Althütte: Orgelbauer erzählt vom „schönsten Beruf der Welt“
Friedrich Tzschöckel ist Orgelbauer mit Leib und Seele. Der Orgel- und Harmoniumbaumeister aus Althütte-Fautspach pflegt, repariert und baut Orgeln in Deutschland und weltweit. Auch in Griechenland, Finnland, Island und in den USA erklingen Orgeln aus der Fautspacher Werkstatt.
Von Annette Hohnerlein
Althütte. Vor Kurzem hatte Friedrich Tzschöckel ein Heimspiel: Im Juni und Juli dieses Jahres hat er die Orgel der evangelischen Kirche in Althütte gereinigt und überholt. Anlässlich der Wiederinbetriebnahme des Instruments spielte Bezirkskantor Hans-Joachim Renz vor knapp drei Wochen darauf ein Konzert.
Aber in vielen Fällen muss der Orgelbaumeister und Fachrestaurator, der seine Werkstatt in Fautspach hat, lange Reisen unternehmen, um zu seinen Einsatzorten zu kommen. „Ich bin bundesweit unterwegs, von Hamburg bis zum Bodensee, von Aachen bis nach Plauen“, erzählt der 56-Jährige. Hauptsächlich geht es bei diesen Reisen um Unterhaltsarbeiten. Eine Orgel sollte alle zwei bis fünf Jahre gestimmt werden, alle 20 bis 25 Jahre ist eine Ausreinigung und Generalüberholung fällig, so Tzschöckel. Dass er den Auftrag bekommt, eine Orgel neu zu bauen, kommt eher selten vor, der Markt ist gesättigt. „Ein neues Instrument zu bauen, das aus meinem Kopf kommt, das ist natürlich die allerschönste Aufgabe“, schwärmt der Orgelbaumeister. Das letzte Mal war das 2017 der Fall, als er die Orgel für die Auferstehungskirche in Waldrems-Heiningen konstruierte.
Hunderte von Pfeifen sind in der Werkstatt der Größe nach aufgereiht
Die Werkstatt von Friedrich Tzschöckel sieht auf den ersten Blick aus wie eine normale Schreinerei. Erst wenn man in den ersten Stock kommt, wird klar, dass hier ein ganz spezielles Handwerk betrieben wird. Hunderte von Pfeifen aus Holz und Metall, von mannshoch bis winzig klein, sind der Größe nach aufgereiht, eben wie die sprichwörtlichen Orgelpfeifen. Die Metallpfeifen bezieht Tzschöckel von einem Betrieb in Freiberg am Neckar, die Holzpfeifen baut er selbst. In der Werkstatt stehen mehrere Modelle, die veranschaulichen, was passieren muss, damit aus dem Tastendruck des Organisten am Spieltisch ein Ton wird. Da wird ein komplizierter Mechanismus aus vielen hölzernen Hebeln und anderen Bauteilen in Gang gesetzt, der am Ende dafür sorgt, dass die Luft, Wind genannt, durch die Pfeifen strömen kann und sie zum Klingen bringt. „Die Länge der Pfeife bestimmt die Tonhöhe, die Form bestimmt die Klangfarbe“, erläutert der Orgelbauer.
Mehrere Tausend, bei den größten Orgeln sogar Zehntausende Pfeifen sorgen dafür, dass der mächtige Klang entsteht, der einen ganzen Kirchenraum ausfüllt und den Zuhörer völlig überwältigt. Nicht umsonst wird die Orgel die „Königin der Instrumente“ genannt.
Hierzulande haben Orgelmusik und Orgelbau eine besondere Qualität und eine lange Tradition, weshalb die deutsche Orgelmusik und der deutsche Orgelbau 2017 in die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden. Friedrich Tzschöckel ist stolz darauf, Teil dieser langen Tradition zu sein, und sagt strahlend: „Ich habe den schönsten Beruf, den es gibt.“ Besonders spannend und auch sehr aufwendig sei es, historische Instrumente zu restaurieren. Die Arbeit als Orgelbauer ist allerdings alles andere als familienfreundlich, viele Reisen und lange Arbeitstage lassen wenig Zeit für Privates. Außerdem ist der Arbeitsplatz in einer Kirche nicht gerade komfortabel. „Den ganzen Tag eine Orgel zu stimmen, bei fünf Grad in der Kirche und in unbequemer Arbeitshaltung, das ist sehr anstrengend“, erläutert Margarete Ortwein, Friedrich Tzschöckels Schwester. Sie ist im Betrieb für die Verwaltungsaufgaben zuständig und ist darüber hinaus als Organistin in den evangelischen Kirchen in Sechselberg und Althütte tätig.
Die beiden Geschwister sind in den Orgelbau quasi hineingewachsen. Ihr Vater Reinhart Tzschöckel gründete die Firma 1972 in Allmersbach im Tal. „Das war zunächst ein Einmannbetrieb“, erzählt der Sohn, „mein Vater arbeitete in der Garage, im Keller und im Wohnzimmer.“ Als er mit der Stichsäge den Wohnzimmertisch ruinierte, bestand seine Ehefrau darauf, dass er sich eine Werkstatt suchte. In Fautspach wurde er fündig und kaufte 1975 eine ehemalige Schreinerei und später eine Scheune in der Nachbarschaft.
1983 fing Friedrich Tzschöckel als Lehrling in der väterlichen Werkstatt an, 1994 legte er die Prüfung zum Orgel- und Harmoniumbaumeister ab. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahm er 2003 den Betrieb. 2006 absolvierte er eine Fortbildung zum fachgeprüften Restaurator im Orgel- und Harmoniumbau. Zu Hochzeiten der Firma in den 1980er-Jahren waren dort bis zu 16 Mitarbeiter beschäftigt, jedes Jahr wurde ein Lehrling ausgebildet und übernommen. Vor der Coronapandemie bestand das Team aus fünf Mitarbeitern, heute sind es drei: neben Tzschöckel und Ortwein noch Tobias Auer, Schreinermeister und Holztechniker.
Drei der fünf Orgeln im Ulmer Münster stammen aus Althütte-Fautspach
In den über 50 Jahren seit der Gründung der Firma wurden rund 380 Instrumente gebaut, von kleinen, transportablen Orgeln, sogenannten Truhenorgeln, bis hin zu großen Kirchenorgeln wie in der Michaelskirche in Schwäbisch Hall oder auch drei der fünf Orgeln im Ulmer Münster. Und die Aufträge kommen nicht nur aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt. In der Schweiz, in Österreich, Griechenland, Finnland, Island und in den USA erklingen Orgeln aus der Fautspacher Werkstatt.
Tzschöckels Auftraggeber sind aber nicht nur Kirchengemeinden, auch die öffentliche Hand bestellt Orgeln für Aussegnungshallen oder Musikhochschulen. Auch Privatpersonen gehören zu seinen Kunden; es gibt Berufsorganisten oder Orgelliebhaber, die sich ein Instrument bauen lassen, um zu Hause zu üben. Eine Orgel gibt es übrigens nicht von der Stange, jedes Instrument ist ein Unikat. „Die Technik ist immer die gleiche“, sagt Friedrich Tzschöckel, „und trotzdem ist jedes Instrument anders.“