Forscher warnen vor Katastrophe

Achtung! In 89 Sekunden geht die Welt unter!

Mit der „Weltuntergangsuhr“ bewerten Wissenschaftler seit Jahren, wie nah die Menschheit dem Abgrund ist. Derzeit steht es so schlecht um die Erde wie nie. Doch was soll’s. Die Menschheit macht weiter ihr Ding, als wäre nichts geschehen. Welcome Armageddon!

Szene mit den apokalyptischen Reitern aus dem deutschen Stummfilm „Faust: A German Folk Legend“ aus dem Jahr 1926.

© Imago/Allstar

Szene mit den apokalyptischen Reitern aus dem deutschen Stummfilm „Faust: A German Folk Legend“ aus dem Jahr 1926.

Von Markus Brauer/dpa

Es sind noch 89 Sekunden bis zum Weltuntergang, zur Apokalypse, zum Jüngsten Gericht, zu Armageddon!

Alles nur symbolisch?

Je nach aktueller Weltlage wird die „Doomsday Clock“ – die Weltuntergangsuhr oder Atomkriegsuhr – von Wissenschaftlern des „Bulletin of the Atomic Scientists“ (Berichtsblatt der Atomwissenschaftler) vor oder zurückgedreht. An diesem 29. Januar 2025 ist es wieder soweit. Die aktualisierte Uhrzeit der „Doomsday clock“ ist auf einer Pressekonferenz in der US-Hauptstadt Washington veröffentlicht worden.

Alles natürlich nur symbolisch! Wäre die Lage der Menschheit angesichts von Klimawandel, Kriegen, Umweltzerstörung, Artensterben, globalem Hunger und dem vernichtenden Potenzial von künftigen Pandemien nicht so todernst, könnt man über die PR-Aktion lachen.

The Doomsday Clock was moved to 89 seconds to midnight today, Jan. 28, the closest it's ever been. The Doomsday Clock is a decades-long project of the Bulletin of the Atomic Scientists featuring a clock face where midnight represents Armageddon. https://t.co/srKjbMqBKlpic.twitter.com/ssHxx8G58S — USA TODAY Graphics (@usatgraphics) January 28, 2025

„Eine Form des Wahnsinns

Im Jahr 2023 hatten die Forscher die Zeiger der „Domsday clock“ erstmals auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt. 2024 hieß es: Weiter so! Nun sind sie einen Schritt weitergegangen und warnen eindringlich – und doch vergeblich: „Die Welt befindet sich auf einem Kurs mit noch nie dagewesenen Risiken, und die Fortsetzung des derzeitigen Kurses ist eine Form von Wahnsinn.“

„Eine Form des Wahnsinns“: Wahnsinn ist in der Psychiatrie ein überkommener Begriff für psychotische Störung. Heute wird er nur noch noch im medizinisch-juristischen Sinn zur Bestimmung der Schuldfähigkeit gebraucht: Der Täter kann für seine Handlungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da er nicht verantwortlich ist bzw. ihm die Konsequenzen seines Tuns nicht bewusst sind.

Klimawandel, Atomwaffen, Gesundheitskrisen, Fake News

Juan Manuel Santos erklärt: „Mit 89 Sekunden vor Mitternacht steht die Weltuntergangsuhr näher an der Katastrophe als jemals zuvor in ihrer Geschichte.“ Die Menschheit sei mit existenziellen Bedrohungen konfrontiert. Traurigerweise hat der frühere kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Recht mit seiner Einschätzung.

„Die Bedrohung durch einen Atomkonflikt ist so groß wie nie zuvor“, mahnt Santos. Das einzig noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland laufe im kommenden Jahr aus.

Auch die Klimakrise spitze sich zu. „2024 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, das verheerende Klimaschocks auslöste.“ Es sei daher besonders alarmierend, dass US-Präsident Donald Trumps den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt habe.

Seit 1947 steht die Spezies Mensch auf dem Spiel

Die Weltuntergangsuhr erscheint seit 1947 und soll symbolisieren, wie dicht die menschliche Spezies an der Vernichtung durch Atomwaffen oder Umweltgefahren ist.

Bei ihrer Einführung stand die Uhr auf sieben vor zwölf. Nach dem Fall der Berliner Mauer hatten die Forscher ihre Uhr deutlich – und zwar auf 17 Minuten vor Mitternacht – zurückgestellt.

„Es ist fünf Minuten vor zwölf“

Die Atomkriegsuhr ist eine symbolische Uhr des „Bulletin of the Atomic Scientists“ und spielt auf die Metapher „Es ist fünf Minuten vor zwölf“ an, wenn ein äußerst besorgniserregendes Ereignis unmittelbar bevorsteht.

1947 – zu Hochzeiten des Kalten Krieges – wurden die Zeiger bei sieben Minuten vor zwölf gestartet. Seitdem wurde das Uhrwerk insgesamt 21-Mal vor- und zurückgedreht – je nachdem wie die Experten die Weltlage einschätzten. Es pendelte sich zwischen 11.43 Uhr und 11.58 Uhr ein.

