Altes Schulhaus in Althütte feiert 150. Geburtstag

1873 wurde das markante Gebäude neben dem Althütter Rathaus eingeweiht. Zum runden Geburtstag hat der Heimatkulturverein eine Festschrift herausgegeben und präsentiert in einer Ausstellung historische Fotos und Dokumente.

Die Besucherinnen und Besucher lauschen den Geschichten und Erzählungen von Manfred Tegenkamp, der das eine oder andere humorvolle Detail erwähnt. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Die Besucherinnen und Besucher lauschen den Geschichten und Erzählungen von Manfred Tegenkamp, der das eine oder andere humorvolle Detail erwähnt. Foto: Tobias Sellmaier

Von Annette Hohnerlein

Althütte. Viele Bürger kennen das alte Schulhaus nicht nur von außen, sondern auch von innen – sei es als Patienten der Arztpraxen, als Besucher des Heimatmuseums, als Gäste im Jugendtreff Revier oder als Betrachter einer Kunstausstellung. Und manch ein älterer Mitbürger erinnert sich sogar noch daran, wie er als Kind dort die Schulbank gedrückt hat.

Im vergangenen Herbst fiel Manfred Tegenkamp vom Heimatkulturverein auf, dass das Gebäude am Rathausplatz 3 in diesem Jahr einen runden Geburtstag feiert. „Da muss man was machen“, fand er und ging an die Arbeit. Er stieg ins Archiv der Gemeinde, wälzte Akten, las Veröffentlichungen, suchte Zeitzeugen und führte Gespräche. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen fasste er in einer ausführlichen Broschüre zusammen, die gestern im alten Schulhaus vorgestellt wurde. Gleichzeitig wurde eine Ausstellung mit Originaldokumenten und Fotos eröffnet, die auf großes Interesse stieß. Über 50 Besucher begrüßte Markus Frank als Vorsitzender des Heimatkulturvereins in den Räumen im ersten Stock.

Gezeigt werden Dokumente aus der Entstehungsgeschichte des Hauses, Baupläne, Anträge, Schriftwechsel, Rechnungen; außerdem historische Klassenfotos, darauf die Mädchen mit Zöpfen, die Jungs mit kurzen Hosen. Einige Fotos stammen aus den 1960er-Jahren und zeigen turnende Kinder im Schulgarten, dem sogenannten Tarzangarten. Ergänzt werden die Dokumente durch Gegenstände aus dem Heimatmuseum: Maurer- und Zimmermannswerkzeuge sowie Geräte zur Verarbeitung von Leinen.

Bürgermeister Reinhold Sczuka dankte Manfred Tegenkamp und seinen Mitstreitern für ihre Arbeit: „Das ist ein tolles, umfängliches Werk mit vielen netten Geschichten.“ Einige dieser netten Geschichten stammen von Zeitzeugen; Lore Gruber, Helga Schultz geborene Kolb, Gretl Löhlein geborene Eisenmann und Karl Schäfer erinnern sich an Erlebnisse aus ihrer Schulzeit in dem Gebäude.

Zu Beginn seines Vortrags dankte Manfred Tegenkamp seinen Helfern: dem Künstler und Vereinskollegen Jo Nagel, der ihn bei der Zusammenstellung und Präsentation der Ausstellung unterstützt hat, außerdem Gertrud Kraus, Ida Rau, Helga Schweitzer und Ruth Wohlfahrt, die eine Vielzahl von Dokumenten aus der Sütterlinschrift in die heute gebräuchliche Schrift übertragen haben.

Das Gebäude hatte wechselnde Nutzungen im Lauf der Zeit

Anschließend ging Tegenkamp auf das Schulsystem früherer Jahrhunderte ein, als die Schulen unter der Aufsicht der Kirchen standen. Als „Schulmeister“, wie die Lehrer damals genannt wurden, wurden Bauern und Handwerker beschäftigt. Die Entlohnung war dürftig, was sich in dem Spottvers ausdrückte „Was er nicht isst, das steckt er ein, das arme Dorfschulmeisterlein.“ War eine Strafe für einen Schüler fällig, dann griff der Lehrer zur Rute. Aus Gründen der Sittlichkeit wurde den Mädchen vor dem Auspeitschen eine Leinenhose über das bloße Hinterteil gezogen.

Althütte bekam 1824 sein erstes Schulhaus an der Stelle, an der sich heute die Metzgerei Bunz befindet. Schon 1863 musste das Haus wegen Baufälligkeit aufgegeben werden, die Althütter Kinder gingen übergangsweise in Schöllhütte zur Schule. Für ein neues Gebäude war zunächst ein Grundstück neben der evangelischen Kirche vorgesehen. Zusammen mit dem Rathaus, das sich damals auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße befand, wäre an dieser Stelle der Ortsmittelpunkt entstanden. Aber es kam anders, man entschied sich letztlich für den heutigen Standort, weil dieser auch für die Kinder aus Schöllhütte besser erreichbar war.

Vor fast genau 150 Jahren, am 4. November 1873, wurde das Gebäude dann seiner Bestimmung übergeben. Seitdem gab es diverse Um- und Anbauten, die durch die wechselnden Nutzungen notwendig wurden. Denn im Lauf seines langen Lebens diente das Haus nicht nur als Schule, sondern auch als Polizeirevier, Arztpraxis, Heimatmuseum, Jugendzentrum, Künstleratelier und Wohnhaus. Und die Geschichte geht weiter: Im kommenden Jahr steht der Umbau des Erdgeschosses an, wie Markus Frank berichtet. Dort sollen drei feste Ausstellungsräume zu den Themen Anna Haag, Glasherstellung in Althütte und Dorfentwicklung entstehen. Außerdem werden die Landfrauen eine Begegnungsstätte betreiben. In den ehemaligen Revierräumen soll eine historische Wagnerwerkstatt entstehen. Ein Teil des ersten Stockwerks bleibt der Sammlung des Heimatmuseums vorbehalten, der andere Teil soll weiterhin für Sonderausstellungen genutzt werden. Im Frühjahr ist eine Fotoausstellung von Petra Tänzer und Olaf Feuchter über Althütte und seine Umgebung geplant, im Herbst wird Walter Mast Werke aus seiner Sammlung indischer Madhubani-Kunst zeigen.

Öffnungszeiten Die Ausstellung im ersten Stock des alten Schulhauses ist noch am 9. und 10. Dezember von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Die Dokumentation „150 Jahre Althütte – Rathausplatz 3“ kann dort für zehn Euro erworben werden.
Manfred Tegenkamp

© Tobias Sellmaier

Manfred Tegenkamp

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Erstellt:
6. November 2023, 11:00 Uhr

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