Abgeblitzt
Blitzer an B 27: Zufall darf nicht über Bußgeld entscheiden
Verkehr - Mit den Blitzern ist einiges schiefgelaufen. Aber jetzt müssen die Einsprüche sauber abgearbeitet werden – es muss gerecht bleiben vor Gericht.
Da ist etwas gehörig schiefgegangen mit den Blitzern an der B 27: Zuerst lösten die Geräte monatelang im Minutentakt aus, das Landratsamt Reutlingen muss ein externes Büro anheuern, um die Arbeit zu bewältigen; und nun droht das Amtsgericht Reutlingen mit Einsprüchen überschwemmt zu werden. In normalen Jahren werden dort etwa 600 Einsprüche verhandelt, 2019 werden es womöglich mehrere Tausend sein.
Der Urfehler lag in einer sicher nicht absichtlichen, aber letztlich doch falschen Bewertung der Situation durch das Landratsamt: Man konnte sich dort nicht vorstellen, dass die Autofahrer zwischen den beiden Baustellenteilen wieder Gas geben, trotz mehrerer Schilder, die auf das Tempolimit hinwiesen. Aber genau so war es: Die meisten wollten gar nicht zu schnell fahren, sondern glaubten wirklich, die Baustelle sei vorüber; da spielt das unterbewusste Wahrnehmen der wieder breiten Bundesstraße sicher eine große Rolle. Doch als die Fotoflut anhielt, hat die Behörde nicht reagiert, etwa mit großen Hinweisschildern. War das wirklich nicht möglich, wie es heißt?
Jedenfalls ist ein riesiger bundesweiter Imageschaden entstanden, den auch die Millioneneinnahmen kaum kompensieren können. Sowieso dürfte das Blitzgewitter an der B 27 bei Walddorfhäslach einmalig sein in Deutschland. Doch jetzt bleibt nichts anderes übrig, als die Sache bis zum bitteren Ende durchzuziehen, sprich: es muss jeder einzelne Einspruch sauber abgearbeitet werden, auch wenn das Land dafür auf eigene Kosten weitere Richterstellen in Reutlingen schaffen muss. Denn sonst entschiede letztlich der Zufall, welcher Autofahrer das Bußgeld bezahlen muss und wer Glück hat und in die Verjährung rutscht – das aber wäre fatal für die Verkehrsmoral.
thomas.faltin@stzn.de
