Steigende Nachfrage auf dem Immobilienmarkt
Achtung! Schnäppchenimmobilie
Der historische Preisverfall bei Bestandsimmobilien ist gestoppt, die Zinsen für Baudarlehen sind gesunken. Schon tönt es allseits: Kaufen, kaufen, kaufen! Ein gefährlicher Trend, warnt unser Autor Tomo Pavlovic.
Von Tomo Pavlovic
Wer auf der Suche nach einer Eigentumswohnung oder einem Haus ist, kann nicht mehr auf stark sinkende Preise hoffen, das zeigen Studien. Gerade in Städten ist die preisliche Talsohle erreicht oder die Preise steigen schon wieder moderat. Die Bedingungen auf dem Immobilienmarkt sind dennoch für Käufer so gut wie schon seit Jahren nicht mehr.
Dass sich das Zeitfenster für eine Investition weit geöffnet hat, liegt vor allem daran, dass das Angebot an feilgebotenen Bestandsimmobilien groß ist. Und dass die Zinsen seit Jahresbeginn deutlich gesunken sind: von durchschnittlich 4,2 auf 3,3 Prozent, wie etwa der Baufinanzierer Interhyp ermittelt hat. Je nach Darlehenssumme kann das einen Unterschied von mehr als 20 000 Euro ausmachen.
Höchste Einkaufszeit also für alle, die sich seit Jahren nach einer neuen Bleibe sehnen und ein wenig Eigenkapital auf der Bank geparkt haben? Tatsächlich spricht vieles für den baldigen Erwerb eines älteren Eigenheims: die Aussichten der Immobilienexperten hinsichtlich der Preisentwicklung, die finanziellen Förderhilfen des Staates bei der energetischen Sanierung sowie die von der ambitionierten Architektenschaft – und von Preisgerichten für Architekturpreise – propagierte moralische Veredlung des Sanierungsgedankens zum Wohl des Klimas. Außerdem macht es vielleicht auch Spaß, wenn man sich sein eigenes Domizil so einrichtet, wie man es sich schon immer gewünscht hat.
Immense psychische Belastung
Doch wo Licht ist, das gibt’s auch Schatten. Der Gedanke, ein heruntergewohntes Einfamilienhaus aus den 60er oder 70er Jahren in einer ruhigen Vorstadtgegend oder auf dem Land noch einigermaßen günstig zu kaufen und energetisch zu sanieren, mag vielleicht dem Staat, den Baufirmen, dem Kreditinstitut sowie dem Klima gefallen, dem eigenen Nervenkostüm und letztlich der Haushaltskasse kann so ein Projekt mächtig zusetzen.
Wer einen Bungalow mit großem Garten, ein frei stehendes, spannend geschnittenes Architektenhaus oder eine charmante Gründerzeit-Wohnung auf einem Immobilienportal entdeckt und am liebsten schon morgen einen Notartermin mit der Erbengemeinschaft vereinbaren möchte, sollte sich gleich zwei Mal zwicken und bei all den aufgehübschten Fotos in der Anzeige die Sanierungsbedürftigkeit vor Ort genau prüfen. Schnäppchenimmobilien existieren nur im Werbejargon der Immobilienverkäufer.
Ein Haus ist kein Ikea-Schrank
Immer wieder erfährt man von bemitleidenswerten Menschen, die an einer Sanierung finanziell zugrunde gegangen sind oder am Ende unglücklich in einem halb fertigen Objekt mehr hausieren als wohnen. Wer in einer Annonce liest, dass das heruntergewohnte Objekt „Potenzial“ habe und sich mit „ein wenig handwerklicher Eigenleistung“ problemlos in einen Wohntraum verwandeln ließe, sollte besonders vorsichtig agieren.
Das gilt vor allem für alle Schreibtischarbeiter und Bau-Laien, die höchstens einen Ikea-Schrank unfallfrei zusammenschrauben können. Genau diese Klientel muss sich zwingend professionell beraten lassen, was auch schon kostenmäßig nicht gerade günstig ist.
Bei der eingehenden Prüfung der Bausubstanz sollte man erst einmal einen Bausachverständigen und einen Schadstoffgutachter mitnehmen, bei der zweiten Besichtigung eventuell einen Architekten und Spezialisten für die Heizung. Gerade Häuser aus den 60er Jahren sind für Überraschungen berüchtigt, da gerne mal problematische Materialien wie Asbest, giftige Holzschutzmittel, schwer schadstoffhaltige Parkettkleber oder krebserregende Mineralwolle ohne Sinn und Verstand verbaut wurden.
Auch die Entsorgung alter Ölkessel und Heizungsleitungen, die Sanierung und Dämmung eines eventuell morschen Dachstuhls oder die Trockenlegung eines dauerfeuchten, vielleicht schimmeligen Kellers kann am Ende den Kaufpreis mehr als verdoppeln.
Gewiss, die erfolgreiche Sanierung eines älteren Hauses kann sich lohnen, fürs Klima, für die eigene Zukunft. Doch auf die existenziellen Gefahren wird kaum hingewiesen, meist wird in der öffentlichen Wahrnehmung lediglich über das Für und Wider einer Wärmepumpe im Altbau debattiert. Eigentlich ein Witz.
Das wahre Problem ist die Bausubstanz der alten Immobilie und neuerdings auch ihre Lage, schließlich werden zurzeit die kommunalen Wärmepläne erstellt, die ebenfalls die Kosten in die Höhe treiben können. Nur so viel: Die wenigsten werden sich an ein existierendes Fernwärmenetz andocken können. Und nicht jede Bausünde kann und muss gerettet werden.
Drum prüfe, wer sich ewig an eine Immobilie bindet.