Spannungen zwischen Indien und Pakistan

Anfang vom Ende: Das wären die Folgen eines regionalen atomaren Krieges

Die Angst vor einem Atomkrieg ist zurück. US-Forscher warnen: Schon ein regionaler Konflikt mit nuklearen Waffen könnte die Welt in globales Chaos stürzen. Droht zwischen den Atommächten Indien und Pakistan ein heißer (atomarer) Krieg?

Beobachter befürchten eine Eskalation zwischen den beiden Atomstaaten – im schlimmsten Fall ein Konflikt, der atomar ausgetragen werden würde.

© Imago/Dreamstime

Beobachter befürchten eine Eskalation zwischen den beiden Atomstaaten – im schlimmsten Fall ein Konflikt, der atomar ausgetragen werden würde.

Von Markus Brauer

Inmitten verschärfter Spannungen zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan ist es zwischen Soldaten beider Länder zu einem Schusswechsel gekommen.

Schüssen an der Kontrolllinie

Der Vorfall ereignete sich der Nacht zum Freitag (25. April) an einem Punkt der sogenannten Kontrolllinie. Diese Demarkationslinie markiert den faktischen Grenzverlauf zwischen den von Indien und Pakistan kontrollierten Teilen der umstrittenen Kaschmir-Region.

Im Visier des gegenseitigen Beschusses hätten Außenposten des jeweils anderen Militärs gestanden, heißt es. Es habe keine Tote oder Verletzte gegeben. Auch die indische Zeitung „The Indian Express“ berichtete mit Berufung auf eine indische Militärquelle von Schüssen an der Kontrolllinie.

In der Vergangenheit ist es in der Grenzregion häufiger zu Schusswechseln zwischen Soldaten gekommen, seit einigen Jahren war es dort jedoch vergleichsweise ruhig.

Amid heightened India-Pakistan tensions in the wake of the attack on tourists in #Pahalgam, Pakistani troops on Thursday (April 24) night resorted to unprovoked firing at various place along the Line of Control in Jammu and Kashmir, security sources said. No casualties have been… pic.twitter.com/InokNcIvNF — The Indian Express (@IndianExpress) April 25, 2025

Verschärfte Krise nach Terroranschlag

Auslöser der erhöhten Spannungen war ein verheerender Terroranschlag in der umstrittenen Region Kaschmir. Bewaffnete Angreifer hatten am Dienstag (22. April) auf einer Bergwiese in einer beliebten Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam in dem von Indien verwalteten Teil der Himalaya-Region 26 Menschen getötet, mindestens 17 weitere wurden verletzt.

Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung an dem Terroranschlag vor, was der Nachbarstaat zurückweist. Beide Länder sind seitdem mit harten Maßnahmen gegeneinander vorgegangen, etwa mit der Ausweisung von Diplomaten und Staatsbürgern der anderen Seite sowie der Aussetzung eines wichtigen Wasservertrags seitens Indien.

Beim Atomkrieg gibt es nur Verlierer

Beobachter befürchten eine Eskalation zwischen den beiden Atomstaaten – im schlimmsten Fall ein Konflikt, der atomar ausgetragen werden würde.

Bei einem Atomkrieg gibt es keine Gewinner. Dieses Credo aus dem Kalten Krieg hat bisher nukleare Waffengänge verhindert. Bereits in 1950er Jahren prophezeiten Wissenschaftler, dass ein atomarer Konflikt zwischen den Supermächten verheerende Folgen für die gesamte Menschheit hätte.

Rauch und Aerosole der thermonuklearen Explosionen würden die Sonne verdunkeln und das Weltklima über viele Jahre abkühlen. Die Folge: ein nuklearer Winter.

Droht ein atomarer Konflikt Indien und Pakistan?

Angesichts der konfliktiven Lage in Kaschmir zwischen den Atommächten Indien und Pakistan ist ein Forscherteam um den US-Klimawissenschaftler Owen Toon von der University of Colorado in Boulder der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen ein regionaler nuklearer Krieg für die gesamte Welt haben könnte. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Sience Advances“ veröffentlicht worden.

Rapidly expanding nuclear arsenals in Pakistan and India portend regional and global catastrophe - https://t.co/KtazdExhj4pic.twitter.com/xji7qRZzyh — DEFCONWarningSystem (@DEFCONWSALERTS) October 3, 2019

„Ein in der Geschichte der Menschheit beispielloser Krieg“

„Unser Szenario beginnt mit einem Terrorangriff auf die indische Regierung“, erläutern die Experten zu Beginn ihrer Analyse. Daraufhin startet Indien zunächst einen konventionellen Vergeltungsangriff auf die pakistanische Grenzregion Kaschmir. Pakistan beschießt indische Städte mit Atomwaffen, Indien reagiert mit Gegenangriffen. Innerhalb von einer Woche haben beide Länder mehr als 200 Atomschläge durchgeführt.

