Alltagstauglich, lecker und ohne Tier
Serie: Unser ökologischer Rucksack (2) Klimafamilie Sator versucht sich am rein pflanzlichen Kochen
Nachdem sie in der ersten Folge unserer Serie ihre persönliche CO2-Bilanz berechnet hat, begibt sich Familie Sator jetzt auf die Suche nach Möglichkeiten, diese positiv zu verändern. Da darf natürlich das Thema Ernährung nicht fehlen. Wir haben sie zu einem Kochkurs geschickt, bei dem nur pflanzliche Zutaten verwendet werden.
Von Silke Latzel
BACKNANG/WAIBLINGEN. Vegan. Schon allein das Wort lässt manche Menschen erschreckt zurückzucken. „Was kann man denn da überhaupt noch essen?“, hört man oft. Auch unsere Klimafamilie Sator hat sich im Vorfeld Gedanken gemacht. Als wir ihnen verkündet haben, dass sie einen veganen Kochkurs machen dürfen, war vor allem Papa Benedikt ein bisschen skeptisch, isst er doch ganz gerne Fleisch. Mama Michaela ist Vegetarierin, verzichtet auf Fleisch und Wurst, isst aber Milchprodukte wie Käse und Joghurt. Doch auch sie haben sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt, etwa verschiedene Ersatzprodukte für Milch ausprobiert und mal leckere, mal weniger leckere Erfahrungen gemacht.
Dementsprechend neugierig und aufgeregt sind die drei, als sie in Waiblingen bei Zsuzsa Banvölgyi-Stadler eintreffen, die hier in der Region unter dem Namen „Leckerschmecker-Küchenfee“ unterwegs ist und sich auf ausschließlich veganes Catering spezialisiert hat. Im Vorfeld hatte Familie Sator eigentlich nur einen Wunsch: „Schön wäre es, wenn wir vor allem Dinge kochen, die alltagstauglich und kindgerecht sind, damit wir es besonders häufig nachkochen und anwenden können“, schreibt Benedikt Sator in einer Mail an die Redaktion.
Eier lassen sich beim Backen ganz leicht ersetzen
Kein Problem für Küchenfee Zsuzsa: „Wir machen heute vor allem ein paar Grundsoßen, denn wenn man die drauf hat, kann man sie ganz einfach für viele Dinge abwandeln.“ So steht unter anderem eine vegane Bolognesesoße auf dem Plan, „die kann man einfach über Nudeln geben oder eine Lasagne damit machen oder ein Chili“, erklärt sie. Ebenfalls wichtig: Béchamel. Denn die geht – Überraschung – auch ganz einfach ohne Ei und Milch. „Ich benutze sie hauptsächlich zum Überbacken, statt Käse eben.“ Weiter geht es mit einer veganen Käsesoße – aus Zwiebeln, Kartoffeln, Karotten, Cashwes und Hefeflocken – sowie einer pflanzlichen dunklen Soße. Und als Abschluss: Pfannkuchen. Vor allem Jule freut sich und betont immer wieder, wie sehr sie Pfannkuchen liebt. Klar, dass es die Mehlspeise bei den Sators also relativ häufig gibt. „Aber da gehören doch immer Eier rein, oder?“ fragt Michaela Sator – und ist mit dieser Frage schon mittendrin im Thema „Vegan kochen“.
Während fleißig und gemeinschaftlich Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln geschnibbelt werden, erklärt Banvölgyi-Stadler: „Je nachdem welche Funktion ein Ei in einer Speise hat, kann man es ganz leicht ersetzen. Oft nimmt man es nur wegen der Farbe des Eigelbs. So auch beim Pfannkuchen. Man kann das Ei einfach weglassen, es macht geschmacklich keinen Unterschied, der Pfannkuchen sieht ohne Ei einfach nur etwas blasser aus.“ Gerade beim Backen lassen sich Eier etwa durch Apfelmus, Banane, Sojamehl oder eingeweichte und aufgequollene Leinsamen leicht ersetzen – denn auch diese Lebensmittel dienen, wie das Ei auch, der Bindung.
