AfD scheitert mit Klagen gegen Haushalte mit Corona-Schulden
dpa/lsw Stuttgart. Ist die Corona-Krise wie eine Naturkatastrophe? Die AfD sagt nein und ging deshalb gegen die Nachtragsetats der grün-schwarzen Koalition vor. Vergeblich. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die beiden Klagen der AfD-Landtagsfraktion gegen coronabedingte Nachtragshaushalte der grün-schwarzen Koalition als „unzulässig“ abgewiesen. Die AfD wollte den zweiten und dritten Nachtrag zum Doppelhaushalt 2020/2021 mit neuen Schulden in Milliardenhöhe zur Bewältigung der Corona-Krise zu Fall bringen.
Dazu erklärte das Gericht am Donnerstag in Stuttgart, der AfD-Fraktion fehle die „erforderliche Antragsbefugnis“ gegen das Einbringen des Haushaltsentwurfs durch die Landesregierung. Zudem habe die AfD nicht hinreichend dargelegt, warum der Landtag mit dem Beschluss des Nachtragsetats das Recht verletzt haben soll.
Kurz nach der mündlichen Begründung zu dem ersten Verfahren bestätigte eine Sprecherin des Gerichts der dpa, dass die AfD mit ihrer zweiten Klage gegen den dritten Nachtragshaushalt aus ähnlichen Gründen ebenfalls gescheitert sei.
Doch das letzte Wort über die rechtliche Zulässigkeit des dritten Nachtrags ist damit noch nicht gesprochen. Denn die FDP hat jüngst ebenfalls eine Klage dagegen eingereicht. Die zentrale Frage wird dann sein, ob das Gericht auch diese Organstreitklage aus formalen Gründen ablehnt. Die Richter ließen hier am Donnerstag Interpretationsspielraum: Ob und inwieweit die AfD-Fraktion vor Gericht Rechte des Landtags einklagen dürfe, „könne hier dahingestellt bleiben“, hieß es.
Die AfD hält es für verfassungswidrig, dass Grüne und CDU sich auf eine Ausnahmeklausel der Schuldenbremse beriefen, um neue Kredite aufnehmen zu können. Im Sommer 2020 waren es 13,5 Milliarden Euro, im Jahr danach noch einmal 940 Millionen Euro. Die Klausel erlaubt es der Landesregierung, bei einer Naturkatastrophe oder bei einer außergewöhnlichen Notsituation neue Schulden aufzunehmen. Die AfD bezweifelt aber, dass die Corona-Krise eine solche Notlage ist.
AfD-Fraktionschef Bernd Gögel zeigte sich enttäuscht. Mit dem Urteil sei nichts über die Rechtmäßigkeit der Nachtragshaushalte gesagt. „Inhalt der Entscheidung ist einzig und allein, dass die AfD-Landtagsfraktion keine Möglichkeit habe, ihn anzufechten.“ Hintergrund ist, dass das Gericht eine Organstreitklage für unzulässig hält. Die AfD-Fraktion war diesen rechtlichen Umweg gegangen, weil sie für eine Normenkontrollklage zu klein ist. Dafür sind ein Viertel der Landtagsabgeordneten nötig.
Das Finanzministerium will die Entscheidungen genau analysieren. „Wir begrüßen es, dass der Antrag zurückgewiesen wurde. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs bestätigt unsere Rechtsauffassung. Wir werden prüfen, inwiefern das Urteil Rückschlüsse auf die Klage der FDP zulässt“, hieß es in einer Stellungnahme.
Das Gericht monierte am Donnerstag, dass die AfD nicht ausreichend dargelegt habe, warum sie mit Blick auf die Corona-Pandemie keine Naturkatastrophe erkenne. Sie sei darüber hinweggegangen, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO am 11. März 2020 die Pandemielage ausgerufen habe. Zudem seien Experten nahezu einhellig der Meinung gewesen, dass es sich um eine Pandemie handele. Darauf habe die Landesregierung mit ihren Maßnahmen reagiert.
Die Klage der FDP hat eine etwas andere Stoßrichtung. Sie richtet sich nur gegen den Landtag, der im Sommer 2021 mit der grün-schwarzen Mehrheit den dritten Nachtrag mit neuen Kreditrechten in Höhe von 940 Millionen Euro beschlossen hatte. Die Liberalen sind der Meinung, dass der Überschuss im Haushalt des Landes ausgereicht hätte, um die nötigen Ausgaben zu decken. Dabei verweisen sie auf den Präsidenten des Landesrechnungshofs, Günther Benz, der gesagt hatte, das Land hätte auf einen Kassenüberschuss in Höhe von 3,2 Milliarden Euro aus dem Jahr 2020 zurückgreifen können. Dem hatte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) vehement widersprochen.
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