In Zeiten der politischen Entspannung standen der Zeiger auch mal bei 17 Minuten vor zwölf wie 1991. Damals unterzeichneten die Großmächte die Start-Verträge, die das Atomwaffenarsenal drastisch reduzieren sollten.

Seitdem ist Armaggedon immer näher gerückt. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, wird damit der Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht bezeichnet (Kapitel 16, Vers16).

Apokalyptische Reiter und Klimawandel

Die jüngste Anpassung sei Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem „unkontrollierten Klimawandel, der globalen Modernisierung von Atomwaffen und übergroßen Atomwaffenarsenalen“, heißt es in der Stellungnahme der Wissenschaftler. Diese Faktoren seien eine „außergewöhnliche und unleugbare“ Bedrohung für das Fortbestehen der Menschheit. Und weiter: „Die Uhr tickt, weil die politischen Führer in ihrer wichtigsten Aufgabe versagen: Gesundheit und Leben der Menschheit zu schützen“

Das „Bulletin of Atomic Scientists“ wurde von Mitarbeitern am Manhattan-Projekt, dem US-Atomwaffenprogramm während des Zweiten Weltkriegs, gegründet. Seither treffen sich im Aufsichtsrat des Blattes regelmäßig die besten Nuklearforscher, um über die Weltlage und Gefahr eines Atomkriegs zu debattieren. Im Jahr 2007 wurde erstmals der Klimawandel in den Beschluss des Expertengremiums einbezogen.

Info: Mismatch-Theorie

Menschheit in der Sackgasse Die Menschheit läuft Gefahr, sich selbst in ihrer Entwicklung in Sackgassen zu manövrieren, aus der es kaum noch ein Entrinnen gibt. Insgesamt 14 solcher Evolutionärer Fallen haben schwedische Forscher in einer neuen Studie ausgemacht. Darunter sind Klima-Kipppunkte und Umweltverschmutzung genauso wie eine falsch ausgerichtete künstliche Intelligenz und die Beschleunigung von Infektionskrankheiten. Wenn sich Merkmale, die für die Evolution einer Gattung einst vorteilhaft waren, sich aufgrund von Umweltveränderungen plötzlich nachteilig auswirken, spricht man von einer Evolutionären Falle oder Evolutionären Diskrepanz. Dieses evolutionsbiologische Konzept wird auch als Mismatch-Theorie bezeichnet.

Anthropozän Das Forscherteam um den Umweltökologen Peter Søgaard Jørgensen sieht solche evolutionäre Fallen auch für die Menschheit gegeben. Insgesamt sei ihre soziokulturelle und zivilisatorische Evolution eine „außergewöhnliche Erfolgsgeschichte“, deren Ergebnis das Anthropozän darstelle – also das Erdzeitalter des Menschen –, wie es in der Untersuchung heißt. Doch das Anthropozän zeige Risse: Globale Krisen wie Covid-19-Pandemie, Klimawandel, Ernährungsunsicherheit, Finanzkrisen und Konflikte hätten begonnen, gleichzeitig aufzutreten. Dieses Phänomen wird auch als Polykrise bezeichnet.Die Studie ist im Fachmagazin „Philosophical Transactions of the Royal Society B“ erschienen.

Diskrepanz Der Begriff Evolutionäre Falle oder Evolutionäre Diskrepanz wird in der Evolutionsbiologie auch als Mismatch-Theorie bezeichnet. Damit ist Folgendes gemeint: Merkmale, die sich in der Evolution herausgebildet und für die Entwicklung einer Spezies als vorteilhaft erwiesen haben, können sich aufgrund von veränderten und zu schnell sich wandelnden Umweltbedingungen als negativ herausstellen und den Entwicklungsprozess der Gattung behindern - und im Extremfall beenden. Dies kann beim Mensch und bei Tieren stattfinden und wird oft auf schnelle Umweltveränderungen zurückgeführt. Die Mismatch-Theorie beschäftigt sich folglich mit der Idee, dass Merkmale, die sich in einem Organismus in einer bestimmten Umwelt entwickelt haben, in einer anderen Umgebung nachteilig sein können.

„Acht Todsünden“ Einer der Hauptvertreter dieser Theorie ist der österreichische Zoologe und Medizin-Nobelpreisträger von 1973, Konrad Lorenz (1903-1989). In seinem Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ aus dem Jahr 1973 untersucht der Verhaltensbiologe jene Vorgänge, die nach seiner Ansicht zur „Dehumanisierung der Menschheit“ beitragen. Diese acht Prozesse sind: (1) Überbevölkerung, (2) Verwüstung des natürlichen Lebensraums, (3) übermäßige Beschleunigung aller gesellschaftlichen Prozesse, (4) Drang zu sofortiger Befriedigung aller Bedürfnisse (Hedonismus), (5) genetischer Verfall wegen des Wegfalls der natürlichen Auslese, (6) Verlust bewährter Traditionen, (7) zunehmende Indoktrinierbarkeit, (8) Kernwaffen.

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Erstellt:
29. Januar 2025, 09:10 Uhr

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