An der Gabelung stand das Siechenhaus
Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die Schildwirtschaft Stern war das älteste Fachwerkhaus in Backnang und musste dem Ausbau der Aspacher Straße weichen.
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Die Aspacher Vorstadt bestand einst nur aus wenigen Häusern jenseits der Brücke. In der Oberamtsbeschreibung des 18. Jahrhunderts heißt es: „In der Aspacher Vorstadt: 1 Mahl Mühl samt einer Scheuren. Die Mühl hat 3 Mahl und 1 Gerbgang, ist unterschlächtig, wird vermittelst einer Wehre von der Murr getrieben. 1 Zollhäußlen an der Murrbrücken. 1 Schafhaus samt einer Scheuren stehet von der Gaße an in einem Biegel“, zitiert Helmut Bomm in seinem Buch „Was Straßenschilder erzählen“.
Der Bereich weiter bergauf in der heutigen Aspacher Straße war damals noch nicht bebaut. Nur an der Gabelung der Straßen in Richtung Großaspach und Schöntal, wo sich heute ein markantes Backsteinhaus befindet, gab es in frühen Zeiten ein separat stehendes Gebäude – für damalige Begriffe weit außerhalb der Stadt. Über diesen Bau schreibt Gemeinderat Gustav Hildt in den Blättern des Murrgauer Altertumsvereins 1911: „In der Gabelung der Schöntaler und Großaspacher Straße war ein kleines Gemüsegärtchen, welches das Siechengärtchen oder beim heiligen Kreuz genannt wurde. Auch zwei Morgen Acker dahinter, bis zu den Weinbergen am Kachelrain reichend, hießen der Siechenacker. Auf der Stätte dieses Gärtchens stand das Siechenhaus für Aussätzige oder andere mit ansteckenden Krankheiten. Als durch die Kreuzzüge der Aussatz aus dem Morgenlande nach Deutschland verschleppt worden war, wurden im 13. Jahrhundert vor den Toren der Städte solche Siechenhäuser gestiftet und die Kranken von allem Verkehr mit ihren Angehörigen abgeschlossen. Nach dem Verschwinden des Hauses erinnerte noch ein Kreuz an seine ehemalige Stätte, daher auch der Name, beim heiligen Kreuz.“
Der Gasthof Stern war das älteste Fachwerkgebäude Backnangs.
Zur frühen Bebauung der Aspacher Vorstadt gehörte die Schildwirtschaft Stern am Fuß der Aspacher Straße. Bereits während des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) wird der Stern erwähnt. Das Gebäude überstand, da außerhalb der Stadtmauer gelegen, den Stadtbrand von 1693 unbeschadet. Im Jahr 1940 legte man das Fachwerk frei und stellte fest, dass der Stern das älteste Fachwerkgebäude Backnangs war, informiert das Backnang-Lexikon.
Wie der Stadtplan von 1832 zeigt, war bis dahin die Aspacher Straße nur bis zum Abzweig Schöntaler Straße bebaut. Erst nach 1870 setzte auch in der Aspacher Vorstadt eine rege Bautätigkeit ein, so Bomm. Einige Meter bergauf vom Stern eröffnete 1871 der Bäckermeister Friedrich Wahl in der späteren Aspacher Straße 23 die Gastwirtschaft Traube, die sein Schwiegersohn August Schmückle 1888 übernahm, der sie bis 1929 betrieb und anschließend verpachtete, heißt es im Backnang-Lexikon weiter.
Ein Foto, das um 1900 entstanden ist (unten links), zeigt einen Blick in die Aspacher Straße. Die Traube (rechts) ragt weit in die schmale Straße hinein. Am Haus links befindet sich ein Schild mit der Aufschrift „Baumschule und Samenhandel Gottlob Trefz“. Über zahlreiche Treppenstufen gelangte man in die in der Höhe angelegte Baumschule. Noch heute besteht diese Gärtnerei.
