Albtraum am Bohrloch
Bei Málaga dauert die Suche nach dem zweijährigen Julen an – Er soll in ein tiefes Loch gefallen sein
Málaga Um kurz nach ein Uhr mittags kommt die Nachricht: „Julen in 73 Meter Tiefe gefunden.“ Gut eine Stunde lang lässt die Netzzeitung „El Español“ die Information stehen, nach einigen Minuten beschweren sich die ersten Leser, im Fernsehen und Radio hören sie Dementi, doch „El Español“ bleibt eisern – bis 14.20 Uhr:Da spricht die Zeitung nur noch von „Gewebe“ des kleinen Julen, das in der Tiefe des Bohrlochs in der Nähe von Málaga gefunden worden sei, in das er am Sonntag gestürzt sein soll.
Die Tage der Ungewissheit zerren an den Nerven aller Beteiligten inSpanien, offenbar auch an denen der Reporter, die vor Ort über den Fall berichten. Die Geschichte steckt voller Merkwürdigkeiten. „Mein Sohn ist hier, das soll niemand in Zweifel ziehen“, sagt Julens 29-jähriger Vater. Der Mann spricht viel mit den Medien, er ringt nach den richtigen Worten und findet sie dann. „Wo soll ich sein? Hier, wo ich bin. Und immer noch viel zu weit weg von meinem Sohn.“
Er ist auf dem Grundstück geblieben, auf dem die Familie am Sonntag eine Paella zubereiten wollte. Ein Grundstück in der Natur, in der Gemeinde Totalán, nicht weit weg von Málaga.In einem Moment der Unaufmerksamkeit der Eltern sei der kleine Julen in das Bohrloch getappt und in die Tiefe gestürzt.Das Loch hat nur einen Durchmesser von 23 Zentimetern.
Der Vater weiß, dass viele an seiner Geschichte zweifeln. Dass sie nicht glauben mögen, dass ein zweieinhalbjähriges Kind in Winterkleidung in ein solch schmales Loch fallen kann. „Ich bin überzeugt davon, dass der Junge nicht in dem Bohrloch ist“, sagt Luis Avial, ein Fachmann für Bodenradar. „Und wenn er in das Loch gefallen wäre, dann steckte er irgendwo in der Nähe der Oberfläche fest.“ Das Loch, gebohrt auf der Suche nach Wasser, führt nicht pfeilgerade in die Tiefe, aus den Wänden ragen Wurzeln und Steine.
Wie soll der Junge dort heruntergefallen sein? „Ich wünschte, es wäre unmöglich, dass er in dem Bohrloch ist, wie ich gehört habe“, sagt der Vater der Lokalzeitung . „Ich wünschte, ich wäre da unten begraben, und er wäre hier oben bei seiner Mutter.“
Den Eltern ist vor zwei Jahren ein Sohn gestorben, er war drei Jahre alt und brach bei einem Spaziergang am Meer plötzlich zusammen, ein Herzinfarkt. So viel Drama weckt das Mitgefühl der Spanier, die in dieser Geschichte mitfiebern, und es weckt zugleich böse Vermutungen über die Eltern.
„Solche Sachen dürfen gar nicht angedeutet werden“, sagt der Vater, „das ist sehr hart.“ Alle Nerven liegen blank. Mittwochvormittag sagt ein Behördensprecher, dass in dem Loch Haar des Jungen gefunden worden sei, aber er sagt nicht, auf welcher Höhe, er sagt auch nichts von weiteren Spuren, Blut zum Beispiel. So ist das Haar nur ein weiteres Rätsel.
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