Chemie von Wäldern
Amazonas-Regenwald funktioniert wie eine Wolkenmaschine
Der Amazonas-Regenwald ist nicht nur die grüne Lunge der Erde, er fungiert auch als globale Wolkenmaschine. Forscher haben jetzt herausgefunden, wie Gewitter und Pflanzen-Ausdünstungen zur Bildung von Wolken beitragen.
Von Markus Brauer
Sicher haben Sie bei sommerlichen Waldspaziergängen schon öfters einen würzigen Geruch in der Luft wahrgenommen. Mitverantwortlich für diesen typischen Duft sind Terpene, eine Gruppe von flüchtigen organischen Substanzen, die etwa im Baumharz oder in ätherischen Pflanzenölen vorkommen. Terpene werden seit dem Altertum aus zahlreichen Pflanzen, wie zum Beispiel Eukalyptus, Pfefferminz, Lemongras, Zitronenbaum, Thymian gewonnen.
Amazonas dünstet riesige Mengen von Terpenen aus
Der chemische Grundbaustein von Terpenen und gleichzeitig das am häufigsten vorkommende Molekül ist Isopren. Schätzungen zufolge geben Pflanzen pro Jahr weltweit 500 bis 600 Millionen Tonnen Isopren in ihre Umgebung ab. Die Substanz macht damit etwa die Hälfte der gesamten Emissionen von gasförmigen organischen Verbindungen der Pflanzen aus.
- Zur Info: Terpene sind eine große Gruppe von chemischen Verbindungen, die in vielen Pflanzen und sogar einigen Insekten vorkommen. Sie sind organische Verbindungen, die aus dem Grundbaustein Isopren aufgebaut sind. Terpene sind für den charakteristischen Geruch und Geschmack vieler Pflanzenarten verantwortlich.
Der Regenwald im Amazonas dünstet riesige Mengen von gasförmigem Isopren aus. Isopren ist ein ungesättigter Kohlenwasserstoff und Ausgangspunkt für eine Vielzahl von wichtigen Naturstoffen. „Allein der Amazonas-Regenwald ist für mehr als ein Viertel dieser Emissionen verantwortlich“, erklärt der Atmosphärenforscher Joachim Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt.
Gewitter transportieren Isopren in die Atmosphäre
Bei Sonnenschein und Temperaturen über 30 Grad Celsius wird Isopren in beträchtlichen Mengen von vielen Pflanzen und vor allem von Bäumen freigesetzt. Dies kann bis zu 15 Prozent des durch Fotosynthese produzierten Kohlenstoffs betreffen.
Bislang nahm man an, dass das Isopren im Amazonas-Gebiet rasch abgebaut wird und nicht in höhere Luftschichten gelangt, da es unter Lichteinwirkung rasch zerfällt. Denn tagsüber bilden sich unter dem Einfluss der Sonne in der bodennahen Atmosphäre sogenannte Hydroxyl-Radikale (OH).
Diese sind sehr reaktionsfreudig und zerstören die Isopren-Moleküle binnen Stunden. Curtius und ein internationales Forscherteam haben jetzt allerdings herausgefunden, dass nächtliche Gewitter im Amazonas das Isopren in bis zu 15 Kilometer Höhe transportieren.
- Zur Info: Das Hydroxyl-Radikal (OH) ist eine wichtige chemische Substanz in der gesamten Atmosphäre. Das OH-Radikal ist ein Molekül aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. In der Atmosphäre führt es zur Produktion des Schadstoffs Ozon.
Aerosole führen zu Wolkenbildung
In der Atmosphäre reagiert das Isopren zu chemischen Verbindungen, die in der Lage sind, große Mengen neuer Aerosolpartikel zu bilden. Diese Aerosole wachsen weiter an und tragen als Kondensationskeime zur Bildung von Wolken bei. Dieser Prozess dürfte den Wissenschaftlern zufolge erhebliche Auswirkungen auf das Klima haben.
- Zur Info: Als Aerosole werden Mischungen von festen oder flüssigen Partikeln in einem Gas oder Gasgemisch wie zum Beispiel Luft bezeichnet. Diese Schwebeteilchen aus der Umwelt sind von sehr unterschiedlicher Größe und haben Durchmesser von etwa 1 Nanometer (nm) bis zu mehreren 100 Mikrometern (µm).
Die Forscher stellten fest, dass auch nachts noch erhebliche Mengen Isopren im Regenwald vorhanden sind. „Diese Moleküle können zu einem erheblichen Teil in höhere Atmosphärenschichten befördert werden“, erläutert Curtius.
Gewitter wirken wie Staubsauger
Verantwortlich dafür sind tropische Gewitter, die sich nachts über dem Regenwald zusammenbrauen. Sie saugen das Isopren wie ein Staubsauger an und verfrachten es in acht bis 15 Kilometer Höhe. Sobald die Sonne aufgeht, entstehen Hydroxyl-Radikale, die mit dem Isopren reagieren.
Bei den extrem niedrigen Temperaturen, die dort herrschen, werden die Regenwald-Moleküle dadurch aber in andere Verbindungen umgewandelt als am Boden. Sie verbinden sich mit Stickoxiden, die in den Gewittern durch Blitzeinwirkung entstehen.
Viele dieser Moleküle können sich dann zu winzigen Partikeln von nur wenigen Nanometern Größe zusammenlagern – den Aerosolpartikeln. Diese Partikel wiederum wachsen im Laufe der Zeit an und dienen dann als Kondensationskeime für Wasserdampf. Sie spielen damit eine wichtige Rolle für die Bildung von Wolken in den Tropen.
Einfluss auf die Bildung von Wolken über dem Ozean möglich
„Wir haben diese Abläufe mit Hilfe von Forschungsflügen aufklären können, die zwei Stunden vor Sonnenaufgang begannen und dann den ganzen Tag über andauerten“, erläutert Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. „Dabei konnten wir in der Luft, die in der Höhe wieder aus den Gewittern herausfließt, erhebliche Mengen an Isopren nachweisen, aus dem sich dann nach mehreren chemischen Reaktionen rasch die neuen Aerosolpartikel formten.“
Die Partikel, die sich aus dem Isopren hoch über dem Amazonas-Regenwald bilden, können durch die Winde in dieser Höhe bis zu Tausende von Kilometern verbreitet werden. Sie haben also vermutlich noch in großen Entfernungen einen Einfluss auf die Wolkenbildung.
Amazonas-Wolken spielen wichtige Rolle für globales Klima
Da Wolken je nach Beschaffenheit und Höhe die Sonnenstrahlung abschirmen oder die Abgabe von Wärme ins All verhindern, spielen sie für das Klima eine große Rolle. Die Forscher hoffen daher, mit ihren Erkenntnissen zu einer Verbesserung der Klimamodelle beizutragen.
Daraus folgt, dass eine weitere Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in doppelter Hinsicht schädlich für das Klima sein könnte. „Einerseits werden dadurch Treibhausgase frei, weil der Wald als Kohlendioxid-Speicher ausfällt“, betont Curtius. „Andererseits werden durch die Rodung sowohl der Wasserkreislauf als auch die Isopren-Emissionen beeinträchtigt, was den Klimawandel weiter antreibt.“