Altbürgermeister Hiemer aus Spiegelberg verstorben

Friedrich Hiemer war 36 Jahre lang Rathauschef in Spiegelberg. Im Ruhestand verbrachte Spiegelbergs erster und einziger Ehrenbürger den Großteil des Jahres in seinem Haus in Südfrankreich. Zuletzt waren der 85-Jährige und seine Frau Jutta wieder in Jux zu Hause.

Sogar im fernen Südfrankreich, wo Friedrich Hiemer seinen Ruhestand verbrachte, träumte der ehemalige Bürgermeister vom Rathaus und von Spiegelberg. In seinem Garten in Jux fühlte er sich zu Hause. Foto: Tobias Sellmaier

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Sogar im fernen Südfrankreich, wo Friedrich Hiemer seinen Ruhestand verbrachte, träumte der ehemalige Bürgermeister vom Rathaus und von Spiegelberg. In seinem Garten in Jux fühlte er sich zu Hause. Foto: Tobias Sellmaier

Von Nicola Scharpf

Spiegelberg. Es vergehe keine Woche, in der er nicht von Spiegelberg oder dem Rathaus träume. Als er dies sagte, war Friedrich Hiemer 70 Jahre alt und feierte seinen runden Geburtstag im Feuerwehrgerätehaus der Lautertalgemeinde mit all jenen, mit denen er sich in irgendeiner Weise verbunden fühlte. Immerhin wohnte er damals, 2007, bereits seit acht Jahren zusammen mit seiner Frau Jutta in der Provence in einem Häuschen auf einer Anhöhe am Rande einer südfranzösischen 1600-Seelen-Gemeinde. Nach dem „Traumjob als Bürgermeister der Gemeinde Spiegelberg“ hatte sich Friedrich Hiemer damit einen zweiten Traum erfüllt. „Doch wir sind Deutsche geblieben und sprechen zu Hause weiterhin schwäbisch“, ließ Hiemer bei der Feier seines 70. Geburtstags keinen Zweifel an der Verbundenheit zu seiner Heimat aufkommen. Und er prognostizierte schon damals: „Wenn wir richtig alt sind, kommen wir wahrscheinlich wieder nach Jux zurück.“ Diese Vorhersage ist eingetreten, zuletzt lebte das Ehepaar Hiemer in seinem Haus in Jux. Dort ist Friedrich Hiemer nun im Alter von 85 Jahren – am 8. Dezember wäre er 86 Jahre alt geworden – gestorben.

Mit 26 Jahren wurde er Bürgermeister

Hiemer war 36 Jahre lang Rathauschef in Spiegelberg. Bei einer Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent konnte der 26-jährige Kreisinspektor aus Tettnang im Oktober 1963 rund 83 Prozent (absolut 465 Stimmen) auf sich vereinen. Die Spiegelberger bewiesen eine gehörige Portion Mut, als sie einen so jungen Mann an die Spitze ihrer Gemeinde wählten. Damals, vor der Gemeindereform, als Spiegelberg und Jux noch eigenständige Gemeinden waren, stand Hiemer ab 1965 dann beiden Kommunen in Personalunion als Bürgermeister vor. Im Zusammenhang mit der vor einem halben Jahrhundert stattgefundenen Gemeindereform sagte Hiemer vor zwei Jahren: „So eine Personalunion kam schon vor, war aber trotzdem etwas Besonderes.“

In Münsingen geboren, wuchs Friedrich Hiemer später in Aich auf den Fildern auf. Nach der Schule absolvierte er unter anderem in Tailfingen eine Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt, welche er 1962 auf der Verwaltungsfachhochschule in Stuttgart abschloss. Die kirchliche Trauung mit seiner Frau Jutta fand im Februar 1963 in ihrem Heimatort Wangen im Allgäu statt. Noch im selben Jahr wurde Hiemer in Spiegelberg Bürgermeister. Er und seine Frau lebten zunächst in der Lautertalgemeinde, bauten sich dann aber ihr Haus in Jux.

Auch bei allen folgenden Wahlen schenkten ihm die Spiegelberger jeweils mit klaren Ergebnissen ihr Vertrauen. Ein Bürgermeister, dessen erste Amtshandlung es war, eine Rechenmaschine fürs Rathaus anzuschaffen, wird zeit seines Amtslebens nicht mit Geld um sich werfen. Friedrich Hiemer jedenfalls hatte nie Gelegenheit dazu, weil die finanziellen Mittel nie dafür vorhanden waren. Trotzdem gelang es ihm, etliche Projekte zu verwirklichen: Die ersten Jahre waren geprägt vom Kindergartenbau, dem Markungsausgleich mit Neulautern, der Anerkennung Spiegelbergs als Erholungsort sowie von Vorbereitungen und Umsetzungen von Baumaßnahmen im Bereich Wasserversorgung und Kanalisation. Es folgten die Eingliederung von Jux, die Schulhauseinweihung, das Einrichten einer Gemeindebücherei, der Bebauungsplan Happenbach, der Ausbau der Ortsdurchfahrt, der Bau von Kläranlagen, Kanalbauarbeiten und weitere richtungsweisende Maßnahmen. Der Ausbau der Landesstraße L1066 und der Bau der Mehrzweckhalle Ende der 1980er-Jahre – die bis dahin größte Einzelbaumaßnahme der Gemeinde Spiegelberg – fielen in seine dritte Amtszeit. Als letzte große Baumaßnahme der Ära Hiemer ist der Bau des Feuerwehrgerätehauses 1997 zu nennen. So hinterließ er bei seiner Verabschiedung als Bürgermeister im Dezember 1999 eine Gemeinde, die sich mit allen ihren Einrichtungen sehen lassen konnte.

Er galt als gesprächsbereit,gelassen und unkompliziert

In seinen 36 Jahren an der Spitze des Rathauses verschaffte er sich den Ruf, sein Amt volksverbunden und schlitzohrig auszuüben. Er galt als stets gesprächsbereit, gelassen und unkompliziert. Weil sich die Spiegelberger ihrem Bürgermeister zu großem Dank verpflichtet fühlten, verliehen sie ihm bei seiner Abschiedsfeier die höchste Auszeichnung, die die Gemeinde vergeben kann, und ernannten ihn zu ihrem ersten und bis heute einzigen Ehrenbürger. „Danke, dass Sie einst das Wagnis eingingen, den Jüngsten zu wählen“, sagte Hiemer bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde.

Der amtierende Bürgermeister Max Schäfer würdigt Hiemers Verdienste um die Gemeinde: „Zahlreiche Liegenschaften, die wir heute noch tagtäglich nutzen, sowie große Teile der Infrastruktur wurden unter ihm realisiert. Auch ist er der Vater unseres Gemeindeblatts, welches heute das Sprachrohr der Verwaltung ist. Nach der beeindruckenden Dauer von 36 Jahren als Spiegelberger Bürgermeister ist es fast unmöglich, die Bedeutung seines Handelns für unsere heutige Generation überschaubar zusammenzufassen. Vieles von dem, was wir heute für selbstverständlich nehmen, findet seinen Ursprung irgendwo mit der Unterschrift ,Hiemer‘.“ Spiegelberg verliere mit Friedrich Hiemer nicht nur einen ehemaligen Bürgermeister und seinen einzigen Ehrenbürger, sondern auch einen allseits beliebten Mitmenschen.

Friedrich Hiemer hinterlässt seine Frau, drei Kinder, fünf Enkel und drei Urenkel.

Beerdigung Die Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung findet am kommenden Freitag, 24. November, um 14 Uhr auf dem Friedhof in Jux statt.

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Erstellt:
22. November 2023, 06:00 Uhr

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