Schlussrunde bei ARD und ZDF
Abschluss des TV-Wahlkampfs endet im Wortgefecht
Acht Kandidatinnen und Kandidaten lieferten sich bei der Wahlkampfschlussrunde einen argumentativen Showdown. Eine muntere Runde mit überraschenden Momenten und einem Duz-Streit.
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© dpa/Fabrizio Bensch
Die Teilnehmer der Schlussrunde bei ARD und ZDF (v. l.): Sahra Wagenknecht (BSW), Jan van Aken (Linke), Matthias Miersch (SPD), Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP), Carsten Linnemann (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Alice Weidel (AfD)
Von Christoph Link
Es ging los mit der Weltpolitik, Donald Trumps Paukenschlag und seiner sich anbahnenden Verständigung mit Wladimir Putin – und es gab hierbei die zu erwartenden Fronten im Studio von acht Parteienvertretern, die sich in der „Schlussrunde der Spitzenkandidaten“ am Donnerstag zusammenfanden.
Aber überraschende Momente hatte die von Diana Zimmermann (ZDF) und Markus Preiß (ARD) moderierte Sendung dann doch. Menschlich interessant beispielsweise, dass Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) daran erinnern musste, dass man sich „bisher“ geduzt habe, worauf die das „Sie“ dann kurze Zeit sein ließ, später aber wieder dahin zurückkehrte, vielleicht weil Duzfreund Lindner erklärte, nach der Wahl noch auf eine Deutschland-Koalition zu hoffen, also Schwarz-Rot-Gelb, ohne die Grünen.
Oder es gab die Präzisierung der AfD-Chefin Alice Weidel, dass sie eine allgemeine Wehrpflicht gut finden würde und zwar mit einer Dauer von zwei Jahren, oder das Eingeständnis von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, man werde das Heizungsgesetz abschaffen, die darin enthaltene Förderung aber nicht. Das waren punktuelle Klarstellungen in einem Potpourri von Themenfeldern, in die die Sendung gesplittet war.
Merz und Scholz fehlen
Die Spitzenkandidaten Friedrich Merz (CDU) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) waren aus Termingründen nicht erschienen, sie hatten ihre Generalsekretäre geschickt, neben Linnemann also Matthias Miersch (SPD). Die setzten gleich ein paar Pflöcke in der Debatte um Washington und Moskau. Miersch erinnerte daran – man ahnte es – dass die nun notwendigen massiven Investitionen in eine deutsche und europäische Sicherheitsarchitektur („Wir müssen uns neu aufstellen“) nur mit einer Lockerung der Schuldenbremse möglich sei.
Alexander Dobrindt (CSU) befürchtete jetzt ein Vakuum in Europa, das gefüllt werden müsse, sonst werde es Putin tun, und Linnemann sorgte sich um einen in Riad vorbereiteten Diktatfrieden für die Ukraine und schleuderte Alice Weidel ein knappes „Sie stehen hinter Putin! Wir stehen hinter der Ukraine!“ entgegen. Annalena Baerbock musste sich von Lindner anhören, dass jetzt das Ende der moralisierenden und feministischen Außenpolitik erreicht sei, die USA seien jetzt „ein komplizierter Freund“, aber sie blieben ein Freund, so Lindner.
Wagenknecht und Weidel sind empört
Die Außenministerin gab hingegen zu Protokoll, dass Putin bisher Verhandlungen abgelehnt habe – man habe es ja selbst versucht, und sie sprach Alice Weidel direkt an: Sie lebe doch in der neutralen Schweiz, sie solle doch mal hinfahren nach Brandenburg oder Polen, wo selbst Kinder schon Angst vor einem möglichen Aufmarsch russischer Truppen hätten.
Auf diese Aussage reagierten Weidel aber auch Sahra Wagenknecht (BSW) gemeinsam mit empörten Zwischenrufen: „Sie haben alles nur schlimmer gemacht! Sie haben immer nur auf Waffen gesetzt!“ Es wäre besser gewesen, so Wagenknecht, wenn die Friedensinitiative „von uns gekommen“ wäre, und Weidel überraschte mit dem Satz, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen habe, der allerdings „eine Vorgeschichte“ gehabt habe, und Deutschland sei mit der Ampel-Regierung in eine „Eskalationsspirale“ im Ukraine-Krieg geraten.
