Achter vorne, Achter hinten und Kamel
Serie Mitgemacht: Landfrauen Heiningen bieten orientalischen Tanz für jedermann an – Bewegung mit Köpfchen
Jeden Donnerstag schlingt sich Manuela Lungo ein Tuch um die Hüften und empfängt ihre Schülerinnen in der Reisbachhalle in Heiningen/Waldrems. Seit gut 20 Jahren gibt sie Bauchtanzunterricht. Anmutig, charmant, kokett und temperamentvoll sind dabei die Bewegungen, die viel mehr sind, als nur mit dem Popo wackeln. Redakteurin Yvonne Weirauch hat es ausprobiert.
Von Yvonne Weirauch
BACKNANG. Bei mir stellt sich am Morgen die erste Frage: Was um Himmels Willen ziehe ich zum orientalischen Tanzen an? Einen Schleier habe ich nicht – brauche ich den überhaupt? Rock? Turnhose? T-Shirt? Kursleiterin Manuela Lungo lässt im Vorfeld wissen: „Ziehen Sie das an, worin Sie sich wohlfühlen.“ Okay, aber ganz aus der Reihe tanzen, was das Outfit betrifft, möchte ich auch nicht. Ich packe ein gelbes Top und ein lilafarbenes Tuch ein, dazu Socken und Turnschläppchen und zur Sicherheit auch noch eine kurze Sporthose.
Die drei anderen Teilnehmer, die das Angebot des Landfrauenvereins Heiningen annehmen, sind besser ausgestattet. Nun – kein Wunder, sie machen das auch schon ein paar Jahre länger. Manche ihrer Tücher und Röcke haben Zotteln, andere erinnern an ein Fischernetz. Entscheidend sind die festgenähten Blechmünzen, die schon das geringste Zucken der Hüften zum Scheppern bringt. Manuela Lungo hat ein rotes Top an, einen farblich passenden Rock und um die Hüfte ebenso ein Tuch. Sie hat an diesem Tag eine spanisch-orientalische Tanzrichtung vorbereitet. „Ah, Sie sehen hawaiianisch aus. Macht aber nichts“, lacht die Kursleiterin. Mist – klamottentechnisch habe ich wohl danebengegriffen. Aber das mache ich mit einem Hüftschwung wieder wett. Zumindest denke ich das am Anfang.
Orientalischer Tanz ist ein gutes Training für den Beckenboden
Es geht los: Ein bisschen Warmmachen, die müde Muskulatur wecken. Lockerer Stand auf beiden Beinen, die Knie leicht gebeugt und das Becken vorne hochgezogen. Der Brustkorb und der Kopf sind gerade aufgerichtet. Das Gewicht auf beide Beine verteilt. Die Arme hängen lassen – aus dieser Stellung beginnt man fast alle Bewegungsabläufe.
Die anderen Teilnehmerinnen strahlen vor Begeisterung. Warum orientalischer Tanz ihr Hobby ist, erzählen sie, während sie das Becken kreisen: „Man kann es alleine machen, benötigt keinen Tanzpartner“ – „Es ist gut für den gesamten Körper.“ Geschmeidigkeit gepaart mit schwungvollen Akzenten, das mache den orientalischen Tanz aus. Der Bauchtanz sei ein Vehikel für Kraft, Lebendigkeit und Körperbewusstsein – ein Jungbrunnen für das Becken und die Wirbelsäule. „Meine Frauenärztin findet das klasse, sie empfiehlt das sogar, denn es gibt nichts besseres, um den Beckenboden in Schwung zu halten. Und – das wird betont – diese Tanzbewegungen helfen gegen Verspannungen und trainieren Kopf und Konzentration: „Sie werden es gleich merken“, wird mir versprochen.
Beim Schulterkreisen höre ich meine Knochen knacksen. Die Hüfte kommt ins Spiel. „Die Besonderheit des orientalischen Tanzes ist die isolierte Bewegung, also wenn wir das Becken bewegen, bleibt der restliche Körper ruhig. Ebenso wenn wir Arme, Kopf oder Brustkorb bewegen, bleibt der restliche Körper ruhig.“ Es hört sich einfach an, aber bei mir zappelt eher der gesamte Körper mit. „Es gibt selten Frauen, die das beim ersten Mal beherrschen“, sagt Manuela Lungo lachend. Eine Aussage, die mir den Druck etwas nimmt, gleich alles perfekt zu machen. Im Hintergrund klingt die orientalische Musik. „Nur den Oberkörper bewegen. Stellen Sie sich vor, Sie umkreisen mit dem Bauchnabel eine kleine Kugel – ohne Schulter“, die Tanzlehrerin hat mich im Blick.