Ein markanter Hämmerle-Bau ist das Backsteingebäude an der Gabelung Schöntaler Straße/Aspacher Straße, an der sich einst das Siechenhaus befand. Als viergeschossiges Doppelwohnhaus wurde es im Jahr 1900 für Küfer Karl Fischer und Bauunternehmer Wilhelm Gläser gebaut, heißt es im Buch „Christian Hämmerle“ von Bernd Lenzner, das 1993 im Fr.-Stroh-Verlag erschienen ist: „Das Baugesuch für das Eckgebäude an exponierter Stelle zeigt eine aufwendige Dekoration mit Elementen der Neorenaissance. Der Bau wurde stark vereinfacht in Ziegelmauerwerk ausgeführt. Das Gebäude besitzt zweigeschossige Erker über Konsolen an den abgeschrägten Gebäudeecken. Ursprünglich dreigeschossig geplant, wurde 1907 durch Christian Cantz an der Seite der tiefergelegten Schöntaler Straße ein Tiefparterre eingerichtet und das Gebäude durch einen viergeschossigen Anbau erweitert.“
Schon in der Planung sah Christian Hämmerle im Haus Aspacher Straße 39 vermutlich eine Gaststätte (im Plan von 1907 „Freier Raum“) vor, ist aus einem Baugesuch erkennbar. Die Räume wurden jedoch vom Eigentümer Küfer Karl Fischer als Wohnraum genutzt. Erst 1949 richtete die ehemalige Trauben-Wirtin Anna Pressler die Schankwirtschaft Hofbräustüble ein und führte sie bis 1957. Danach gab es häufige Pächterwechsel.
In den 1960er-Jahren gab es einige Möbelgeschäfte in der Straße.
In den 1960er-Jahren siedelten sich Möbelhäuser in der Aspacher Straße an. Walter Spieß, der mit seiner Frau Lilo aus Fellbach zuzog, eröffnete 1964 ein Möbelgeschäft auf zwei Etagen im Haus Aspacher Straße 74 bis 76, das er von Hermann Langbein gekauft hatte. In Einwohnerbüchern wird das Haus Aspacher Straße 74 bereits 1898 erwähnt. Das Gebäude mit der Hausnummer 76 war ein späterer Anbau. Im Haus daneben betrieben Hildegard und Leo Klinghoffer einen Ledergroßhandel. Sie bauten Ende der 1960er-Jahre in der Aspacher Straße 70 ein Gebäude, das sie ebenfalls an ein Möbelgeschäft vermieteten. Im Jahr 1971 zog hier das Möbelhaus Noller ein. Das traditionsreiche Unternehmen war bereits 1899 als Schreinerei in der Sulzbacher Straße 14 eröffnet worden und 1905 in einen Neubau in die heutige Sulzbacher Straße 65 gezogen.
Kurt und Ilona Noller eröffneten nun in der Aspacher Straße eine Filiale für Inneneinrichtung. Das Möbelhaus Noller in der Aspacher Straße bestand bis 1986, bevor Noller ein neues Einrichtungshaus in der Sulzbacher Straße 99 mit 3000 Quadratmetern Verkaufsraum baute, das im Jahr 2020 schloss.
Der untere Teil der einst schmalen Aspacher Straße hat sich in den 1970er-Jahren stark verändert. Als in den 1960er-Jahren die Zahl der Kraftfahrzeuge von Jahr zu Jahr sprunghaft anstieg, war die einspurige Aspacher Straße nicht mehr für das Verkehrsaufkommen geeignet. Mit Hausabbrüchen wurde die Verkehrssanierung eingeleitet. Im August 1974 fiel das Gasthaus Traube der Spitzhacke zum Opfer, heißt es bei Bomm. Es folgten 1975 weitere Gebäude auf der linken Seite stadtauswärts und schließlich das urwüchsige Fachwerkhaus, der Gasthof Stern, in dem zuletzt eine Wienerwald-Filiale untergebracht war. Nach großzügigem Ausbau konnte die neue Aspacher Straße, nunmehr in beiden Richtungen befahrbar, vor Weihnachten 1975 dem Verkehr übergeben werden.