Wundersame Rechenformel
Die Gesundheits- und Pflegepolitik gehörte zum etwas drögen Mittelteil der Runde, im Prinzip alle bis auf den Liberalen Lindner („keine Staatsmedizin!“) waren sich einig, dass das Nebeneinander von Gesetzlichen Krankenkassen und Privatkassen verbessert werden müsse, die Ungleichbehandlung von Privatpatienten und „Gesetzlichen“ bei der Terminvergabe ist als Problem erkannt, ebenso die Tatsache, dass GKV-Beitragszahler allgemeine Lasten wie die Kassenbeiträge von Bürgergeldempfängern mittragen müssen.
Aufmerksamkeit erzielte Jan van Aken (Linke) mit der Forderung, alle Einkommen zur Finanzierung von Krankenkassenbeiträgen heranzuziehen und die Beitragsbemessungsgrenze fallen zu lassen. Es sei doch ungerecht, dass einer mit 5000 Euro den gleichen Satz zahle wie einer mit 100.000 Euro im Monat – folge man seinem Modell, lasse sich der Beitragssatz der Krankenkassen von 17,2 auf 13,3 Prozent senken.
Und auch der Sozialdemokrat Miersch erregte Aufsehen mit einer wundersamen Rechenformel für die stationäre Pflege: Demnach könne der durchschnittlich 3000 Euro im Monat hohe Eigenanteil in den Pflegeheimen durch eine Umschichtung bei den Zuschüssen der Pflegeversicherung reduziert werden und mit einem Pflegedeckel von 1000 Euro im Monat begrenzt werden – die Moderatoren hörten und staunten.
Freude im Pflichtjahr?
Richtig munter wurde es beim Thema Jugend, bei der fast allen Beteiligten zunächst mal einfiel, darüber zu sprechen, welche Pflichten man der Jugend aufbürden könne oder auch nicht. Während die AfD für die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist, wollen die Unionsvertreter eine aufwachsende Wehrpflicht, die eines fernen Tages in ein Pflichtjahr der jungen Leute als Dienst an der Gesellschaft münden soll.
Dies könne bei der Bundeswehr, der Feuerwehr, dem THW oder auch bei Einsätzen im europäischen Ausland geleistet werden. Er sei sich sicher, dass die Jugend „viel Freude“ bei solch einem sozialen Dienst hätte, der ja auch der Persönlichkeitsentwicklung der Menschen diene, so Linnemann.
In diesem Moment der Debatte rückten zwei sehr entfernte Parteienvertreter eng zusammen – FDP und Linke: Der Liberale Lindner bezeichnete das Pflichtjahr als „massiven Freiheitseingriff“, wenn die AfD eine Wehrpflicht von zwei Jahren wolle, dann seien das zwei Jahre, in denen die jungen Leute kein Einkommen erzielten und keine Steuern zahlten. Van Aken sprach von einer „verlogenen Debatte“ über das Pflichtjahr, die allein ideologisch motiviert sei, man brauche so etwas nicht: „Schon heute reicht das Geld für das Freiwillige Soziale Jahr gar nicht, da werden Bewerber abgewiesen!“
Ziemlich nach hinten geschoben worden ist das Thema Klimaschutz, bei dem der Emotionspegel im Studio schon so hoch war, dass alle Acht phasenweise durcheinander redeten und das Moderatorenduo hilflos zuschaute.
Dobrindt reißt der Kragen
Baerbock bilanzierte, dass Deutschland in zehn Jahren schon viel erreicht habe mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien – „und jetzt stellen wir schon klimaneutralen Stahl mit Wasserstoff her!“ Diesen Weg müsse man weitergehen bis zur Klimaneutralität des Landes 2045 – fünf Jahre vor der EU.
Der Linken-Vertreter van Aken will Privatjets und Megajachten wegen ihrer Klimaschädlichkeit verbieten, und der Sozialdemokrat Miersch ermahnte die Union, die in den nächsten Jahren steigende CO2-Steuer mit sozial flankierenden Maßnahmen zu begleiten: Untere und mittlere Einkommen müssten da entlastet werden, „sonst wird die Gesellschaft toxisch angezündet!“.
Alice Weidel ist dann noch gefragt worden, ob sie nicht auch den Klimawandel erkenne, angesichts der Bilder von Dürren und Überschwemmungen. Die AfD-Chefin antwortete darauf mit Ausführungen über Kostenexplosion bei der Energie, dass Land habe unter der Ampel die höchsten Energiepreise erzielt. Als sie aber von einer Spritverteuerung von einem Euro im Jahr 2027 sprach, riss Dobrindt der Kragen: „Freie Erfindung! Sie können nicht rechnen!“ Die Wortgefechte überlagerten sich da in der Sendung bereits.