Die einfachste Form einer Koordination ist die Kombination von Hüft- oder Schulterbewegungen mit Schritten oder Drehungen. Hände und Arme werden eingesetzt. Es werden Muskeln gefunden und bewegt, von deren Existenz ich zuvor nichts ahnte. Ob diese geschmeidigen Bewegungen nur etwas für Frauen sind? Männer habe sie auch schon im Kurs gehabt. So ungewöhnlich sei das nicht, sagt Lungo: „Wer gerne tanzt, kann auch das hier machen.“
Ich konzentriere mich auf meine Bewegungen und vergesse dabei, die Spannung im Becken zu halten. Die Kursleiterin entdeckt das sofort und weist mich darauf hin. Sie legt die Hände leicht auf meine Hüften und gibt den Rhythmus vor. Achter vorne, Achter hinten. Ich versage, nur der Achter vorne klappt, der Achter hinten nicht – zumindest nicht ohne die Hände an den Hüften.
Es ist anstrengend, das Deo versagt
Dann die Kombi: zwei vorne, zwei hinten. Nun bin ich gänzlich durcheinander, meine Hüfte will der Anweisung nicht so ganz folgen. Als jetzt noch die Arme wellenförmige Bewegungen machen sollen, entwickelt mein Körper ein Eigenleben und zeigt wohl eher Slapstick als etwas, das mit orientalischem Tanz zu tun hat. Ich komme ins Schwitzen. „Bei manchen Schritten ist es einfacher, nicht darüber nachzudenken.“ Dann fällt auch noch der Begriff Kamel, der in dieser Tanzsprache gängig ist. Ich muss lachen. „Wie soll ich denn ein Kamel machen?“, frage ich in die Runde. Geschmeidige und lockende Wellenbewegungen der Körperpartien werden mir demonstriert. „Ich sage Ihnen, man bekommt davon sogar Muskelkater.“ Ich kann das nicht glauben.
„Nicht so stressig – machen Sie langsame, kleine Bewegungen“, weist mich Manuela Lungo an. Ich schließe die Augen, das hilft bei der Konzentration. Dadurch nehme ich meinen Geruch deutlicher wahr. Ich schwitze und müffle sogar etwas. Das Deo hat versagt und ich hätte nicht gedacht, dass das so anstrengend sein kann. Diesen grazilen Körperbewegungen schließen sich weitere an: Der Oberkörper wird geschüttelt. „Dabei muss man dem Kopf einfach sagen, dass die Brüste bewegt werden sollen, dann klappt das.“ Aber der Hinweis der Kursleiterin folgt prompt: „Das sollte man nicht machen, wenn man schwanger ist oder stillt.“
Nun einen heftigen Hüftstoß nach rechts und nach links. Die seitliche Stellung mit einem Hüftgleiten betonen, indem zu jeder Seite schwunghaft ein Kick ausgeführt wird, sieht bei den anderen irgendwie einfach aus. „Stellen Sie sich vor, Sie schieben eine Schublade oder eine Tür mit der Hüfte zu.“ Die Tipps sind sehr hilfreich und die Kursleiterin weiß aus der Erfahrung: „Es ist für viele leichter, wenn ich die Bewegungen in Bildern erkläre.“ Der abschließende Fächertanz überfordert mich. Die erlernten Passagen, die Schritte und die Handbewegungen mit zwei Fächern werden zu einer flüssigen Choreografie kombiniert. Ich bin stille Beobachterin und Bewunderin.
Womit klar wäre, dass man vom Klischee der Männer umschwirrenden Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe weit weg ist. Der Bauchtanz ist mehr, als nur mit dem Popo wackeln. Die Damen sagen am Ende dieser Tanzeinheit: „Manche Frauen denken, sie könnten das an einem Abend lernen, um dann ihrem Mann abends etwas vorzutanzen. Aber ganz so ist es nicht – zumindest dann nicht, wenn man den orientalischen Tanz richtig praktizieren will.“
Am Ende bleibt mir nur zu sagen: Respekt, meine Damen. Und ich hatte tatsächlich etwas Muskelkater vom Kamel.
Für die Serie „Mitgemacht“ testen Redakteure unserer Zeitungen verschiedene Kursangebote und berichten über ihre Erfahrungen.