Banvölgyi-Stadler hat ihre Ernährung vor neun Jahren aus gesundheitlichen Gründen umgestellt, seitdem isst sie nur noch vegan. Was man dabei nicht machen sollte: „Denken, dass in vegan alles genauso schmeckt wie vorher. Das ist einfach nicht so“, sagt sie. Die Sators sind sich einig, dass sie das gar nicht erwarten und dass „es eigentlich auch egal ist, solang es am Ende lecker schmeckt.“
Die Stimmung ist locker, es wird viel gelacht und auch Jule hilft fleißig mit. Familie Sator hat viele Fragen, Banvölgyi-Stadler antwortet geduldig und trumpft mit viel Fachwissen auf. „Wenn ich gefragt werde, was man denn als Veganer alles essen kann, muss ich immer schmunzeln. Denn da gibt es ja schon eine unglaubliche Auswahl an Gemüse und Hülsenfürchten. Kommen dann noch Reis und Nudeln ohne Ei dazu, hat man ein ganz großes Spektrum und kann sehr abwechslungsreich kochen. Bei uns gibt es zum Beispiel mindestens zweimal die Woche irgendeine Art von Curry, das geht einfach immer.“ Die Küchenfee kocht hauptsächlich mit regionalen und saisonalen Zutaten, die es in jedem Supermarkt gibt. „Das ist wichtig. Keiner hat die Zeit, stundenlang nach dieser einen speziellen Zutat zu suchen“, sagt sie. Auch das Thema Soja schneidet sie an: „Mittlerweile ist ja bekannt, dass über 90 Prozent des Sojas, das aus Südamerika kommt und weswegen der Regenwald abholzt wird, als Tierfutter verwendet wird. Das Soja in Lebensmitteln, die man hier kaufen kann, stammt aus Europa.“
Banvölgyi-Stadler ist es wichtig, der Klimafamilie zu zeigen, dass sich die meisten tierischen Produkte ganz einfach durch vegane Alternativen ersetzen lassen: Milch, Butter und Sahne gibt es in zigfacher Ausfertigung „ohne Tier“ und sie lassen sich 1:1 so verwenden wie die „Originale“. Sie lacht: „Ich sage nicht gerne ,wie das normale Essen‘, denn für mich ist vegan normal. Und das war es ja eigentlich früher auch schon, zur Zeit unserer Großeltern war Fleisch teuer und wurde nur zu besonderen Anlässen gegegessen. Da sollte wir wieder hinkommen. Dass heute ein Kilo Tomaten mehr kostet als ein Kilo Fleisch, das darf nicht sein.“
Dann wird gegessen. Und es schmeckt allen. Sehr sogar. Familie Sator ist besonders positiv davon überrascht, „dass keine exotischen Zutaten benutzt wurden. In veganen Kochbüchern, die wir uns angeschaut haben, waren sehr ausgefallene Rezepte, die zum einen nicht alltagstauglich waren und zum anderen oft sehr exotische Zutaten benötigen“, sagt Michaela Sator. Der Besuch bei der Küchenfee hat ihnen viel Spaß gemacht. Und er war hilfreich, da sind sie sich einig. Denn: „Dinge, die man täglich erledigt, hinterfragt man nicht mehr. Eine andere Perspektive und jemand, der einen an die Hand nimmt und seine Sicht der Dinge zeigt, hilft, das eigene Handeln zu hinterfragen. Konkret heißt das etwa, dass bei vielen unserer Alltagsrezepte Eier verwendet werden, weil wir das halt immer so machen. Dass wir uns in Zukunft ganz vegan ernähren, denken wir nicht, aber mit Sicherheit werden wir unseren Konsum von Eiern, Milch und Käse hinterfragen und öfter eine Alternative suchen.“
In der Serie „Unser ökologischer Rucksack“ beleuchten wir die einzelnen Komponenten der CO2-Bilanz genauer und suchen nach alltagstauglichen Möglichkeiten, die persönliche Klimabilanz zu verbessern.
Einen großen Anteil an dem durch Menschen verursachten Klimawandel hat die industrielle Tierhaltung. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ist sie für rund 15 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Treibhausgase aus der Massentierhaltung sind überwiegend Methan, das Wiederkäuer wie Rinder in ihren Mägen produzieren, und Lachgas, das durch stickstoffhaltige Dünger freigesetzt wird. Beide sind extrem klimaschädliche: Methan ist rund 25-mal und Lachgas rund 300-mal klimaschädlicher als CO2. Das Umweltbundesamt schätzt, dass die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch bis zu 28 Kilo Treibhausgase verursacht, während es bei Obst und Gemüse weniger als ein Kilogramm ist.
Würde man die „versteckten Kosten“, die durch Umweltschäden entstehen, auf die Lebensmittelpreise aufschlagen, würden sich die Preise für tierliche Produkte verdreifachen. Das errechnete ein Team der Universität Augsburg, indem es die Verwendung von Stickstoffdünger, die Treibhausgas-Emissionen und den Energieverbrauch finanziell berücksichtigte.
Weil Familie Sator sich schon überwiegend regional und saisonal ernährt, Michaela Sator auf Fleisch und Wurst verzichtet, ist ihre CO2-Bilanz an dieser Stelle unter (sie) und nur etwas über (er) dem deutschen Durchschnitt. Und doch würde eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten bereits Auswirkungen habe. Benedikt Sator könnte durch eine vegetarische Lebensweise 0,54 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, durch eine vegane sogar 0,83 Tonnen. Bei Michaela Sator würde der Sprung von vegetarisch zu vegan 0,29 Tonnen weniger bedeuten.