Kriminalitätstrend Sex-Fotos
Albtraum Sextortion: Vom Online-Flirt zur Erpressung
Diese Art der Erpressung geht unter die Gürtellinie: Es beginnt mit einem Onlineflirt, Komplimenten oder gar Liebesschwüren - und der Bitte nach intimen Fotos. Dann wird aus der vermeintlichen Romanze ein Albtraum. Sextortion, die Erpressung mit Nacktbildern, nimmt stetig zu.
Von Markus Brauer/dpa
Erpressungen mit Nacktbildern bleiben in Deutschland ein Problem. Mehr als 2000 Fälle wurden im vergangenen Jahr im Inland erfasst. Auch für 2024 rechneten die Ermittler mit zahlreichen solcher Delikte, wie eine Umfrage unter den Landeskriminalämtern ergeben hat. In einigen Bundesländern zeigte sich sogar ein Anstieg der Zahlen bei Taten aus dem Ausland.
Sextortion: Sex und Erpressung
- Der Begriff ist eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „sex“ und „extortion“ (Erpressung). Bei der Sextortion werden potenzielle Opfer über soziale Medien und Online-Plattformen von Kriminellen unter falschem Namen und falscher Identität kontaktiert, angeflirtet und in Gespräche oder Chats verwickelt – mit der Absicht, dass sie intime Fotos von sich preisgeben.
- Die Betrugsmasche kommt vor allem auf Social-Media-Plattformen oder Dating-Portalen zum Einsatz. Täter nehmen Kontakt zu Opfern auf und drängen sie in Videoanrufen dazu, sich auszuziehen, sexuelle Handlungen vorzunehmen oder intime Fotos zu schicken.
- Nach Angaben des Opferschutzvereins „Weisser Ring“ werden vor allem Männer Opfer der Betrüger. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte in einem Lagebericht zur IT-Sicherheit im vergangenen Jahr Sextortion neben Identitätsdiebstahl und Phishing zu den drei Top-Bedrohungen in der Kategorie „Gesellschaft“ gezählt.
Mit intimen oder sexuellen Inhalten erpresst
Dem „Cybersicherheitsmonitor 2023“ des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zufolge wurden fünf Prozent der Opfer von Cyberkriminalität mit intimen oder sexuellen Inhalten erpresst. Teilweise würden die Täter ihre Opfer überreden, etwa Nacktbilder aufzunehmen und mit ihnen zu teilen.
„In anderen Fällen haben sich die Erpressenden digital Zugriff zu privaten Aufnahmen verschafft – oder geben vor, auf gespeicherte Bilder und Videos zugreifen zu können. Es wird mit der Veröffentlichung und Verbreitung der Inhalte gedroht“, heißt es in dem Bericht.
„Häufig schicken Täter zuerst selbst gefälschte Nacktbilder, um ein gewisses Vertrauen aufzubauen“, sagte Rebecca Michl-Krauß, Referentin für Medienkompetenz der EU-Initiative klicksafe. Anschließend drohen sie mit der Veröffentlichung der Aufnahmen und fordern Geld.
„Ein scheinbar harmloser Flirt endet mit hohen Geldforderungen“, erklärt das Landeskriminalamt (LKA) Hessen. Dort stieg die Zahl der registrierten Fälle von einem niedrigen dreistelligen Bereich im vergangenen Jahr auf einen mittleren dreistelligen Bereich bis Anfang Dezember 2024.
Sind Männer ein leichteres Ziel?
Obwohl vor allem Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen sind, zeigt sich bei Sextortion ein anderes Bild: Studien und Angaben aus den Landeskriminalämtern deuten darauf hin, dass sie Männer häufiger trifft.
Mögliche Gründe sieht Michl-Krauß in einem geringeren Misstrauen und einer höheren Bereitschaft von Männern, intime Bilder zu teilen. Außerdem wisse man, dass Männer „häufiger ungefragt Dickpics (Penisbilder) verschicken, was darauf hindeutet, dass sie unüberlegter bei dem Thema sein könnten“, erläutert sie.
Zu viel Freizügigkeit auf Social Media?
