Talk bei „Caren Miosga“
Als wäre die Groko schon ausgemacht
Im ARD-Talk bei Caren Miosga sind nur Vertreter von CDU und SPD eingeladen, als ob die Groko schon ausgemacht wäre. Die Kritik in der Runde steuert ein Journalist bei.
Von Christoph Link
Ein bisschen exklusiv für einen Wahlkampfauftakt nach der Weihnachtspause war die Gästewahl schon. Da lädt Caren Miosga am Sonntag ein, um über die mögliche Neuauflage einer Großen Koalition zwischen CDU und SPD zu diskutieren: für die SPD war deren Vorsitzende Saskia Esken da, für die CDU der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff. Dazu gesellte sich noch der Journalist Veit Medick vom „Stern“. Das war es.
Also zwei Parteien, von denen viele Beobachter annehmen, dass sie laut Umfragen und auch auf Wunsch von CSU-Chef Markus Söder, der kein Regierungsbündnis mit den Grünen will, nach der nächsten Bundestagswahl eine „Große Koalition“ formieren könnten, wie sie unter Kanzlerin Merkel von 2005 bis 2009 das Land regierte. Aber wieso alle auch heute noch von einer Großer Koalition sprechen würden, merkte Haseloff kritisch an. Die SPD sei klein, liege in den Umfragen hinter der Union an dritter oder vierter Stelle. Miosga lenkte rasch ein: „Sprechen wir von Schwarz-Rot.“
Energieabhängigkeit von Russland verschuldet?
Das damalige Bündnis der Union mit den Genossen sei „nicht das schlechteste unter der Sonne“ gewesen, befand der Journalist Medick. Es habe immerhin die Eurokrise gemeistert, allerdings die Energieabhängigkeit von Russland verschuldet sowie die Digitalisierung verschlafen. Und es sei schon grotesk, wenn die gleichen Parteien die alten Probleme von damals wieder lösen sollten.
Einen Blick in die Parteiprogramme hatte die Sendung angekündigt, eine die Zuschauerschaft sicher abschreckende Botschaft, aber das vergleichende Programmstudium war dann nur punktuell: Die CDU will keine Steuern erhöhen, die Steuerlast für Unternehmen von 30 auf 25 Prozent senken, den Soli abschaffen, und - wie die SPD - will sie den Spitzensteuersatz anheben, um die Bürger zu entlasten. Die SPD erregt Aufmerksamkeit mit einem Investitionszuschuss von zehn Prozent für Unternehmen, die „Made in Germany“ praktizieren, sie will 95 Prozent der Bürger steuerlich entlasten, ein Prozent der „Topverdiener“ aber stärker belasten. Dass man die Vermögens- und Erbschaftsteuer anheben wolle, das rief Saskia Esken gleich mehrfach in die Sendung.
Ein Winterwunderland in Krisenzeiten
Vom neutralen Beobachterstatus befand der Journalist Medick, dass das „Agenda 2030“ genannte Wirtschaftspaket der Union eigentlich „kein großes Reformwerk“ sei. Beiden Parteien warf er überdies vor, den Kopf in den Sand zu stecken: „Die Realität passt nicht zu den Programmen. Da bricht die Welt gerade auseinander, aber Sie versprechen ein Winterwunderland.“
In den USA werde Trump jetzt Präsident, China versuche unsere Märkte zu zerstören und man habe einen Krieg in der Nachbarschaft. In den Parteiprogrammen aber fänden sich Steuersenkungen, „sichere Renten“, ein Zehn-Euro-Start-Konto für Kinder. „Das kann doch nicht sein“, meinte Medick. Weder Union noch SPD hätten den Mut, schmerzhafte Punkte anzusprechen. „Auf diese Weise überlasst man es den Populisten, sich als Kräfte der Veränderung zu inszenieren.“
Nach dieser Kritikwelle hakte Miosga nach, etwa bei Esken mit der Frage, ob denn nicht die von der SPD geplante Stabilisierung des Rentenniveaus auch höhere Rentenbeiträge zur Folge habe. Aber Esken räumte in diesem Punkt gar nichts ein, sie verwies nur auf eine in Zukunft höhere Erwerbsquote und dadurch ein höheres Beitragsvolumen durch mehr Vollzeit arbeitende Frauen, die Zuwanderung von Arbeitskräften und ein Senken der Schulabbrecherquote.
Vorwurf der Spaltung der Gesellschaft
Ähnlich auch die Widerstandsfront bei Haseloff bei einer Reform der Schuldenbremse, von der Medick meinte, es werde „schön“ sein für einen möglichen Kanzler Friedrich Merz, die nach seinem Amtsantritt zu entdecken. Die neue Regierung habe schließlich das gleiche Problem wie die alte: Es sei kein Geld da. „Wir lassen sie erst mal unangetastet“, sagte CDU-Politiker Haseloff. Auch „im System der Schuldenbremse“ könne man durch das Erklären von Notlagen oder das Schaffen von Sondervermögen finanzielle Erfordernissen – etwa im Ausbau der Infrastruktur – begegnen.
Wirklich viele Reibungspunkte zwischen den beiden Parteivertretern gab es in dieser Sendung nicht. Im Tonfall war es allerdings Esken, die mitunter kampfeslustig ihren CDU-Kollegen anging. Beispielsweise beim Thema innere Sicherheit. So berichtete Haseloff, dass man den Anschlag von Magdeburg in Sachsen-Anhalt nicht verkraftet habe und ihn auch lange nicht verkraften werde; er jedenfalls plane eine eigene Bundesratsinitiative für einen besseren Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden – aber auch Arbeitgebern.
Esken kritisierte daraufhin, dass die Union ein von der Ampel-Regierung nach Solingen verabschiedetes Sicherheitspaket im Bundesrat habe scheitern lassen. Zwar hätte es auch die Tat von Magdeburg nicht verhindern können, dennoch, so Esken: „Sie blockieren Sicherheit, weil Sie mehr wollen!“ Scharf klangen auch Eskens Worte zum Vorschlag von Merz, man solle Straftätern mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche aberkennen: „Das schafft Staatsbürger zweiter Klasse, das ist eine ungeheuerliche Spaltung der Gesellschaft!“
„Es gibt keine echten Zugpferde“
Völlig auseinander lagen beide Politiker selbstverständlich in der Bewertung ihrer eigenen Kanzlerkandidaten. Bei den sechs stärksten Parteien liegt die Politikzufriedenheit mit den Kanzlerkandidaten und Kandidatinnen auf einer Skala zwischen 20 Prozent (Olaf Scholz, Alice Weidel) und 28 Prozent (Robert Habeck), bei Friedrich Merz liegt sie bei 25 Prozent. Man habe noch nie so unpopuläre Spitzenkandidaten in einem Wahlkampf gehabt, stellte Veit Medick fest: „Es gibt keine echten Zugpferde, die dem Wahlkampf noch Dynamik oder einen Energieschub geben könnten.“
Saskia Esken dementierte diese Sicht der Dinge, sie habe bei Olaf Scholz gerade auf dem Parteitag in Hamburg einen „Energieschub“ erlebt, der sei ein „Kämpfertyp“, eine Bemerkung, die leichtes Gelächter im Studio auslöste. Ähnlich stark sieht Haseloff den Unionskandidaten: Friedrich Merz sei mit 50 Prozent Zustimmung für seine Wirtschaftskompetenz führend, mit ihm werde man „punkten und gewinnen“. Den Einwurf von Esken, es gebe doch gar keine Wirtschaftspolitik im Unions-Wahlprogramm, konterte Haseloff knapp: „Lesen! Frau Esken.“