Algen als Lebensmittel

Algen – Gemüse aus dem Meer

Algen gelten als gesundes Lebensmittel, ihr Anbau verbraucht kaum Ressourcen. Auf den Tellern der Deutschen landet die Wasserpflanze dennoch selten.

Frische Algen – in vielen Ländern eine Delikatesse

© //Dasha Petrenko

Frische Algen – in vielen Ländern eine Delikatesse

Von Sandra Markert

Wer das Wort Algen hört, denkt meist an unangenehme Begegnungen am Meer oder an einem See. „Damit tut man Algen total unrecht, denn sie stinken nur, wenn sie tot am Ufer liegen und von Bakterien zersetzt werden. Da stinkt jeder Fisch aber auch“, sagt Claudia Busse-Uhrig. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, den Ruf der Alge in Deutschland zu verbessern. Keine leichte Aufgabe, wie sie in den vergangenen zehn Jahren gemerkt hat, seit sie Geschäftsführerin von Viva Maris ist.

Das kleine Unternehmen aus Schleswig-Holstein stellt Algenprodukte her: Algen-Bratwürste, Algen-Pasta, Algen-Brotaufstriche, Algen-Senf. Man setzt auf bekannte, konventionelle Lebensmittel, die Algen als neue Zutat erhalten, um die Hemmschwelle beim Kauf zu senken.

Algen gut für die Welternährung

Zu Aldi, Kaufland oder Edeka in die Supermarktregale schaffen es die Algenprodukte von Viva Maris oder anderen Anbietern wie Emily Snacks (Algen-Chips), Betta fish (Algen-Thunfisch) oder Hello Helga (Algen-Limonade) bislang dennoch kaum. Viele preissensible Deutsche dürfte auch der Preis abschrecken. „Da wir die Algen weit draußen im Meer mit sehr viel Handarbeit ernten, geht das aber nicht anders“, sagt Busse-Uhrig. Wie die meisten ihrer Mitbewerber setzt ihre Firma auf den Online-Handel.

„Algen sind ein sehr natürliches Produkt. Anders als beim Anbau von Gemüse verbrauche ich im Meer keine Ressourcen wie Wasser und muss auch nicht Düngen“, sagt Busse-Uhrig. Das alles macht Algen für sie zu einem „sehr sinnvollen“ Lebensmittel, welches auch eine wachsende Weltbevölkerung gut ernähren könnte. Denn rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt.

Mikro-Algen in Deutschland angebaut

Allerdings eignet sich nicht jedes Meer für den Anbau von Algen. Regional erhältlich sind sie noch kaum. Viva Maris beispielsweise erntet die Algen im Nordmeer weit oben in Norwegen, wo das Wasser sehr sauber ist, weil dort kaum Schiffe fahren. Die deutsche Ostsee hat einen zu geringen Salzgehalt für eine gute Algenproduktion und wird im Sommer zu warm. Die Nordsee ist zu großen Teilen Wattenmeerschutz-Gebiet, hinzu kommen Ebbe und Flut, welche einen Anbau schwierig machen würden. „Aber wir forschen an der Algenzucht an Land in Tanks, das wäre dann auch in Deutschland möglich“, sagt Busse-Uhrig.

Was bereits gut funktioniert, ist der Anbau so genannter Mikro-Algen in Deutschland. Hierzu haben sich inzwischen elf Produktionsbetriebe im Norden zur so genannten deutschen Algen-Genossenschaft zusammengeschlossen. In flachen Wasserbecken unter Glasdächern bauen sie vorwiegend Spirulina an. Die Mikroalge wird in Pulver- oder Tablettenform verkauft, gilt als Superfood und kann beispielsweise in grünen Smoothies verwendet werden.

Werbung verspricht mehr als Produkt hält

Beworben wird ihr beachtlicher Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Aussagen wie „proteinreich“ oder „reich an Vitamin B12“ auf den Verpackungen sind allerdings verboten – aus gutem Grund, wie Verbraucherschützer finden. „Es ist bislang wissenschaftlich nicht bewiesen, dass das enthaltene Vitamin B12 für den Menschen wirklich nutzbar ist“, sagt Antje Degner, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern. Vitamin B 12 findet sich im Grunde nur in tierischen Produkten, weshalb es bei veganer Ernährung zu einem Mangel kommen kann. Es ist unter anderem für die Zellteilung und verschiedene Stoffwechselprozesse beim Menschen wichtig.

Proteinreich sind die Mikroalgen zwar. Allerdings müsste man den Verbraucherschützern zufolge schon zehn Spirulina-Tabletten essen, um so viel Eiweiß aufzunehmen wie mit nur einem Esslöffel Magerquark. „Algen können unseren Speiseplan sicherlich bereichern, weil sie viele Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Eiweiße und Omega-3-Fettsäuren enthalten“, sagt Antje Degner. Gerade bei verarbeiteten Lebensmitteln seien Algen aber nicht selten nur in so geringen Mengen enthalten, dass dies weder gesundheitlich wertvoll sei, noch die hohen Preise rechtfertige. Es lohne sich deshalb, genauer auf die Zutatenliste zu schauen.

Hoher Jodgehalt kann problematisch werden

„Kaufe ich wiederum ganze Algenblätter, etwa um Sushi zu machen, muss ich an den hohen Jodgehalt denken“, so Degner. Außer in Algen stecken in keinem anderen Lebensmittel derart hohe Mengen Jod. Auch wenn es nicht verpflichtend sei, dass der Jodgehalt auf der Verpackung angegeben werde, rät Degner dazu, nur Produkte zu kaufen, die diesen Hinweis auf freiwilliger Basis tragen.

Denn wer regelmäßig zu jodhaltige Algen verzehrt, riskiert Fehlfunktionen der Schilddrüse mit gravierenden Spätfolgen. Der Stiftung Warentest zufolge kann bereits eine einmalige Überdosis Jod von 100 Milligramm reichen, um die Schilddrüse zu blockieren und eine vorübergehende Unterfunktion herbeizuführen.

Spirulina, Nori, Wakame: Alge ist nicht gleich Alge

Mikro-Algen  Mit 80 Prozent machen sie den größten Teil der Algen-Arten aus. Am besten bekannt sind Spirulina und Chlorella. Mikroalgen kann man nicht fassen, sie werden aus dem Wasser gefiltert, getrocknet und dann meist in Form von Pulver oder Tabletten als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Aber auch in der Lebensmittelindustrie kommen sie zum Einsatz, zum Beispiel als Binde- oder Verdickungsmittel, aber auch als natürlicher Farbstoff. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Anwendungsbereiche wie Kosmetik, Arzneimittel oder Tierernährung.

Makro-Algen  Die restlichen 20 Prozent der Algenarten gehören zu den Makro-Algen. Sie sind mit bloßem Auge zu erkennen und können bis zu 60 Meter lang werden. Bekannt sind die Rotalge Nori, die für Sushi-genutzt wird, und die Braunalge Wakame, Zutat für die japanische Misosuppe.

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Erstellt:
24. November 2024, 10:56 Uhr

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