jenseits der 200er-Marke rechnet kaum jemand damit, dass die Schulen noch vor Pfingsten wieder öffnen werden. Genau in diesen vier verbleibenden Wochen bis zu den Ferien ist aber das Projekt „Lesepiraten“ terminiert, das die Backnanger Kreiszeitung zusammen mit dem medienpädagogischen Institut Promedia Maassen und mit Unterstützung der Süwag Energie AG bereits zum 13. Mal veranstaltet.

Das seit vielen Wochen geplante Leseförderprojekt, für das sich 25 Schulklassen aus Backnang und Umgebung angemeldet haben, jetzt kurzfristig verschieben? Nein, nicht zu stemmen. Allerdings muss die bereits perfekt organisierte Zeitungslieferung an die Schulen gestoppt werden. Alle Eltern der Grundschüler erhalten auf Wunsch die BKZ vier Wochen lang kostenlos nach Hause geliefert. Fast alle sagen zu. Überstunden bei der Vertriebsabteilung der Backnanger Kreiszeitung sind angesagt. Auch Promedia Maassen ist innerhalb kürzester Zeit auf die neue Situation bestens vorbereitet.

„Da muss ich mindestens drei Konferenzen machen, da ist der Vormittag schon gelaufen.“

Und die Lehrer? Sie sind es mittlerweile gewohnt, sich innerhalb von Tagen, manchmal innerhalb von Stunden auf immer wieder neue Vorgaben und Regeln umzustellen. Und sie freuen sich aufs Projekt. Barbara Zeller, Konrektorin der Grundschule Maubach, sagt: „Sie haben uns ja dieses Schülerheft geschickt, das haben wir für jeden Schüler kopiert und ihnen bereits mitgegeben.“ In dem Unterrichtsmaterial für Grund- und Förderschulen mit dem Namen „Der Lesepirat entdeckt die Backnanger Kreiszeitung“ hat Promedia Maassen auf 50 Seiten die unterschiedlichsten Aufgaben zusammengestellt. Auf insgesamt 22 Arbeitsblättern geht es um Sprache und Wortspiele, Bilderrätsel und das E-Paper. Zudem können Schüler ein Lesetagebuch anlegen und werden zur Schnitzeljagd durch die BKZ oder auch Anzeigenrallye aufgefordert. „Dann sage ich beispielsweise den Schülern: Schaut euch mal die Seite zwei und drei an und versucht, die Aufgabe zu lösen“, erklärt Zeller, und ergänzt: „Oder wir können bei einer Videokonferenz auch mal über die Zeitung sprechen.“ Die Konrektorin bekennt: „Es ist natürlich lange nicht das, wie’s bisher war, wenn die Schüler da waren. Das ist natürlich kein Vergleich.“

Zudem rechnet Zeller mit jeweils drei oder vier Schülern aus ihrer Klasse und der Parallelklasse in der Notbetreuung. „Die müssen natürlich ihre Zeitung von zu Hause mit in die Schule mitnehmen.“ Videokonferenzen wird sie wohl zwei oder drei pro Woche anbieten. Die Konrektorin gibt zu bedenken: „Ich habe 24 Schüler, da kann ich keine Konferenz mit allen gleichzeitig machen.“ Zeller teilt ihre Klasse in Gruppen ein. „Da muss ich mindestens drei Konferenzen machen, da ist der Vormittag schon gelaufen.“

Christian Engelhard von der Grund- und Werkrealschule Kirchberg an der Murr ist in der Gemeinde mit dem E-Bike unterwegs. Am Freitagmorgen hat er bereits auf diese Weise das Unterrichtsmaterial für seine Viertklässler zu der Elternvertretung gebracht. „Dort stehen Boxen vor der Tür; die Kinder kommen dort vorbei und nehmen ihr Material aus den Boxen heraus.“ Neben dem Material für Englisch, Sachunterricht und Mathematik sowie Angeboten für Musik und Sport seien auch die Zeitungsaufgaben mit dabei gewesen. „Wir werden den Deutschunterricht zum Lesepiraten-Unterricht machen“, kündigte der Pädagoge an, der derzeit die Aufgabe des stellvertretenden Schulleiters wahrnimmt und seinen Fernunterricht von der Schule aus gestaltet. Auch er arbeitet mit den Aufgabenblättern von Promedia Maassen.

Üblicherweise würde Engelhard bei vier Videokonferenzen pro Woche in Kontakt mit seinen Schülern treten, aber weil er durch Schulleiteraufgaben gebunden sei, mache er derzeit nur zwei. Dabei teile er seine 20 Schüler in Fünfergruppen auf. „Zwei sind jeweils hintereinander geschaltet, das heißt an einem Tag hat man zehn Kinder. Mit denen kann man dann richtig schön Videounterricht machen, Probleme behandeln und auch das Material besprechen, das geht mit fünf Kindern eigentlich sehr gut.“ Die Marotte älterer Schüler, sich bei Videokonferenzen nicht im Bild zu zeigen, hätten Viertklässler nicht. „Nein, da klickt keiner die Kamera weg. Da wird nebenher auch mal was anderes gemacht, am Ende hat man ein bisschen Zeit zum Erzählen von Erlebnissen oder einige zeigen, was sie mit Lego-Technik gebaut haben“, sagt der Pädagoge. Er arbeitet nicht mit dem von der Schule unterstützten System Moodle. „Das war technisch ein Graus“, sagt er, sondern mit Webex. Mit dieser Software habe die Schule beste Erfahrungen gemacht.

„Wir haben den Start um eine Woche nach hinten verlegt, was einfach organisatorische Gründe hat“, sagt Sarah Wilken von der Walterichschule Murrhardt. Alle drei dritten Klassen der Murrhardter Gemeinschaftsschule haben, wie acht weitere Klassen aus Maubach, Kirchberg, Sulzbach und Murrhardt auch, das Angebot der Süwag angenommen und haben sich Samen für eine Wildblumenwiese sowie ein kleines Insektenhotel zuschicken lassen. Für den Blumensamen als auch das Schulmaterial gibt’s einen Zustellungsservice: „Das machen wir schon seit dem letzten Lockdown im vergangenen Jahr, dass wir jeden Sonntag das Material den Kindern nach Hause fahren und dann das einsammeln, was sie in der Woche davor zu Hause bearbeitet haben.“ Wenn die Kinder Fragen haben, rufen sie an. Videokonferenzen seien in der Walterichschule nicht vorgesehen. Dafür würden die Lehrer Lernvideos in eine Cloud hochladen, die die Schüler jederzeit abrufen könnten.

Einsendeschluss für den Fotowettbewerb „Das kreative Klassenfoto“ ist am 4. Juni.