ADHS: Die Behandlungszahlen im Rems-Murr-Kreis steigen an
Verhaltensauffälligkeiten erschweren den Alltag. Jungen sind laut der Krankenkasse AOK häufiger betroffen als Mädchen.

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Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft kommen als Erkrankungsursache in Betracht. Symbolfoto: Edgar Layher
Rems-Murr. Wenn Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität in verschiedenen Lebenssituationen zu deutlichen Beeinträchtigungen führen, kann eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vorliegen. Laut einer Auswertung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) ist die landesweite Zahl der Krankheitsfälle in den Jahren 2017 bis 2021 um jährlich rund fünf Prozent gestiegen. Auch im Rems-Murr-Kreis gibt es eine solche Zunahme bei den offiziell dokumentierten Behandlungen: 2017 wurden 1006 AOK-Versicherte wegen ADHS ärztlich versorgt, 2021 waren es schon 1274. Am häufigsten tritt eine ADHS in der Altersgruppe zwischen null und 14 Jahren auf.
Schwer fällt es erkrankten Schülern, bei Hausaufgaben aufmerksam zu bleiben
„Betroffene einer ADHS sind in ihrem Alltag deutlich beeinträchtigt. In der Schule haben sie beispielsweise häufig Schwierigkeiten, wegen einer verstärkten Ablenkbarkeit dem Unterricht zu folgen. Besonders schwer fällt es Erkrankten, die Aufmerksamkeit bei unliebsamen Themen wie etwa Hausaufgaben aufrechtzuerhalten“, erklärt Alexandra Isaksson, Fachärztin für Psychiatrie bei der AOK Baden-Württemberg. Hyperaktivität kann sich in einer motorischen Unruhe zeigen, die längeres Stillsitzen erschwert. Impulsivität äußert sich oftmals darin, dass Betroffene mit Antworten herausplatzen, unangebracht viel oder auch in unpassenden Situationen reden sowie anderen ins Wort fallen.
Eine ADHS wird insbesondere im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert. Jungen sind dabei deutlich häufiger betroffen als Mädchen. Im Erwachsenenalter ist die Symptomatik meist etwas geringer ausgeprägt, führt aber in vielen Fällen weiterhin zu einem starken Leidensdruck. „Eine ADHS bei Kindern und Jugendlichen geht in aller Regel mit Sozialverhaltens-, Lern- und Angststörungen einher. Im Erwachsenenalter treten dagegen vermehrt Abhängigkeitserkrankungen und depressive Verstimmungen auf“, so die AOK-Ärztin. Auch zeigen ältere Betroffene oft ein erhöhtes Risikoverhalten und sind häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt.
Für eine genauere Diagnostik werden Fragebögen eingesetzt
Für eine Diagnosestellung ist stets entscheidend, dass die Symptome in so starker Form auftreten, dass sie zu einem relevanten Leidensdruck führen. Für eine genauere Diagnostik werden standardisierte Fragebögen und Interviews eingesetzt – darüber hinaus ist auch die Durchführung eines neuropsychologischen Leistungstests möglich.
Die Auslöser einer ADHS sind vielfältig und wissenschaftlich nicht vollständig aufgeklärt. Die Erkrankungsursache scheint vor allem erblich bedingt zu sein und wird mit einem gestörten Dopaminstoffwechsel in Verbindung gebracht. Ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen wie Frühgeburt, Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft oder auch Bewegungsmangel kommt ebenso in Betracht. Für die Behandlung stehen sowohl psychosoziale als auch pharmakologische Therapien zur Verfügung. Basierend auf einer umfassenden Aufklärung über das individuelle Störungsbild wird ein persönlich zugeschnittener Behandlungsplan erstellt. „Vorschulkinder sollten vor allem psychosoziale Interventionen wie etwa Elterntrainings erhalten. Diese fördern das Verständnis für die krankhaften Störungen und stärken die Eltern-Kind-Beziehung. Auch im Schulalter sind Elterntrainings ratsam. Begleitend kann eine Psychotherapie sinnvoll sein“, sagt Alexandra Isaksson. Für Erwachsene besteht die Möglichkeit, in der kognitiven Verhaltenstherapie Strategien im Umgang mit der ADHS-Symptomatik zu erlernen.
Das AOK-Facharztprogramm „Psychiatrie und Psychotherapie“ fördert die Vernetzung der behandelnden Ärzte sowie der Psychotherapeuten. Dies ermöglicht eine gesamtheitliche und optimal aufeinander abgestimmte Therapie im Alltag. pm