„Dies wäre ein in der Geschichte der Menschheit beispielloser Krieg“, erklärt Owen Toon. Schon in der ersten Woche könnten durch die Explosionen, Verstrahlung und verheerende Brände zwischen 50 und 125 Millionen Menschen in den betroffenen Regionen sterben.

Durch Explosionen und Brände würden gewaltige Mengen an Rauch freigesetzt. Eine radioaktive Wolke aus 16 bis 36 Milliarden Kilogramm Ruß würde sich innerhalb weniger Wochen über den gesamten Globus verteilen. „Dadurch wird die Sonneneinstrahlung um 20 bis 35 Prozent verringert und die Erdoberfläche kühlt sich ab“, erläutert Owen Toon.

Zahl der Opfer wäre astronomisch

Die globalen Temperaturen würden um zwei bis fünf Grad und die Niederschläge um 15 bis 30 Prozent sinken. Die Folgen wären Missernten und weltweite Hungersnöte. Klimaforscher Toon geht davon aus, dass die Nahrungsmittelproduktion über mehrere Jahre um 15 bis 30 Prozent sinken könnte.

„Zum ersten Mal in der Geschichte könnte dadurch ein regionaler Krieg mehr Menschenopfer fordern als weltweit in einem Jahr aus natürlichen Gründen sterben.“

Wie groß sind die nuklearen Waffenpotenziale der Atommächte?

Die Anzahl der einsatzbereiten Atomwaffen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Zwar würden Sprengköpfe ausrangiert und die weltweite Zahl der Kernwaffen sinke seit Jahrzehnten, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri in seinem am Montag (17. Juni) veröffentlichten Jahresbericht schreibt. Zugleich würden aber immer mehr Sprengköpfe einsatzbereit gehalten. Das Institut bezog sich dabei auf Daten vom Januar 2024 im Vergleich zum Januar 2023.

All nine nuclear-armed states are modernizing or upgrading their #NuclearArsenals. Several states deployed new nuclear-armed or nuclear-capable weapon systems in 2023. Press Release➡️https://t.co/gcpKWFj4SFpic.twitter.com/yLLAkLrb0V — SIPRI (@SIPRIorg) June 17, 2024

Mehr Atomwaffen in der Entwicklung

Zugenommen hat laut Sipri auch die Zahl von Kernwaffen, die sich in der Entwicklung befinden, da Staaten ihr Vertrauen in die nukleare Abschreckung verstärkten. Vom weltweiten Gesamtbestand der schätzungsweise 12 121 Sprengköpfe im Januar 2024 befanden sich etwa 9585 in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz.

Rund 3904 dieser Sprengköpfe waren auf Raketen und Flugzeugen bestückt – 60 mehr als im Januar 2023. Der Rest befand sich laut Bericht in Zentrallagern.

Die Experten erwarten, dass sich der Trend in den kommenden Jahren fortsetzen und noch beschleunigen wird, was „äußerst besorgniserregend“ sei.

At the start of 2024, the 9 nuclear-armed states possessed an estimated 12 121 nuclear weapons. New numbers out now ➡️ https://t.co/hwXGg3URBP USA 5 044 Russia 5 580 UK 225 France 290 China 500 India 172 Pakistan 170 North Korea50 Israel 90#SIPRIYearbookpic.twitter.com/GEKbCl8vEd — SIPRI (@SIPRIorg) June 16, 2024

Neun Staaten besitzen Nuklearwaffen

Sipri zufolge verfügen neun Länder über Atomwaffen. Spitzenreiter sind dabei USA und Russland. In ihren Beständen befinden sich etwa 90 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe.

Großbritannien rangiert auf dem dritten Platz gefolgt von Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Zum ersten Mal soll auch China einige Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft halten. Deutschland besitzt keine Atomwaffen.

Einsatzbereite Atomwaffen und Lagerbestände

Die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe im Besitz der Atommächte Großbritannien, China, Frankreich, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan, USA und Russland ging laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri 2022 von 12.710 auf 12.121 in diesem Jahr zurück. Davon waren demnach allerdings rund 9585 in „militärischem Lager- und Bestand“.

Sipri unterscheidet zwischen einsatzbereitem Lagerbestand und Gesamtbestand. Zu Letzterem gehören auch ältere Atomwaffen und solche, die für den Rückbau bestimmt sind. Der Lagerbestand bezeichnet die „nutzbaren Atomwaffensprengköpfe und diese Zahlen beginnen leicht zu steigen“. Die Zahl sei aber noch weit entfernt von den mehr als 70.000 während der 1980er Jahre (mit dpa-Agenturmaterial).

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Erstellt:
25. April 2025, 13:18 Uhr

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