Warum Menschen überhaupt auf die Masche hereinfielen, könne man durch den Umgang mit Sexualität und die Freizügigkeit auf Social Media erklären, betont Michl-Krauß. „‚Sexy‘ Inhalte sind allgegenwärtig, sei es durch Influencer, Pornos oder private Nutzer.» Gerade junge Menschen fühlten sich oft unter Druck gesetzt, weil sie glaubten, das Teilen intimer Inhalte gehöre «einfach dazu“. Denn auch Minderjährige sind von Sextortion betroffen.
In vielen Fällen kennen die Opfer die Täter bereits, weil sie etwa Ex-Partner sind, die intime Aufnahmen als Druckmittel einsetzen. „Während es Fremden meist ums Geld geht, wollen Täter in Beziehungen emotionale Kontrolle ausüben, weitere Aufnahmen erzwingen oder sie handeln aus Rache“, berichtet Michl-Krauß. Auch in freundschaftlichen Beziehungen könne es aufgrund von Eifersucht zu Fällen von Sextortion kommen, heißt es aus Sachsen-Anhalt.
Hohe Dunkelziffer vermutet
Wie viele Menschen tatsächlich Opfer von Sextortion werden, ist unklar. Zwar erfasst die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Fälle von Erpressung auf sexueller Grundlage, Sextortion macht jedoch nur einen Teil dieser Delikte aus, wie es dazu vom LKA Hessen hieß.
Viele Opfer gehen aus Scham oder Angst vor Konsequenzen nicht zur Polizei. Die Landeskriminalämter gingen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus. Häufig zahlten Betroffene lieber den geforderten Betrag, um eine befürchtete Blamage zu vermeiden, teilt das LKA Niedersachsen mit. Minderjährige hätten zusätzlich Angst vor Strafe oder Misstrauen, so das LKA Rheinland-Pfalz.
Hinter Sextortion-Fällen, bei denen ausschließlich Geld im Internet erpresst wird, stehen meist organisierte Banden aus dem Ausland. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst den Angaben zufolge jedoch nur Straftaten mit Tatort in Deutschland. Auslandstaten werden separat gezählt, es sei denn, es gibt klare Hinweise auf eine Tat im Inland, was bei Internetdelikten nur schwer feststellbar ist.
Polizei rät: Kein Geld überweisen
So gingen in manchen Bundesländern die inländischen Fallzahlen zurück. Das LKA Baden-Württemberg erklärt den Rückgang mit verbesserten Datenprüfungen. Zuvor seien viele Taten fälschlicherweise dem Inland zugeordnet worden. Die Zahl der Auslandsdelikte sei hingegen um „ein Vielfaches höher“ und steige stark an. Auch in Nordrhein-Westfalen wurde ein Anstieg der bekanntgewordenen Auslandsfälle beobachtet.
Die Polizei rät grundsätzlich dazu, keine Nacktbilder zu verschicken und keine Freundschaftsanfragen von Fremden anzunehmen. Zudem solle man nicht vorschnell einem Videochat zustimmen. Im Fall einer Erpressung sollten Opfer kein Geld überweisen, denn die Forderungen hörten nach der ersten Zahlung oft nicht auf. Vielmehr sollte man den Chatverlauf sichern und Anzeige erstatten.
Info: Tipps für Betroffene von Sextortion
BSI Wer sich vor Sextortion schützen will oder bereits betroffen ist, dem gibt eine Notfall-Checkliste des BSI wichtige Informationen an die Hand.
BKA/LKA Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter warnen auf ihren Homepages vor dem Phänomen „Sextortion“ und gibt folgende Tipps:
• Überweisen Sie kein Geld. Die Erpressung hört nach der Zahlung meist nicht auf.
• Erstatten Sie Anzeige bei Ihrer örtlichen Polizei oder einer Online-Wache.
• Kontaktieren Sie den Betreiber der entsprechenden Webseite und veranlassen Sie, dass das veröffentlichte Bildmaterial gelöscht wird. Nicht angemessene Inhalte kann man dem Seitenbetreiber über eigens hierfür eingerichtete Buttons melden.
• Brechen Sie den Kontakt zum/zur Täter/in sofort ab, reagieren Sie nicht auf Nachrichten.
• Sicheren Sie alle Chatverläufe und Nachrichten mittels Screenshots.