Milliardendefizit der Pflegekassen
AOK-Landeschef fordert Reform der Pflegeversicherung
Milliardendefizit und steigende Pflegekosten – nach Ansicht der Kassen muss eine neue Regierung schnell handeln. Der AOK-Landeschef Johannes Bauernfeind fordert eine umfassende Reform.

© Tom Weller/dpa
Pflege wird in Deutschland immer teurer.
Von Bettina Hartmann
Die Pflegeversicherung hat alarmierende Zahlen vorgelegt: Im vergangenen Jahr hat sie ein Defizit von 1,54 Milliarden Euro eingefahren, teilte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) am Freitag in Berlin mit. „Die finanzielle Situation der Kranken- und Pflegeversicherung ist ernst und hat sich in den letzten Monaten zugespitzt“, sagte Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, unserer Zeitung.
Dabei war es für die Beitragszahler gerade erst wieder teurer geworden: Zum Jahresbeginn wurde der Beitragssatz der Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte angehoben – auf 3,6 Prozent des Bruttolohns, für Kinderlose auf 4,2 Prozent. „Die Ausgaben werden weiter massiv steigen, während der demografische Wandel und der Fachkräftemangel die Versorgung belastet“, so Bauernfeind in Stuttgart weiter.
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, betonte zwar, es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund zur Sorge. Pflegebedürftige würden ihre Leistungen weiter erhalten, Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen bezahlt. Doch nach Ansicht von Bauernfeind braucht es „echte Strukturreformen“: „Eine neue Regierung muss schnell ins Handeln kommen.“ Unter anderem dringt er auf eine Entlastung der Pflegeversicherung von versicherungsfremden Aufgaben.
Das sieht das Landesgesundheitsministerium ähnlich. In der gesetzlichen Krankenversicherung sei eine „Dynamisierung des Bundeszuschusses“ notwendig. „Die Kassen müssen bessergestellt und die Prävention, sektorenübergreifende Versorgung sowie Ambulantisierung vorangebracht werden, um Kosten zu sparen“, sagte Minister Manfred Lucha (Grüne) unserer Zeitung.
Die GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer rechnet unterdessen mit einem weiteren Minus: Schon jetzt könne man mit Blick auf 2025 sagen, dass der GKV ein Defizit von etwa einer halben Milliarde drohe. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz appellierte an Union und SPD, die Pflegeversicherung aus der Notlage zu holen. Der Vorstand Eugen Brysch hält eine Einigung jedoch für schwierig. Eine mögliche Koalition liege in diesem Punkt meilenweit auseinander: Während die Sozialdemokraten die Pflegekosten deckeln wollten, stellten die Christdemokraten die private Vorsorge in den Mittelpunkt.